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INTERNATIONAL/370: Mexiko - Mord an indigenem Aktivisten kurz vor Abstimmung über Kraftwerk (Philipp Gerber)


Mexiko: Mord an indigenem Aktivisten kurz vor Abstimmung über Kraftwerk

von Philipp Gerber, 22.02.2019


Amilcingo, Mexiko. In den Morgenstunden des 20. Februar ist der indigene Aktivist Samir Flores Soberanes vor seinem Haus in Amilcingo, Morelos, durch Schüsse eines Mordkommandos hingerichtet worden. Der 36-jährige Nahua-Indigene war eine treibende Kraft im Widerstand der Gemeinden rund um den Vulkan Popocatépetl, die sich gegen die Installation einer Gaspipeline und zwei thermoelektrischen Kraftwerken wehren. Das Großprojekt unter dem Namen "Proyecto Integral Morelos" (PIM) der mexikanischen Energiekommission (CFE) ist seit 2012 im Bau, unter Beteiligung der spanischen Firmen Abengoa, Elencor und Enagas sowie dem italienischem Unternehmen Bonatti. Die Gemeinden befürchten unkalkulierbare Umweltrisiken durch die Nähe des aktiven Vulkans und eine Verschmutzung des Flusses Cautla. Sie haben sich in der Widerstandsfront "Frente en Defensa del Agua, la Tierra y el Aire" (FDATA) organisiert, blockieren die Anschlussarbeiten an das Kraftwerk in Huexca und erreichten auch eine juristische Verfügung gegen das PIM, da die betroffene indigene Bevölkerung nicht vorab zum Projekt befragt wurde.

Der Mord an Samir Flores steht laut der Lokalbevölkerung in direktem Zusammenhang mit seinem Aktivismus. Jaime Domínguez von der Widerstandsfront FDATA und Jorge Zapata, Enkel des Revolutionsgenerals Emiliano Zapata, machten die mexikanische Regierung verantwortlich. Die Sicherheitslage verschlechterte sich für die Aktivisten, seit der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador (Amlo) am 10. Februar in der Stadt Cautla erklärt hatte, er sei für die umgehende Fertigstellung des Großprojekts. Amlo, vor seinem Amtsantritt erklärter Gegner des PIM, will die betroffene Bevölkerung am kommenden Wochenende über das Projekt abstimmen lassen, ohne aber die Regeln eines indigenen Konsultationsprozesses einzuhalten. Die Opposition beschimpfte der Präsident als "radikale Linke, die für mich nichts anderes sind als Konservative". In einem Brief an Amlo und in einer Sitzung mit Behördenvertretern am Vortag des Mordes warnten die Aktivisten, dass diese Verunglimpfungen von höchster Stelle ihre Sicherheit gefährdeten.

Die Regierung des Bundesstaates Morelos unter dem Gouverneur und ehemaligen Profifußballer Cuauthémoc Blanco von der Partei Morena, reagierte widersprüchlich auf den Mord. Staatsanwalt Uriel Carmona kriminalisierte in einer ersten Stellungnahme den Menschenrechtler mit der Aussage, die erste Spur sei eine mögliche Verbindung von Flores Soberanes mit der organisierten Kriminalität. Wenige Stunden später ruderte Carmona zurück und erklärte, es lägen keine Hinweise vor, dass der Mord in Zusammenhang mit Mafiaaktivitäten stehe. Präsident López Obrador bedauerte zwar den "schrecklichen Mord", verneinte jedoch gleichzeitig die Möglichkeit die Befragung vom Wochenende abzusagen.

Erstveröffentlicht auf amerika21:
https://amerika21.de/2019/02/222612/mexiko-mord-soberanes-amlo

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Quelle:
© 2019 by Philipp Gerber
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. März 2019

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