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KIRCHE/1376: Kardinal Schönborn mahnt starkes Christentum in Europa an (DBK)


Pressemitteilungen der Deutschen Bischofskonferenz vom 12.09.2012

Kardinal Schönborn mahnt starkes Christentum in Europa an

St. Michael-Jahresempfang in Berlin



Der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz, Kardinal Christoph Schönborn (Wien), hat ein starkes Christentum in Europa gefordert. Gleichzeitig warnte er vor einer Verdrängung des christlichen Engagements im öffentlichen Raum. "Ist das Christentum im säkularen Europa inzwischen zum Fremdkörper geworden? Jenes Christentum, das doch offensichtlich eine der tragenden Wurzeln der europäischen Identität war - oder noch immer ist? Zunehmend empfinden sich Christen, die ihr Christentum ernst nehmen, marginalisiert", sagte Schönborn beim St. Michael-Jahresempfang des Katholischen Büros in Berlin.

"Ich glaube, wir haben noch zu wenig reflektiert, was diese Marginalisierung für die christliche Identität im heutigen säkularen Europa bedeutet. Wie sich mit den 'christlichen Werten' in einem Europa positionieren, das mehr und mehr den Christen sagt: 'Eure Werte' sind nicht 'unsere Werte'? Ich denke, viele von uns, ob Gläubige oder Amtsträger, schwanken zwischen Anpassung und Abgrenzung", so Schönborn. Gleichzeitig würdigte er die Ermutigung, die von Papst Benedikt XVI. ausgehe: "Wie bei vielen Gelegenheiten ermutigt Papst Benedikt die Christen heute, zur säkularen Gesellschaft ein positives Verhältnis zu gewinnen, nicht im Sinne der Anpassung. Vielmehr sollen die Christen in aller Freiheit in einer pluaralistischen Gesellschaft das Eigene einbringen." Der Papst zeige den müden und resignierten Christen unermüdlich, "dass sie nicht verzagen brauchen, wenn sie auf die argumentative Kraft von Vernunft und Glauben und auf die Leuchtkraft der gelebten Christusnachfolge setzen. Gerade in der säkularen Gesellschaft hat der Gläubige die Freiheit, seine Überzeugung ins Spiel zu bringen. Er darf nur nicht wehleidig sein, und auch nicht prätentiös", sagte Kardinal Schönborn. Dem Christentum habe es gut getan, dass "es durch das Feuer der Kritik von Aufklärung und Säkularismus gehen musste. Es ist die Chance der Läuterung. Es ist die Frage nach seiner Glaubwürdigkeit. Ist nicht in so mancher säkularen Kritik am Christentum auch ein Stück Sehnsucht verborgen, es möge doch so etwas wie ein authentisches, gelebtes Christentum geben? Insgeheim wissen wir wohl, ob säkular oder gläubig, dass hier die tragfähigen Wurzeln Europas liegen."

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, würdigte in seiner Ansprache an die rund 900 Gäste den Einsatz der Bundesregierung für den Fiskalpakt. "Ich begrüße die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom heutigen Tag, mit der der Weg zur Ausfertigung der Zustimmungsgesetze zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und Fiskalpakt vorgezeichnet und letztlich freigemacht wurde. Ich denke, dass viele Menschen in Europa heute aufgeatmet haben", so Zollitsch. "Ich habe Verständnis dafür, dass viele Menschen in Deutschland angesichts der weitreichenden Garantien im Rahmen der Rettungsschirme und -mechanismen, die Deutschland abgegeben hat, beunruhigt sind. Etliche sorgen sich um ihre demokratischen Mitbestimmungsrechte bei der Gestaltung der weiteren europäischen Integration. Ich bin allerdings der Auffassung, dass wir in einem gemeinsamen Währungsraum starke gemeinsame Abstimmungs- und Kontrollmechanismen in der Haushalts- und Fiskalpolitik brauchen, um demokratische Mitbestimmungsmöglichkeiten überhaupt gewährleisten zu können." Die Diskussion um die Abwanderung von Kompetenzen übersehe leicht, dass in vielen Bereichen des wirtschaftlich vernetzten Europas ein einzelner Mitgliedstaat keine eigenständigen Gestaltungsmöglichkeiten mehr besäße. "Gemeinsam mit den anderen europäischen Mitgliedstaaten, in gebündelter Souveränität, gewinnen wir diese Gestaltungsmöglichkeiten erst wieder zurück. Vielleicht sollten wir weniger die Abwanderung von Kompetenzen befürchten, als vielmehr unsere Chancen zur Stärkung der europäischen Demokratie und des gemeinsamen europäischen Wertekanons erkennen. Das gilt für uns Christen auch dann, wenn der europäische Wertekanon mit dem christlichen nicht mehr deckungsgleich ist", so Zollitsch.

Hinweis:
Die Rede von Kardinal Christoph Schönborn und die Ansprache von Erzbischof Dr. Robert Zollitsch finden Sie unter www.dbk.de.

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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 136 vom 12. September 2011
Herausgeber: P. Dr. Hans Langendörfer SJ,
Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. September 2012