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SCHACH-SPHINX/04548: Monument ohne Halt (SB)


Wenn es für den kubanischen Großmeister José Capablanca je einen Augenblick gegeben hat, wo er sich von der Zeit überrollt fühlte, dann war es im Jahr 1928. Seinen Weltmeistertitel hatte er ein Jahr zuvor an Alexander Aljechin verloren. War er bis dahin als ein Genie der präzisen Spielführung bewundert worden, so trat in ebenjenem Jahr ein pessimistischer Wandel in sein Renommnee ein. Von Zukertort und Steinitz wußte man, daß sie ihre Niederlagen in den Weltmeisterschaftskämpfen mit einem Abgesang ihrer Spielstärke bezahlt hatten. Und schon ging man mit demselben journalistischen Eifer daran, auch im Kubaner jene verderblichen Symptome der Mattheit und des inneren Werteverfalls auszuspähen. Gründe dafür boten sich viele. Was Capablanca auf den internationalen Turnierbühnen des Jahres 1928 geboten hatte, glich einem Katzenjammer. In Moskau sah man einen Ex- Weltmeister, der längst nicht mehr mit gewohnter Souveränität agierte. Nur dank einer gewissen Scheu, die viele ihm gegenüber immer noch hegten, konnte er sich auf den dritten Platz retten. Fern und fade wie bloße Erinnerungen schienen Capablancas goldenen Tage aus San Sebastian 1911 und St. Petersburg 1914 zu sein. Er, ein Fossil jener Ära, in der mit purem Handwerkswissen jede Partie gemeistert werden konnte, begegnete nun einer Generation von Schachspielern, die zumal in der Eröffnungsphase ein viel höheres Niveau erreicht hatte. Dinosauriersterben, so könnte man das Schnittjahr 1928 bezeichnen, in dem ein vom schachlichen Fortschritt abgehalfterter Kubaner registrierte, daß die Zeit einen galoppierenden Lauf bekommen hatte. Anzeichen einer gewissen Müdigkeit hatte Capablanca schon Jahre zuvor hin und wieder gezeigt wie in seiner New Yorker Partie gegen Emanuel Lasker, wo er im heutigen Rätsel der Sphinx zuletzt 1.g4-g5? zog und später nur auf Grund einer simplen Verrechnung des deutschen Großmeisters gewann. Also, Wanderer, wie hätte Capablanca den Sieg forcieren können?



SCHACH-SPHINX/04548: Monument ohne Halt (SB)

Capablanca - Lasker
New York 1924

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
In einer späteren Analyse fand Taimanow heraus, daß Kasparow mit 1.g4- g5+ Kf6-f5 2.h5-h6 Th4-h1 3.Kc5-d6 Th1-e1 4.Tb5-b8! wesentlicher kürzer den Sieg hätte erzwingen können, zum Beispiel 4...Kf5xf4 5.g5- g6! h7xg6 6.h6-h7 Te1-h1 7.h7-h8D Th1xh8 8.Tb8xh8 g6-g5 9.Kd6-d5 mit bequemer Gewinnstellung oder 4...Te1-d1+ 5.Kd6-c5! Td1-c1+ 6.Kc5-d4 Tc1-d1+ 7.Kd4-e3 Td1-e1+ 8.Ke3-f2 und gegen 9.Tb8-f8+ nebst 10.Tf8-f6 gäbe es keine Rettung mehr.


Erstveröffentlichung am 29. Dezember 2000

30. Oktober 2012





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