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SCHACH-SPHINX/04767: Riß in der Geschichte (SB)


Man hat sich heutzutage leider daran gewöhnt, daß amtierende Weltmeister über ihre Vorgänger ein wenig naserümpfend spötteln. Die Worte mögen noch so unscheinbar gehalten sein. Man bemerkt den Biß dennoch. Vielleicht ist dies eine zeitgenössische Krankheit. Der Riß, der infolge der schwierigen finanziellen Situation unter den Meistern klafft, läßt für wohlwollende Statements offenbar nicht mehr viel Raum. Mit einer gewissen Wehmut erinnert man sich da an die Hommage von Wassili Smyslow, der ohne falsche Gezwungenheit die Erfolge und Leistungen von Michail Tschigorin zu ehren wußte: "Tschigorin ist der Begründer der russischen Schachschule. An Tschigorins Partien lernen Liebhaber der Schachkunst, feilen Schachmeister ihren Spielstil aus. Niemand hat für die Entwicklung und die Popularisierung von Schach in Rußland so viel wie Tschigorin getan, und die wir das schöpferische Erbe Tschigorins antreten, halten das Andenken dieses russischen Schachkoryphäen in Ehren und sind ihm für seinen selbstlosen Dienst an der Schachkunst von Herzen dankbar." Das heutige Rätsel der Sphinx möchte diese lobenden Worte zum Anlaß nehmen, um an das Telegraphenmatch zwischen Tschigorin und seinen lebenslangen Rivalen - im positiv-kreativen Sinne gemeint - Wilhelm Steinitz zu erinnern. Beide spielten zeitgleich zwei Partien. Der Streit war an der Frage entbrannt, ob zwei von Weltmeister Steinitz empfohlene Varianten im Evans-Gambit und Zweispringerspiel im Nachzuge vertretbar seien. Tschigorin zweifelte dies an und gewann beide Partien. Also, Wanderer, Tschigorin hielt es zeitlebens mit der Zweispringer-Verteidigung in der Italienischen Partie, und Steinitz hatte zuletzt 1.Dc2-e2 gespielt. Wie ging die Rechnung von Tschigorin auf?



SCHACH-SPHINX/04767: Riß in der Geschichte (SB)

Steinitz - Tschigorin
1890

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
David Bronstein spielte 1...d5-d4!, worauf der Freibauer plötzlich entscheidend in die Partie eingriff. Nach 2.Sc3xb5 Lc6xg2 3.Kg1xg2 Sf6- g4 war die weiße Stellung plötzlich offen wie ein Scheunentor: 4.Sd6- f5 d4-d3 5.Ta6-d6 Tf8xf5 6.Td6xd7 Sc2-e3+ und Botwinnik mußte sich geschlagen geben. Noch schlimmer wäre es ihm bei 4.Sd6-e4 ergangen: 4...d4-d3 5.Sb5-c3 Sc2-e3+ 6.Kg2-h3 d3-d2! 7.Se4xd2 Sg4-f2+ 8.Kh3-h4 Se3-g2+ 9.Kh4-g5 - 9.Kh4-h5 Tf8-f5# - 9...g7-g6! 10.Ta6-f6 - 10.Kg5-h6 Sf2-g4+ 11.Kh6-g5 Tf8-f5+ 12.Kg5xg4 Sg2-e3+ 13.Kg4-h4 Tf5-h5# - 10...Kh8-g7 11.Tf6xf8 h7-h6#. Eine echte Meisterleistung von Bronstein.


Erstveröffentlichung am 10. März 2001

06. Juni 2013





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