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INTERNATIONAL/030: Sudan - Bomben auf Heimatlose, Militär nimmt keine Rücksicht auf Zivilbevölkerung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 24. Oktober 2011

Sudan: Bomben auf Heimatlose - Militär nimmt keine Rücksicht auf Zivilbevölkerung

von Jared Ferrie


Kurmuk, Sudan, 24. Oktober (IPS) - Die klapprige, im Gewittersturm schwankende Notunterkunft aus Stangen und Planen bietet Hawa Jundi und ihrer aus dem Dorf Sally im Südosten des Sudans geflohenen Familie kaum den erhofften Schutz. Wie Zehntausende ihrer Landsleute im Bundesstaat Blue Nile fürchtet sie die Bomben, die die sudanesische Luftwaffe über den Rückzugsgebieten der Rebellen der SPLM-N ohne Rücksicht auf die einheimische Zivilbevölkerung abwirft.

Doch sicher vor den Antonow-Bombern aus russischen Beständen ist Jundi auch in ihrer neuen Bleibe im Busch in der Nähe von Kurmuk nicht. Ein Bombensplitter verfehlte sie nur knapp, als sie mit einigen Nachbarn in der Umgebung nach ein paar Goldkörnchen grub, um Geld für Nahrungsmittel aufzutreiben.

Der Konfliktregion um Kurmuk, die als Hochburg der Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung-Nord (SPLM-N) gilt, gehen die Lebensmittelvorräte aus. Nur einmal täglich gebe es für sie und ihre Familie etwas zu essen, berichtete Jundi. Die Mahlzeiten bestehen aus gesammelten Wildpflanzen und Hirseresten aus Hütten, deren Bewohner geflohen sind.


Vorwürfe von allen Seiten

Die Aufständischen beschuldigen die sudanesische Regierung, einen Luftkrieg gegen die Zivilbevölkerung zu führen. "Ihre Strategie besteht darin, die Angehörigen der Rebellen ins Visier zu nehmen, um den Willen der Kämpfer zu brechen", sagte SPLM-N-Führer Malik Agar, mit dem IPS in einem Lager in der Nähe der Rebellenhochburg Kurmuk sprach. Nach seinen Schätzungen sind seit Beginn der Kämpfe in Blue Nile bis zu 600.000 Menschen aus ihren Heimatdörfern geflohen.

Verifizierbare Zahlen gibt es nicht, denn Menschenrechtsgruppen können diese Gebiete nicht mehr erreichen, und die Regierung verweigert jede Auskunft. Sie behauptet zudem, die Bombenangriffe richteten sich ausschließlich auf militärische Ziele und nicht auf Zivilisten.

Zuvor schon hatten Menschenrechtsgruppen Khartum vorgeworfen, die Zivilbevölkerung in Darfur und in dem an Blue Nile angrenzenden Bundesstaat Süd-Kordofan zu bombardieren. Auch dort kämpfen Rebellen gegen die Armee.

In Dörfern wie Mayes, die in der Kampfzone liegen, können verletzte zivile Opfer nicht medizinisch versorgt werden. Drei Stunden fährt man über eine staubige Schotterpiste zum einzigen Hospital in der von Rebellen kontrollierten Region um Kurmuk. Evan Atar, der einzige hier arbeitende Arzt, versicherte, man behandle alle Patienten, reguläre Soldaten, Rebellen und Zivilisten. Allerdings seien die Vorräte an Medikamenten und Material bald erschöpft.


Weltgemeinschaft soll handeln

Der Mediziner appellierte an die internationale Gemeinschaft, die Regierung unter Druck zu setzen, damit sie die Bombardierung einstellt. Zudem müsse ein Korridor für humanitäre Aktionen eingerichtet werden, damit Hilfsorganisationen zurückkehren und die Flüchtlinge mit Medikamenten und Nahrungsmitteln versorgen könnten.

Inzwischen suchen immer mehr Menschen aus Blue Nile in den Nachbarländern Schutz. Nach UN-Angaben leben bereit 30.000 Flüchtlinge in Lagern jenseits der äthiopischen Grenze.

Die Konfliktforscher der 'International Crisis Group' (ICG) in Brüssel warnen, dass eine Ausweitung der Kämpfe zwischen der SPLM-N und der sudanesischen Regierung das gesamte Land in einen Bürgerkrieg hineinziehen könnte. Ende September erklärte die ICG, den Hardlinern in der sudanesischen Regierung gehe es darum, die Rebellen militärisch zu bekämpfen anstatt mit ihnen zu verhandeln.

"Wenn sich im Sudan die verschiedenen Rebellenbewegungen mit anderen oppositionellen Kräften zusammentun, könnte es zu einem landesweiten Bürgerkrieg kommen, in dem über die Kontrolle im Land gekämpft wird", hieß es in der Erklärung. (Ende/IPS/mp/2011)


Links:
http://www.crisisgroup.org
http://www.globalissues.org/news/2011/10/20/11592

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 24. Oktober 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Oktober 2011