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KIRCHE/494: Bischofskonferenzen aus G8-Ländern fordern konkrete Maßnahmen (DBK)


Pressemitteilungen der Deutschen Bischofskonferenz vom 03.06.2007

Bischofskonferenzen aus den G8-Ländern fordern konkrete Maßnahmen vom Gipfel in Heiligendamm

Gemeinsamer Brief an die Staats- und Regierungschefs der G8


Die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen von Deutschland, England und Wales, Frankreich, Japan, Kanada, der Russischen Föderation sowie der Vereinigten Staaten fordern die Regierungschefs der G8-Staaten auf, in Heiligendamm konkrete Maßnahmen im Blick auf Armutsbekämpfung, medizinische Versorgung, den Klimawandel, Frieden und Sicherheit sowie Bildung zu beschließen, die dem Wohl der ganzen Welt dienen. In einem gemeinsamen Brief an die Teilnehmer des G8-Gipfels rufen die Bischöfe zu einem beherzten und entschiedenen Handeln auf, das der moralischen Verpflichtung der wohlhabenden Nationen entspricht, menschliches Leben und die Menschenwürde zu fördern sowie die Schöpfung Gottes zu bewahren.

Ausdrücklich begrüßen die Bischöfe, dass Afrika erneut im Mittelpunkt des Gipfels steht. Initiativen zur Förderung einer guten Regierungsführung im Rahmen der Neuen Partnerschaft für Afrikas Entwicklung (NEPAD) verdienten besondere Unterstützung. Zudem seien finanzielle Hilfen und die Entwicklung geeigneter Strategien zur Stärkung der Gesundheitssysteme ein Gebot der Stunde. Im Rahmen einer angemessenen Bekämpfung von HIV/AIDS sollten die Entwicklungshilfeprogramme im Bereich der Schulbildung, insbesondere für Frauen und Mädchen, erweitert werden. Mit Sorge sehen die Bischöfe, dass die Höhe der Entwicklungshilfe aus den Industrieländern stagniert. "Der Weg Afrikas von der Hoffnungslosigkeit zur Hoffnung führt auch zu mehr Sicherheit für alle Nationen", so die Vorsitzenden.

Die Kosten des globalen Klimawandels dürften nicht den Armen auferlegt werden, die von den negativen Folgen, wie etwa steigenden Energiekosten, der Verlagerung von Arbeitsplätzen und gesundheitlichen Problemen am unmittelbarsten betroffen seien. Vielmehr müssten jene Länder die Hauptverantwortung tragen, die von den schädlichen Emissionen am meisten profitiert haben.

Besondere Aufmerksamkeit schenken die Bischöfe der "ausufernden menschlichen Tragödie in Darfur". Das Versäumnis der internationalen Staatengemeinschaft, hier wirksame Maßnahmen zu ergreifen, werde aus moralischer Sicht immer untragbarer. Die G8-Staaten seien aufgefordert, sich für die vollständige Umsetzung des UN-Mandats zur Stärkung der Friedenstruppen in Darfur einzusetzen. Für eine langfristige Stabilisierung in jenen Ländern, die von Konflikten gezeichnet sind, sei eine bessere Koordination der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Belange erforderlich.

Die Bischöfe unterstützen darüber hinaus die Forderung von Papst Benedikt XVI., den legalen und illegalen Waffenhandel, den illegalen Handel mit wertvollen Rohstoffen, die Kapitalflucht aus armen Ländern sowie Praktiken von Geldwäsche und Korruption wirksam zu bekämpfen.


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Der Brief im Wortlaut:

An die Staats- und Regierungschefs der G8

Frau Bundeskanzlerin
Angela Merkel
Bundesrepublik Deutschland

Herrn Präsident
Nicolas Sarkozy
Französische Republik

Herrn Ministerpräsident
Romano Prodi
Italienische Republik

Herrn Premierminister
Shinzo Abe
Japan

Herrn Premierminister
Stephen Harper
Kanada

Herrn Präsident
Wladimir V. Putin
Russische Föderation

Herrn Premierminister
Tony Blair
Vereinigtes Königsreich Großbritannien und Nordirland

Herrn Präsident
George W. Bush
Vereinigte Staaten von Amerika

2. Juni 2007

Exzellenzen!

Verehrte Teilnehmer am Gipfel der G8-Staaten in Deutschland!

In diesen Tagen, die Ihrer Vorbereitung auf die Teilnahme am G8-Gipfel in Deutschland dienen, wenden wir uns im Namen der Bischofskonferenzen unserer Länder an Sie, um Sie zu einem beherzten Handeln bei den großen Fragen der weltweiten Armut, der medizinischen Versorgung, des Klimawandels sowie von Frieden und Sicherheit aufzurufen. Ebenso halten wir es für dringlich geboten, einen verbesserten Zugang zu solider Schulbildung für alle herzustellen. Unser Engagement für diese Anliegen beruht auf unserer religiösen und moralischen Verpflichtung, das menschliche Leben und die Menschenwürde zu fördern und die Schöpfung Gottes zu bewahren. Wir teilen diese Anliegen mit unserem Heiligen Vater Papst Benedikt XVI., der in seinem Brief vom 16. Dezember 2006 an die derzeitige Präsidentin des G8-Gipfels, Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, die wohlhabenderen Nationen an ihre moralischen Verpflichtungen erinnert hat.

Unsere Bischofskonferenzen sind mit der Katholischen Kirche in Afrika und den Menschen dieses riesigen Kontinents eng verbunden. Vor dem Hintergrund unserer Erfahrungen begrüßen wir es, dass Afrika erneut im Mittelpunkt des Gipfels steht. Initiativen zur Förderung einer guten Regierungsführung im Rahmen der Neuen Partnerschaft für Afrikas Entwicklung (NEPAD) verdienen in besonderer Weise die Unterstützung der einflussreichen Länder.

Ihre 2005 im schottischen Gleneagles gemachten Zusagen finden unsere Wertschätzung und Unterstützung. Damals versprachen die reichsten Länder der Welt, bis zum Jahr 2010 weitere 50 Milliarden Dollar jährlich an Entwicklungshilfe zu leisten, die Hälfte davon für Afrika. Doch sind wir darüber besorgt, dass nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) die Höhe der Entwicklungshilfe aus den Industrieländern trotz dieser Zusage im Jahr 2006 stagnierte. Aufgrund der moralischen Verantwortung, die wir alle für das Wohl eines jeden Menschen tragen, bitten wir Sie deshalb um entschiedenes Handeln. Wir sind überzeugt: Der Weg Afrikas von der Hoffnungslosigkeit zur Hoffnung führt auch zu mehr Sicherheit für alle Nationen.

Ermutigend ist die jüngste Zusage der G8-Entwicklungsminister, "dem Ziel eines allgemeinen Zugangs zu HIV-Prävention und zur Behandlung und Pflege von AIDS-Kranken bis 2010 so nahe wie möglich zu kommen". HIV/AIDS kann Menschen aus allen Bevölkerungsgruppen treffen. Weil aber Frauen in den Entwicklungsländern wirtschaftlich, rechtlich, kulturell und gesellschaftlich stark benachteiligt sind, haben sie unter den Auswirkungen von HIV/AIDS besonders schwer zu leiden. Oftmals werden junge Mädchen von der Schule genommen, damit sie ihre erkrankten Angehörigen pflegen. Die Folgen der fehlenden Schulbildung haben diese Mädchen dann ein Leben lang zu tragen. Im Rahmen einer angemessenen Bekämpfung von HIV/AIDS sollten die Entwicklungshilfeprogramme deshalb vor allem im Bereich der Schulbildung, insbesondere für Frauen und Mädchen, erweitert werden.

Darüber hinaus leidet die Wirksamkeit der Programme, die ein breites Spektrum an Gesundheitsproblemen im Zusammenhang mit HIV/AIDS und anderen lebensbedrohlichen Krankheiten abdecken, an der mangelhaften Ausstattung der medizinischen Infrastruktur. Hier sind finanzielle Hilfe und die Entwicklung geeigneter Strategien zur Stärkung der Gesundheitssysteme ein Gebot der Stunde.

Der globale Klimawandel wird ein weiteres Thema des G8-Gipfels sein. Uns Gläubigen, die wir uns dem Schutz der Schöpfung Gottes verpflichtet wissen, ist dies ein besonderes Anliegen. Unsere vorrangige Sorge gilt dabei den Armen. Weil vor allem ihre Lebensräume betroffen sind und ihr Zugang zu Ressourcen begrenzt ist, werden die Armen die negativen Folgen des Klimawandels und die Last etwaiger Gegenmaßnahmen am unmittelbarsten zu spüren bekommen - wie etwa steigende Energiekosten, die Verlagerung von Arbeitsplätzen und gesundheitliche Probleme. Dies gilt für unsere eigenen Länder ebenso wie für Afrika und andere Regionen. Ungeachtet der vielen technischen Zusammenhänge, die in Fragen des globalen Klimawandels zu berücksichtigen sind, erkennen wir doch unsere moralische Verantwortung für die Schöpfung. Unser Handeln und unsere Entscheidungen, besonders im Hinblick auf die Nutzung der Energieressourcen, haben für die heutige und für zukünftige Generationen tief greifende Auswirkungen. Die Kosten für die Vermeidung und Milderung der schädlichen Folgen des Klimawandels sollten vor allem von den Wohlhabenden und von jenen Ländern getragen werden, die von den schädlichen Emissionen und der dadurch angeheizten Entwicklung am meisten profitiert haben. Sie sollten nicht den Armen auferlegt werden.

Der ausufernden menschlichen Tragödie in Darfur müssen die G8-Staaten dringend Aufmerksamkeit schenken. Mit jedem Tag, an dem noch mehr Menschen getötet oder heimatlos werden, wird das Versäumnis der internationalen Staatengemeinschaft, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, aus moralischer Sicht immer untragbarer. Die G8-Staaten müssen sich stärker für die vollständige Umsetzung des Mandats der Vereinten Nationen zur Stärkung der Friedenstruppen in Darfur einsetzen. Sie müssen darauf bestehen, dass die Regierung in Khartum dem Einsatz einer größeren Friedenstruppe zustimmt, und alle Konfliktparteien im Sudan zur Einhaltung der Waffenruhe sowie zur Beachtung internationaler Menschenrechtsstandards drängen. Diese Schritte sind zwingend geboten, damit dem schrecklichen Sterben ein Ende bereitet wird, die Menschen von Darfur in ihre Heimat zurückkehren und mit Zuversicht ein angstfreies Leben führen können.

Wir ermutigen die G8-Staaten, die Maßnahmen zur Friedenssicherung im Sudan und in anderen von Konflikten betroffenen Ländern zu verstärken, aber auch Maßnahmen zum Friedenserhalt und zum Wiederaufbau dort zu unterstützen, wo Konflikte bereits beigelegt wurden. Eine bessere Koordination der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Belange in Ländern, die von Konflikten gezeichnet sind oder sich in Post-Konflikt-Situationen befinden, stellt ein Erfordernis für eine langfristige Stabilisierung dar.

Wir begrüßen die Bemühungen um die Verhinderung der illegalen Ausbeutung natürlicher Ressourcen. Doch die andauernde Verkettung von Armut und der Erschließung von Ressourcen, insbesondere in Afrika, verlangt von den reichsten Nationen der Welt weiter reichende Verpflichtungen. Mit den Worten Papst Benedikts rufen wir die internationale Staatengemeinschaft auf, "sich weiter um eine bedeutende Verringerung sowohl des legalen als auch des illegalen Waffenhandels, des illegalen Handels mit wertvollen Rohstoffen und der Kapitalflucht aus armen Ländern" zu bemühen und "sich für die Beseitigung von Praktiken der Geldwäsche und der Korruption von Beamten in armen Ländern" einzusetzen.

Mit Genugtuung stellen wir fest, dass zahlreiche afrikanische Staaten an der Umsetzung von Reformen im Bereich der Grundschulbildung arbeiten. Eine verbindliche Zusage der G8-Staaten, die Bemühungen um eine solide Grundschulbildung für alle Kinder Afrikas zu intensivieren, würde dem Kontinent enorme Fortschritte bringen.

Beim G8-Gipfel werden viele Themen behandelt, die für das menschliche Leben und die Menschenwürde von höchster Bedeutung sind. Möge Ihr Treffen vom Geist der Zusammenarbeit geleitet sein und konkrete Maßnahmen erbringen, die dem Wohl der ganzen Welt dienen. Dafür beten wir.

Hochachtungsvoll und mit freundlichen Grüßen

Kardinal Karl Lehmann
Bischof von Mainz
Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz

Kardinal Jean-Pierre Ricard
Erzbischof von Bordeaux
Vorsitzender der Bischofskonferenz von Frankreich

Bischof Augustinus Jun'ichi Nomura
Bischof von Nagoya
Vorsitzender der Katholischen Bischofskonferenz von Japan

Erzbischof André Gaumond
Erzbischof von Sherbrooke
Vorsitzender der Kanadischen Konferenz der katholischen Bischöfe

Bischof Joseph Werth
Bischof der Diözese der Verklärung in Nowosibirsk
Vorsitzender der Katholischen Bischofskonferenz der Russischen Föderation

Kardinal Cormac Murphy-O'Connor
Erzbischof von Westminster
Vorsitzender der Bischofskonferenz von England and Wales

Bischof William S. Skylstad
Bischof von Spokane
Vorsitzender der Katholischen Bischofskonferenz der Vereinigten Staaten


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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 041 vom 3. Juni 2007
Herausgeber: P. Dr. Hans Langendörfer SJ,
Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juni 2007