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SCHACH-SPHINX/04173: Philosophische Unbegründetheit (SB)


"Wie kommt es", so fragte einst der Schachphilosoph Fritz Siebert, "daß durch das Nebeneinander von Schachzügen Wechselwirkungen transzendentaler Kräfte, Stimmungen, ja Vorstellungen des Makrokosmos erregt werden, von Vorgängen, die doch an sich nichts anderes sind als physikalische Erscheinungen? Wie kommt es, daß eine Schachpartie uns aufregt, beschwichtigt, selig stimmt, daß sie unser ganzes Ich absorbieren, unseren Empfindungskreis so konzentrieren kann, daß wir gleichsam in eine andere Welt entrückt sind?" Ein wenig Abstand von der großen philosophischen Wolke, die alle Fragen auf die Antwort eines verborgenen Ursprungs zum Zwecke einer letzten Daseinsbegründung zurückführen möchte, und Siebert hätte leicht das Rätsel lösen können, das jeder Schachnovize vom ersten Augenblicke für sich geknackt hat, nämlich daß uns am Schachspiel nichts so sehr erfreuen und motivieren kann wie die eigene Unzulänglichkeit und die des anderen. Fehler zu machen und diese als solche zu erkennen, belebt jedes Interesse, auch an einer trockenen Materie wie dem Schach. Anders wäre der anziehende Erfolg dieses intellektuellen Spiels auch für das Laienvolk gar nicht verständlich. Der Mensch begegnet sich im Schachspiel in seiner offensichtlichsten Erscheinung als ein mit dem kartesianischen Weltbild stets ringender Sisyphus. Ein solcher war im heutigen Rätsel der Sphinx auch Großmeister Tartakower, der statt der Gewinnfolge 1.Db7xc7+ Kd7-e6 2.Tb1-c1 Dd4xb2 3.Dc7-c8+ usw. dem Irrationalismus zum Opfer fiel und 1.Tb1-c1? spielte und damit seinem Kontrahenten Bogoljubow die Gelegenheit in die Hand gab, sich aus der Affäre zu ziehen, Wanderer.



SCHACH-SPHINX/04173: Philosophische Unbegründetheit (SB)

Tartakower - Bogoljubow
London 1927

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
1.h2-h3 verzerrte nur die Sicht auf die Brettwirklichkeit, die mit 1...g6-g5! 2.Lf4xg5 De7xg5 3.h3xg4 - 3.f2-f4 Dg5-h6! 4.h3xg4 Se5xg4 5.Sd2-f3 Lg7-d4+ - 3...Lc8xg4 4.f2-f3 Lg4-h3! 5.Lg2xh3 Dg5xg3+ wieder in die rechte Optik zurückgebogen wurde. Weiß gab auf, denn nach 6.Lh3- g2 gewinnt 6...Se5-g4! 7.f3xg4 Lg7-d4+


Erstveröffentlichung am 05. September 2000

19. Oktober 2011