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SCHACH-SPHINX/02606: Tyrann ohne Treue (SB)


Der Mensch sei ein durch und durch materialistisches Geschöpf, sagt man, wo immer er kann, raubt er sich Vorteile zusammen, schändet seine Umwelt, bricht Verträge, Abmachungen und Schwüre. Das, was den Menschen treibt in seinem Unwesen, scheint bei näherem Hinsehen freilich einer anderen Quelle zu entspringen. Materialist zu sein, bedeutet doch zunächst einmal, unwiderlegbaren Tatsachen oder Realitäten zu folgen. Bei der Raubgier des Menschen treten allerdings ganz andere Hintergrundmotive in Erscheinung. So kann der Verrat einer Sache kurzfristig der Aufwertung der eigenen Position dienen. Hingegen unterwirft er sich damit Kräften und Abhängigkeiten, die ihn in steigendem Maße zum Spielball von Willkür und Fremdbestimmung machen. Er nimmt also nicht die sogenannte Materie zur Grundlage seines Denkens und Handelns, sondern opfert all das, was ihn in seiner Identität gestärkt und getragen hatte, der Aussicht rein egoistischer Ziele und Zweckgebundenheit. Die Begierde wird also sein neuer Herr, ein Tyrann ohne Treue, der nur das Joch kennt und nichts anderes. Mit einer grundsoliden materialistischen Weltsicht hat das freilich wenig zu tun. Es fällt eher in den Bereich religiöser Hoffnungen, Perspektiven und Scheinrealität. Computer sind die besten Beispiele dafür, wie sich die menschliche Gesellschaft Knechte für ihre Wertegemeinschaft heranzüchtet. Der Hunger nach Besitz ließ das Schachprogramm Fritz 5 im heutigen Rätsel der Sphinx seine Hand nach dem gegnerischen Turm mit 1.Le4xa8 strecken. Es wurde ihm sogleich zum Verhängnis, Wanderer.



SCHACH-SPHINX/02606: Tyrann ohne Treue (SB)

Fritz 5 - Golubjew
Melle 1998

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Vielleicht wird Garry Kasparow in späteren Jahrhunderten den Beinamen der 'Unnachahmliche' bekommen. Mit seiner Partie gegen Piket schuf er jedenfalls eine Basis dafür. Nach 1...Sg3-h1! gab sein Kontrahent auf, da er infolge der erzwungenen Fortsetzung 2.Kg1xh1 Da7xf2 mit einer Figur weniger auf dem Brett verblieben wäre.


Erstveröffentlichung am 14. April 1999

31. Januar 2010