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SCHACH-SPHINX/04710: Mammons Diener (SB)


Zwei Profile geben sich die Schachmeister. Das eine gleicht der Zartbesaitetheit der Sinne. Hier will der Mensch den schuldigen Beweis antreten, daß er sich mit dem Höhenflug des Kreativen über die Natur erheben könne. Die Sterne sind sein Ziel, um aus der Wurzelhaftigkeit seines Daseins zu entfliehen. Er will seinen Füßen kleine Schwingen andichten und gleich dem Götterboten Hermes Verkünder edlerer Zwecke und Geschicke sein. Das zweite Profil ist banaler. Er fordert zum trivialen Vergleich der Geister auf. Wettkampf steht auf seiner Fahne und nur im Sieg über seinesgleichen thront er über dem Durchschnitt. Höhere Ziele dagegen leugnet er. Allein im gewinnbringenden Ansehen sieht er den Nutzen des Schachspiels. Diesen Widerstreit der Masken hat kein anderer als der Ex-Weltmeister Emanuel Lasker heraufbeschworen, als er schrieb: "Durch einige romantische Enthusiasten ist das Schachspiel zur Wissenschaft oder Kunst erhoben worden. In Wahrheit steht das Schachspiel so hoch nicht. Sein wesentlicher Charakterzug - die menschliche Natur findet das meiste Ergötzen daran - ist Kampf. Freilich kein Kampf, der Nerven ungebildeter Menschen kitzelt, bei dem Blut fließen würde und Schläge ausgeteilt würden, die auf dem Leibe sichtbare Spuren lassen; das nicht; ein Kampf hingegen, wo das auch im Kampfe vorhandene Element des Wissenschaftlichen, Künstlerischen und Geistigen allein vorherrscht." Die Nachwelt folgte seinem Ruf, die Kunst verdorrte. Lasker muß als der Wegbereiter all dessen dekuvriert werden, was heutzutage so schmerzlich in der Stagnation des Schachspiels zutage tritt: Der Ausverkauf der Seele an den Götzen Mammon. Denn im Kampf, den Lasker heiligsprach, spiegelt sich der seit jeher so triebhafte Überlebenswille des Menschen wider. Schade, daß Lasker nicht an die Zauberkraft der Flügel glaubte und so im Schatten bescheidener Träume verharrte. Im heutigen Rätsel der Sphinx leuchtete aus seiner Partie gegen den Amerikaner Pillsbury dennoch so etwas wie ein anderes Profil durch. Also, Wanderer, mit welchem Zug zwang Lasker den weißen König unters Joch?



SCHACH-SPHINX/04710: Mammons Diener (SB)

Pillsbury - Lasker
St. Petersburg 1896

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
David Bronstein bewies seinen Sinn für Originalität, als er nach 1...Te5-e4 mit dem Damenopfer 2.Tf1xf5! Te4xh4 2.Tf5xd5+ Kd7-e6 3.Tc1- d1 Da6-c4 4.Td5-d6+ Ke6-e7 5.Td6-d7+ Ke7-f6 6.Lg3xh4+ Dc4xh4 7.Td1-f1+ Kf6-g5 ein hübsches Kampfremis erzwang.


Erstveröffentlichung am 20. Februar 2001

10. April 2013





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