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LATEINAMERIKA/075: Erzbischof Zollitsch fordert auf Solidarität mit Lateinamerika (DBK)


Pressemitteilungen der Deutschen Bischofskonferenz vom 26.11.2011

"Vom Glaubenszeugnis der Kirche Lateinamerikas lernen"

Erzbischof Zollitsch zum Ende des CELAM-Kongresses in Aparecida


Während seiner Brasilien-Reise hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, heute an die Solidarität zwischen der Kirche in Deutschland und der Kirche in Lateinamerika erinnert. Die bischöfliche Aktion Adveniat, die an diesem ersten Adventswochenende ihre Auftaktveranstaltung begeht, sei Ausdruck dieser Solidarität: "Die Kirche und die Menschen in Lateinamerika gehen uns sehr viel an, im Kontext der Globalisierung mehr denn je. Die weltkirchliche Verbundenheit ist keine Einbahnstraße. So ist Adveniat als unser Lateinamerika-Hilfswerk eine Brücke zwischen den Kontinenten, über die ein lebendiger Austausch geschieht." Erzbischof Zollitsch sprach zum Abschluss des Kongresses des Lateinamerikanischen Bischofsrates CELAM. Dieser hatte anlässlich des 50-jährigen Bestehens von Adveniat zu einer Debatte über das Abschlussdokument der CELAM-Generalversammlung aus dem Jahre 2007 eingeladen. In Lateinamerika und Deutschland gäbe es kirchliche und gesellschaftliche Transformationsprozesse, die zu neuen Herausforderungen in der Pastoral führten: "In Lateinamerika stellen wir allgemein einen Aufbruch der Kirche fest, sich stärker vor Ort zu verankern. Dabei helfen kleinere Organisationsformen der Kirche, näher bei den Menschen zu sein. In Deutschland versuchen wir, über die Ortsgemeinde hinaus in größeren Räumen zu denken und dabei die Gemeinde vor Ort durch weitere Entwicklung des Ehrenamtes zu stärken", so Zollitsch.

In Deutschland könne die Kirche viel vom Glaubenszeugnis der Kirche Lateinamerikas lernen, erklärte Zollitsch weiter. Dazu zählten auch jene Persönlichkeiten, die für ihren Glauben gestorben seien. "Wir können auch von der Vitalität im Glaubensleben lernen, die die Kirche in Lateinamerika so dynamisch macht; wir können lernen von der frohen Glaubensfeier und dem Reichtum in der Volksreligiosität." Erzbischof Zollitsch forderte eine lebendige Umsetzung der Vater-unser-Bitte, die dem Namen Adveniat zugrunde liegt: "Dein Reich komme". Für die Menschen auf der ganzen Welt bedeute das Kommen des Reiches "Gottes Freiheit und Liebe statt Unfreiheit und Hass, Wahrheit und Freude statt Lüge und Trauer, Frieden und Gerechtigkeit statt Gewalt und Ungerechtigkeit. Viele Menschen in Lateinamerika erleben diesen Unfrieden Tag für Tag am eigenen Leib. Uns allen geht es um ein Leben in Würde und Gerechtigkeit, um eine andere, zutiefst menschliche Welt."

Gestern hatte Erzbischof Zollitsch eine Facienda für Frauen und Männer besucht, die von den Sießener Franziskanerinnen geleitet wird. Ehemals Drogenabhängige, Prostituierte und HIV-Infizierte werden hier durch den Einsatz der Ordensschwestern in die Gesellschaft reintegriert. "An solchen Orten ist etwas vom Wirken Gottes zu spüren und von einer konkreten Umsetzung der Option für die Armen. Solidarität ist hier keine Theorie, sondern lebendige Praxis. Durch ein Glaubenszeugnis wird Menschen in ihrer schwersten Not selbstlos geholfen. Das erlebe ich als vollendete Nächstenliebe", so Zollitsch.

Am morgigen Sonntag wird Erzbischof Zollitsch zusammen mit Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck (Essen) und Weihbischof Manfred Melzer (Köln) sowie dem Erzbischof von São Paulo, Kardinal Odilo Scherer, den Eröffnungsgottesdienst für die diesjährige Adveniat-Aktion in einer Favela von S&atile;o Paulo feiern. Der Gottesdienst wird vom ZDF live ab 10.00 Uhr übertragen. Am Nachmittag steht der Besuch eines Obdachlosenprojektes in São Paulo auf dem Programm. Am Montag wird Erzbischof Zollitsch von Brasilien nach Peru reisen. Die ersten Stationen sind dort Lima und Trujillo.


Hinweis:
Die Thesen von Erzbischof Dr. Robert Zollitsch zum Abschluss des Kongresses in Aparecida finden Sie dieser Pressemitteilung angehängt sowie unter www.dbk.de. Aktuelle Eindrücke der Reise schreibt Erzbischof Zollitsch in seinem Internetblog unter www.blog.dbk.de. Dort finden Sie auch seine aktuellen Statements und Reden während der Reise.


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Thesen des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz,
Erzbischof Dr. Robert Zollitsch,
zum Abschluss des Kongresses
"Die missionarische Kirche in Lateinamerika heute: Dein Reich komme."
am 26. November 2011 in Aparecida


1. Wir erleben in Lateinamerika wie in Deutschland kirchliche und gesellschaftliche Transformationsprozesse, die uns vor neue Herausforderungen in der Pastoral stellen. Gemeinsam suchen wir Wege, um diesen Herausforderungen zu begegnen. In Lateinamerika stellen wir allgemein einen Aufbruch der Kirche fest, sich stärker vor Ort zu verankern. Dabei helfen kleinere Organisationsformen der Kirche, näher bei den Menschen zu sein. In Deutschland versuchen wir, über die Ortsgemeinde hinaus in größeren Räumen zu denken und dabei die Gemeinde vor Ort durch weitere Entwicklung des Ehrenamtes zu stärken.

2. Die Bischöfe Lateinamerikas und der Karibik haben als eine Antwort auf die pastoralen Herausforderungen auf ihrem Kontinent bei der letzten CELAM-Generalversammlung 2007 in Aparecida eine "kontinentale Mission" beschlossen. Diese soll auch eine stärkere Hinwendung zu den Menschen bewirken, insbesondere zu den Benachteiligten und Ausgeschlossenen der Gesellschaft. "Mission" bedeutet im Abschlussdokument von Aparecida, die Weg- und Glaubensgemeinschaft der Christen zu fördern. Einmal sollen aus dem Evangelium konkrete Konsequenzen für das Alltagsleben gezogen werden. Zudem und ganz eng damit verbunden werden die Katholiken in Lateinamerika eingeladen, deutlicher von ihrem Glauben an Jesus Christus Zeugnis zu geben. Dies ist eine unverzichtbare missionarische Aufgabe, die die Generalversammlung in Aparecida neu ins Bewusstsein gehoben hat. In der Glaubenspraxis und im christlichen Zeugnis sind wir Katholiken in Deutschland mit der Kirche in Lateinamerika verbunden.

3. In Deutschland können wir viel vom Glaubenszeugnis der Kirche in Lateinamerika lernen, von Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und Laien, die ihren Glauben konsequent bezeugen - einige bis zum Tod. Ich erinnere nur an Bischof Oscar Romero und die Ordensschwester Dorothy Stang. Wir können auch von der Vitalität im Glaubensleben lernen, die die Kirche in Lateinamerika so dynamisch macht; wir können lernen von der frohen Glaubensfeier und dem Reichtum in der Volksreligiosität.

4. All dies wird in Lateinamerika von einem starken Miteinander der verschiedenen Dienste innerhalb der Kirche gestützt. Laien sind in die Taufvorbereitung eingebunden und leisten als Leiter von Basisgemeinden, als Katecheten und "Delegados de la Palabra", also als Leiter von Wort-Gottes-Feiern, unschätzbare Dienste. Um das Miteinander der Dienste geht es auch im laufenden Gesprächsprozess der katholischen Kirche in Deutschland. Dort haben wir erst vor zwei Wochen im Dialog zwischen Bischöfen und Laien gefragt, wie auf der Grundlage des gemeinsamen Priestertums aller Getauften die ursprüngliche Vielfalt der Dienste neu entfaltet werden kann. Dies kann umso mehr gelingen, je bewusster die heutigen pastoralen Notwendigkeiten im kirchlichen Leben wahr- und ernst genommen werden. Der von den deutschen Bischöfen initiierte Gesprächsprozess, in dem die Frage nach den verschiedenen Diensten nur ein Thema ist, baut auf der Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils.

5. Erneut ist bei diesem Kongress die in Lateinamerika praktizierte ganzheitliche Pastoral in den Vordergrund getreten. Auf diese ist Papst Benedikt XVI. auch in seinem Grußwort zum 50-jährigen Bestehen von Adveniat anerkennend eingegangen. Er sagte wörtlich: "Die Bischöfliche Aktion Adveniat möge sich so stets dem Menschen ganzheitlich, in seinen natürlichen und übernatürlichen Bedürfnissen, zuwenden. Dann wächst wirklich Gottes Reich unter uns."

6. Adveniat ist ein Ausdruck der Solidarität der Kirche in Deutschland mit der Kirche in Lateinamerika. Diese Solidarität zeigt unsere Verbundenheit mit der Weltkirche und macht deutlich: Die Kirche und die Menschen in Lateinamerika gehen uns sehr viel an, im Kontext der Globalisierung mehr denn je. In den Tagen dieses Kongresses haben wir auch festgestellt, dass diese weltkirchliche Verbundenheit keine Einbahnstraße ist. So ist Adveniat als unser Lateinamerika-Hilfswerk eine Brücke zwischen den Kontinenten, über die ein lebendiger Austausch geschieht. Erneut konnten wir in vielen Gesprächen feststellen, welch hohe Wertschätzung die Arbeit von Adveniat erfährt. Dafür möchte ich herzlich danken. Der Name "Adveniat" leitet sich ab aus der Vaterunser-Bitte "adveniat regnum tuum" - "Dein Reich komme". Für die Menschen auf der ganzen Welt bedeutet das Kommen des Reiches Gottes Freiheit und Liebe statt Unfreiheit und Hass, Wahrheit und Freude statt Lüge und Trauer, Frieden und Gerechtigkeit statt Gewalt und Ungerechtigkeit. Viele Menschen in Lateinamerika erleben diesen Unfrieden Tag für Tag am eigenen Leib. Uns allen geht es um ein Leben in Würde und Gerechtigkeit, um eine andere, zutiefst menschliche Welt, um "einen neuen Himmel und eine neue Erde" (Jes 65,17). In der Nachfolge Christi sind wir verpflichtet, für Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden, für ein Leben in Würde und Solidarität für alle Menschen einzustehen. So ist es eine bleibende Aufgabe für uns als Kirche in Deutschland wie in Lateinamerika und der Karibik, das Thema der fünften CELAM-Generalversammlung in Aparecida neu mit Leben zu füllen: "Jünger und Missionare Jesu Christi - damit unsere Völker in Ihm das Leben haben.


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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 183 vom 26. November 2011
Herausgeber: P. Dr. Hans Langendörfer SJ,
Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz
Deutsche Bischofskonferenz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. November 2011