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INTERNATIONAL/188: Flüchtlinge - Politisches Pingpong mit Chinas Uiguren (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 24. Juli 2015

Flüchtlinge: Politisches Pingpong mit Chinas Uiguren

von Zhai Yun Tan


Bild: © Gustavo Jeronimo/CC-BY-2.0

Angehörige der chinesischen Minderheit der Uiguren berichten über ihre jahrelange Unterdrückung durch Peking
Bild: © Gustavo Jeronimo/CC-BY-2.0

WASHINGTON (IPS) - Die internationale Menschenrechtsorganisation 'Human Rights Watch' (HRW) hat in diesem Monat gleich zweimal auf die Unterdrückung der chinesischen Uiguren hingewiesen und gegen den Umgang mit den Flüchtlingen dieser Bevölkerungsgruppe protestiert.

In einer Mitteilung vom 10. Juli kritisierte HRW die Entscheidung der thailändischen Regierung in diesem Monat, 109 Uiguren nach China zurückzuschicken, wo sie politisch verfolgt würden.

Die Uiguren wehren sich seit Jahrzehnten gegen die Kontrolle der chinesischen Zentralregierung. Zahlreiche Aktivisten haben sich ins Ausland abgesetzt oder sitzen in China hinter Gittern.

Wie aus einem am 13. Juli veröffentlichten HRW-Bericht hervorgeht, verbietet die chinesische Regierung der muslimischen Minderheit, zum Religionsstudium oder zur Pilgerfahrt das Land zu verlassen. Ein für die Minderheiten geltendes kompliziertes Verfahren macht es den Uiguren nahezu unmöglich, einen Reisepass zu bekommen. Für Han-Chinesen hingegen gilt ein deutlich unkomplizierteres System.

"Die chinesischen Behörden sollten dieses zutiefst diskriminierende System abschaffen", forderte die Leiterin der HRW-Chinasektion, Sophie Richardson, in einer Stellungnahme vom 10. Juli. Die Einschränkungen verstießen gegen das Recht der freien Religionsausübung, da die religiösen Minderheiten auf diese Weise daran gehindert würden, an Pilgerschaften außerhalb Chinas teilzunehmen.


Kritik an Abschiebungen

Auch das türkische Ministerium für auswärtige Angelegenheiten hat in einer Pressemitteilung vom 9. Juli die Abschiebung der Uiguren nach China verurteilt. Die Deportationen hätten zu Protesten vor der chinesischen Botschaft und dem thailändischen Konsulat in der Türkei geführt.

Die Autonome Uiguren-Region Xinjiang (XUAR) liegt im Westen Chinas, mehr als 3.000 Kilometer von der chinesischen Hauptstadt Peking entfernt. Die auch als Ostturkestan bekannte Region ist die Heimat ethnischer Volksgruppen mit türkischen Wurzeln, die darüber hinaus türkische Dialekte sprechen.


Bild: © futureatlas.com/CC-BY-2.0

Die autonome Uiguren-Region Xinjiang (XUAR) befindet sich im Westen Chinas
Bild: © futureatlas.com/CC-BY-2.0

Nach Angaben von Alim A. Seytoff, Vorsitzender der Uigurisch-Amerikanischen Vereinigung mit Sitz in Washington, leben mehr als 15 Millionen Uiguren in XUAR. Sie sind traditionelle Muslime. Die erzwungene Rückkehr von nach Thailand geflohenen Uiguren komme einem Anschlag auf ihre Sicherheit gleich.

"Es ist wichtig, dass die internationale Gemeinschaft eine entschlossene Haltung einnimmt, damit die Rechte der uigurischen Flüchtlinge respektiert werden", sagte Seytoff. Regierungen und multilaterale Organisationen dürften nicht länger tatenlos zusehen, wie China internationale Menschenrechtsnormen missachte.


Bild: © Malcolm Brown/CC-BY-SA-2.0

Demonstranten vor dem Weißen Haus in Washington mit der uigurischen Flagge fordern Rechte für die chinesische Minderheit
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Berichten zufolge wurde den Uiguren in diesem Jahr untersagt, im heiligen Monat Ramadan zu fasten. Wie der Welt-Uiguren-Kongress in München berichtete, hatten die chinesischen Behörden Studenten, Staatsbediensteten und Parteimitgliedern untersagt, sich an den religiösen Festivitäten zu beteiligen und die Moscheen zu besuchen.

Im Januar erteilte das Parlament von Xinjiang ein Burka-Verbot. "Nichts Neues", meinte Greg Fay, Projektmanager der Uigurischen Menschenrechtsvereinigung mit Sitz in Washington. "Seit zwei Jahren werden die Restriktionen immer weiter verschärft."

Die Beziehungen zwischen den Uiguren und Peking sind seit der Gründung der Volksrepublik China im Jahr 1949 gespannt. Eine Vielzahl gewalttätiger Übergriffe veranlasste die Regierung im letzten Jahr zu einer einjährigen Anti-Terrorismus-Operation. Seit Beginn des chinesischen Kampfes gegen "Separatismus, religiösen Extremismus und Terrorismus" im letzten Jahr haben sich die Festnahmen auf 27.164 verdoppelt.

Im März 2014 kam es im Zusammenhang mit einer Messerattacke in Kunming, 2.677 Kilometer von Peking entfernt, zum Tod von 30 Menschen. Zwei Monate später wurde in Urumqi, der Hauptstadt von Xinjiang, ein Sprengsatz gezündet, dem 31 Menschen zum Opfer fielen. Im Juli erfolgten in der autonomen Region Anschläge auf Polizeistationen, Regierungsbüros und Fahrzeuge, die mindestens 50 Menschen den Tod brachten. Im Jahr 2009 starben in Urumqi fast 140 Menschen infolge von Unruhen. Daraufhin sperrte die Regierung vier Monate lang das Internet für die Provinz.


"Islam gleich Extremismus"

"Mein Eindruck ist, dass die Regierung jeder Form von Extremismus den Kampf angesagt hat", meinte Sean Robert, außerordentlicher Professor an der George-Washington-Universität. "Mein Eindruck ist ferner, dass viele Beamten auf lokaler Ebene den Islam mit Extremismus gleichsetzen."

Wie Seytoff in einem im Juni 2014 in 'Al Jazeera' veröffentlichten Meinungsbeitrag erklärte, sind die Han-Chinesen ungeachtet der Tatsache, dass Xinjiang eine autonome Region ist, dort politisch und wirtschaftlich sehr einflussreich. "China hat gnadenlos jeden Widerstand unterdrückt und Millionen loyale chinesische Siedler nach Ostturkestan gebracht, um ihnen dort Jobs, Wohnraum, Bankkonten und wirtschaftliche Möglichkeiten anzubieten, die den Uiguren verwehrt werden", fügte er hinzu.

Die Uiguren hatten 1949 noch einen Anteil an der Bevölkerung Ostturkestans von 90 Prozent gehabt. Nach der Massenansiedlung der Han-Chinesen stellen sie nur noch 45 Prozent.

Viele Uiguren versuchen ihrer Verfolgung durch Flucht in die Türkei oder die asiatischen Nachbarländer zu entkommen. Die Türkei hat seit 1949 über 1.000 Uiguren aufgenommen, Kambodscha und Thailand haben eine Vielzahl der Uiguren abgeschoben. (Ende/IPS/kb/24.07.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/07/governments-playing-political-ping-pong-with-chinas-uyghurs/

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IPS-Tagesdienst vom 24. Juli 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Juli 2015

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