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KIRCHE/551: EKD-Synode 2007 - Huber berichtet vor der Synode (EKD)


Evangelische Kirche in Deutschland - Pressemitteilung vom 04.11.2007

Unverzagt die Stimme erheben

Wolfgang Huber berichtet vor der Synode


Es gilt das gesprochene Wort!

Das Verhältnis zu den Muslimen, die Debatte um die Gottesfrage, die der britische Evolutionsbiologe Richard Dawkins angestoßen hat, ebenso wie die Fragen des Kreationismus und die Herausforderung der Kinderarmut in Deutschland bildeten Schwerpunkte des Ratsberichtes vor der 6. Tagung der 10. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Der Vorsitzende des Rates der EKD, Bischof Wolfgang Huber, hat seinen mündlichen Bericht vor der Synode mit einem Zitat aus einem Paul-Gerhardt-Gedicht überschrieben: "Unverzagt und ohne Grauen". So solle die Haltung evangelischer Christen angesichts gesellschaftlicher Herausforderungen sein, betonte Huber am Sonntag, 4. November, im Internationalen Congress Center Dresden.

"Religiöse Pluralität ist der Ernstfall der Religionsfreiheit", so der Ratsvorsitzende im Blick auf den Dialog mit dem Islam in Deutschland. Die evangelische Kirche bejahe die freie Religionsausübung von Muslimen, dies sei in letzter Zeit besonders an der Frage des Moscheebaus zu verdeutlichen gewesen. Allerdings "schließt das Ja zum Bau von Moscheen die kritische Auseinandersetzung über den Ort und die Größe, die Gestaltung oder die Anzahl nicht aus." Huber warnte davor, kritische Äußerungen in diesem Zusammenhang mit islamophoben oder sogar rechtsextremen Einstellungen in Verbindung zu bringen. Er kündigte eine intensive Auseinandersetzung mit dem Offenen Brief an, der Mitte Oktober von 138 Islamgelehrten an Vertreter der Weltchristenheit gerichtet wurde.

Vorschlägen, das Verhältnis zum Islam in Entsprechung zum jüdisch-christlichen Verhältnis zu betrachten, erteilte der Ratsvorsitzende eine Absage. Das jüdisch-christliche Verhältnis werde von der EKD theologisch als einzigartig betrachtet. "Diese Einsichten einer christlichen Theologie nach Auschwitz dürfen auch angesichts neuer Herausforderungen im Gespräch mit dem Islam nach meiner festen Überzeugung nicht zur Disposition gestellt werden. Das gewonnene Verhältnis zwischen Christen und Juden muss vielmehr in seiner Einzigartigkeit bewahrt und weiterentwickelt werden."

Im Zusammenhang mit den Diskussionen um den Kreationismus, der "die biblischen Schöpfungsberichte zu einer quasiwissenschaftlichen Welterklärungstheorie" umdeute, warnte Wolfgang Huber vor der Trennung von Glaube und Vernunft. Wenn "ein zur Weltanschauung missdeuteter Glaube an die Stelle der wissenschaftlichen Vernunft" trete, werde das Bündnis von Glaube und Vernunft aufgekündigt. Aus Gründen des Glaubens sei solchen Bestrebungen gegenüber "klarer Widerspruch notwendig".

Die Theorien der "neuen Atheisten" wie Richard Dawkins oder Christopher Hitchens seien ein ähnlicher "ideologischer Missbrauch". Der grundlegende Fehler in dieser Debatte liege darin, dass der Schöpfungsgedanke nicht als Thema des Glaubens, sondern des Wissens angesehen werde. Dagegen stellte der Ratsvorsitzende fest: "Der Glaube richtet sich auf die Wirklichkeit im Ganzen; er hat es mit dem Grund der Welt wie meines persönlichen Lebens zu tun. Ihm verdanke ich die Weltgewissheit wie die Daseinsgewissheit, die meinem Leben Sinn verleihen." Unter Wissen sei dagegen das Erfahrungswissen zu verstehen, das durch Beobachtung und Experiment erworben werde. "Dieses Erfahrungswissen ist an die Bedingungen von Raum und Zeit gebunden; der Glaube dagegen richtet sich auf die Wirklichkeit Gottes, die Raum und Zeit umgreift und übersteigt." Glaube bleibe zwar auf das Wissen bezogen und angewiesen. "Aber er ist nicht mit ihm identisch - das ist der entscheidende Punkt." Glaube und Wissen seien bewusst voneinander zu unterscheiden, treten aber damit nicht beziehungslos auseinander, werden also nicht voneinander getrennt: "Gott ist kein naturwissenschaftliches Postulat." Im Schulunterricht sei es am günstigsten, wenn das Verhältnis von Schöpfungsglaube und Evolutionstheorie in "interdisziplinären Unterrichtsprojekten" behandelt werden könnte.

Im Verhältnis zur römisch-katholischen Kirche gebe es einerseits Grund zur Dankbarkeit für das in Deutschland bereits Erreichte; dies gelte es zu bewahren und weiterzuentwickeln. Aber dem ökumenischen Klima sei durch das im Sommer veröffentlichte Papier des Vatikan zu Fragen des Kirchenverständnisses "kein guter Dienst erwiesen" worden. Wolfgang Huber äußerte Respekt für die Deutungsversuche von Kardinal Walter Kaspar, auch Kardinal Lehmann habe seinerseits deutlich gemacht, warum man über den durch dieses Dokument geprägten Zustand hinauskommen müsse. "Gleichwohl rufen die vatikanischen Äußerungen Fragen im Blick auf die leitende ökumenische Zielsetzung wach." Der Ratsvorsitzende bekräftigte seinen Vorschlag eines ökumenischen Weges, der sich in drei Perspektiven bündeln lasse: eine Ökumene der gemeinsamen Spiritualität, eine Ökumene des wechselseitigen Respekts sowie eine Ökumene des gemeinsamen Handelns.

Huber wies darauf hin, dass sich die Zahl armer Kinder in Deutschland seit Einführung des Arbeitslosengeldes II verdoppelt habe. "Die jüngste Statistik des Deutschen Kinderschutzbundes belegt ein Drama in unserem Land." Der Ratsvorsitzende sprach sich für ein "verlässliches Instrument zur Darstellung der Kinderarmut" aus. Nötig seien entschiedene Schritte, um die strukturellen Gründe dieser Armut zu überwinden.

Dresden, 3. November 2007
Pressestelle der EKD
Silke Römhild


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Quelle:
Pressemitteilung 231/2007 vom 04.11.2007
Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), Pressestelle
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. November 2007