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KIRCHE/1386: Wirtschaftsexperten und Theologen - Profitsucht mit neuem Finanzsystem eindämmen (ÖRK)


Ökumenischer Rat der Kirchen - Pressemitteilung vom 9. Oktober 2012

Wirtschaftsexperten und Theologen: Profitsucht mit neuem Finanzsystem eindämmen



Theologinnen und Theologen, Experten der Armutsbekämpfung und Wirtschaftswissenschaftler, die sich in Brasilien zur Erarbeitung von Prinzipien für die Schaffung eines neuen weltweiten Wirtschaftssystems trafen, veröffentlichten eine Erklärung, in der sie das grenzenlose Konsumverhalten und die Profitsucht als Schlüsselfaktoren benannten, die es zu bekämpfen gelte, wenn wir eine gerechtere Verteilung der Ressourcen der Welt anstreben.

Die Erklärung wurde am Freitag an der Schlussveranstaltung der "Weltweiten ökumenischen Konferenz zum Bau einer neuen Architektur des Wirtschafts- und Finanzwesens" in Guarulhos, einem Vorort São Paulos, verabschiedet. Sechzig Delegierte hatten sich vom 29. September bis 5. Oktober zu dieser Konferenz versammelt, die von der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen (WGRK) in Partnerschaft mit dem Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) und dem Rat für Weltmission (Council for World Mission, CWM) einberufen worden war.

Gesellschaftliche Integration, Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern, Bewahrung der Umwelt und konkretes Handeln zur Überwindung des Profitstrebens wurden als Kriterien für die Schaffung einer neuen Wirtschafts- und Finanzarchitektur aufgeführt.

"Regierungen und internationale Institutionen sollten bemüht sein, die vorherrschende Form der Wirtschaftswachstumsbewertung aufgrund des zunehmenden Bruttoinlandsproduktes (BIP) durch andersartige Indikatoren zu ersetzen, wie dem Wachstum an menschenwürdiger Arbeit, oder durch Qualitäts- und Quantitätsindikatoren im Gesundheits- und Bildungsbereich, aber auch durch Normen wie Umweltschutz und Nachhaltigkeit," so die Erklärung.

Die Erklärung empfiehlt eine Reihe von Maßnahmen, wie der Errichtung eines Ökumenischen Instituts für Regierungsausübung, Wirtschaftswesen und Unternehmensleitung, sowie - auf Inititiative der ökumenischen Bewegung - die Einsetzung einer Kommission mit Vertretern aus aller Welt, um die von der Expertenkommission zur Reform des Internationalen Währungs- und Finanzsystems unter Vorsitz von Joseph Stiglitz geleistete Arbeit voranzutreiben.

Die aufgelisteten Handlungsvorschlägen bekräftigen unter anderem das Verfügungsrecht über Kommunikationsmittel, um zivilgesellschaftliche Gruppe zu befähigen, Alternativen zu den heute vorherrschenden Finanz- und Wirtschaftsstrukturen zu entwickeln.

Omega Bula von der Vereinigten Kirche Kanadas sagte als Vorsitzende des Redaktionsausschusses, die Bedeutung der Erklärung sehe sie darin, dass diese klare Alternativen zu den heute bestehenden Wirtschaftsmodellen aufzeige.

"Es ist von ausschlaggebender Bedeutung, dass wir über eine Grundlage zur Weiterarbeit verfügen", sagte sie. "Oft wird uns vorgeworfen, wir kritisierten einen Sachverhalt, ohne uns die Frage gestellt zu haben, welche Alternativen es wohl dazu gebe. Diese Versammlung ist deshalb entscheidend, weil sie derartige Alternativen aufweist."

Rogate Mshana, der für das ÖRK-Programmreferent für Armut, Reichtum und Umwelt sagte: "Zu den interessantesten Vorschlägen, an denen eine repräsentative ökumenische Arbeitsgruppe weiterarbeiten sollte, gehört die Idee, den bestehenden Internationalen Währungsfonds (IWF) durch eine demokratisch legitimierte Internationale Währungsorganisation (IWO) und eine alternative internationale Währungsreserve zu ersetzen."

Als CWM-Generalsekretär betonte Collin Cowan die Vielseitigkeit der an der Konferenz vertretenen Wissenschaftsbereiche sowie den dort erreichten Konsensgrad. "Die Ergebnisse dieser Konferenz lassen darauf schließen, dass unter uns ein ausreichendes Maß an gutem Willen und Entschlossenheit besteht, um uns an einem Korrekturprozess der in unserer Gesellschaft bestehenden wirtschaftlichen Ungleichheiten und des der Natur zugefügten Unrechts zu beteiligen."

Und Walter Altmann, Vorsitzender des ÖRK-Zentralausschusses, fügte hinzu: "Angesichts der Tatsache, dass die Finanzkrise eine Dynamik entwickelt hat, die für alle Bewohner unseres Erdballs tiefgreifende Folgen für deren Lebensunterhalt hat, darf man davon ausgehen, dass heute eine gemeinsame Ausgangslage für die Bevölkerung und die Kirchen der südlichen und der nördlichen Hemisphäre besteht."

Pamela Brubaker, emeritierte Professorin für Religion an der Lutherischen Universität von Kalifornien in den Vereinigten Staaten, fühlt sich von dem Schlussdokument inspiriert. "Wir haben es hier mit einem prophetischen Dokument zu tun, dessen Aussagen zutiefst in unserem ökumenischen Verständnis des christlichen Glaubens verankert sind. Hier sind unsere gesammten Perspektiven einer lebensdienlichen Wirtschaftsform für alle Menschen miteinander verwoben", sagte Brubaker.

"Ich glaube, wir dürfen diesen Tag als den Beginn einer neuen Handlungsära ansehen", erklärte WGRK-Generalsekretär Setri Nyomi in seinem Schlusswort. "Ich hoffe, dass die von uns eingegangenen Verpflichtungen ein erster Schritt zur Schaffung eines Wirtschaftssystems sind, das im Unterschied zur heute vorherrschenden Wirtschaftsform im Dienst des Lebens aller Menschen steht", fügte er hinzu.


Volltext der gemeinsamen Erklärung (auf Englisch):
http://lists.wcc-coe.org/ct.html?ufl=4&rtr=on&s=jazjt,hv3r,usx,7ptt,gkjn,6a92,l50s

Leading development economists offer alternatives (ÖRK-Pressemeldung vom 4. Oktober 2012):
http://lists.wcc-coe.org/ct.html?ufl=4&rtr=on&s=jazjt,hv3r,usx,48ym,5ts8,6a92,l50s

Conference in Brazil links people?s struggle with financial architecture (ÖRK-Pressemeldung vom 2. Oktober 2012):
http://lists.wcc-coe.org/ct.html?ufl=4&rtr=on&s=jazjt,hv3r,usx,fui4,5ucc,6a92,l50s

Informationen über die Konferenz auf der WGRK-Website (auf Englisch):
http://lists.wcc-coe.org/ct.html?ufl=4&rtr=on&s=jazjt,hv3r,usx,2z6u,fd9i,6a92,l50s

CWM-Website (auf Englisch):
http://lists.wcc-coe.org/ct.html?ufl=4&rtr=on&s=jazjt,hv3r,usx,i3l6,fjfz,6a92,l50s

ÖRK-Programmarbeit zu Armut, Reichtum und Umwelt:
http://lists.wcc-coe.org/ct.html?ufl=4&rtr=on&s=jazjt,hv3r,usx,dpk,gwj5,6a92,l50s

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Quelle:
Pressemitteilung vom 9. Oktober 2012
Herausgeber: Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK)
150 rte de Ferney, Postfach 2100, 1211 Genf 2, Schweiz
E-Mail: ka@wcc-coe.org
Internet: www.wcc-coe.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Oktober 2012