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KIRCHE/1112: Stellungnahme der Deutschen Bischofskonferenz zur Präimplantationsdiagnostik (DBK)


Pressemitteilungen der Deutschen Bischofskonferenz vom 17.03.2011

Stellungnahme der Deutschen Bischofskonferenz zur Präimplantationsdiagnostik (PID)


Aus christlicher Sicht ist jeder Mensch von allem Anfang an Person und besitzt damit die Würde des ganzen Menschen: Ob Mann oder Frau, jung oder alt, krank oder gesund, macht keinen Unterschied. Die Unantastbarkeit der Würde des Menschen zieht die volle und uneingeschränkte Schutzwürdigkeit menschlichen Lebens in jeder seiner Existenzphasen nach sich. Damit ist auch die Frage nach dem Status des Embryos beantwortet: Mensch von Anfang an.

"Die Würde kommt jedem Menschen in gleicher Weise zu. Sie hängt nicht vom Plan der Eltern, vom gesellschaftlichen Stand, von der Bildung oder vom physischen Entwicklungsstand ab" (Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion "Dignitaspersonae: Über einige Fragen der Bioethik", 2008).

In Übereinstimmung mit den Ergebnissen der embryonalen Forschung geht die katholische Kirche davon aus, dass mit der Vereinigung von menschlicher Ei- und Samenzelle ein neues menschliches Leben entstanden ist. Daraus ergibt sich konsequent, dass die Präimplantationsdiagnostik (PID) unter keinen Umständen zugelassen werden kann, da diese Technik aus sich heraus mit Selektion und damit der Tötung von menschlichem Leben einhergeht. Wird die Schutzwürdigkeit menschlichen Lebens auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, entsteht ein ethischer Freiraum, der nicht nur Fremdinteressen und Verwertungswünschen, sondern auch der Willkür Tür und Tor öffnet.

Worum geht es?
Gegenwärtig findet eine Diskussion über Chancen und Risiken der Einführung der PID statt. Bei der PID werden Embryonen außerhalb des Mutterleibs unter Vorbehalt erzeugt und nur diejenigen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft verwendet, die in der genetischen Untersuchung keine Auffälligkeiten zeigen. Wer die PID befürwortet, will, dass der Wunsch von Eltern nach einem gesunden Kind leichter erfüllt wird. Wer sie ablehnt, befürchtet eine Selektion von Menschen nach vorab festgelegten Kriterien.


Die zurzeit geltende Rechtslage und die politische Befassung

Bisher galt die PID aufgrund des Embryonenschutzgesetzes als verboten. Nachdem der Bundesgerichtshof in einem Grundsatzurteil am 6. Juli 2010 entschieden hat, dass die PID nach der heutigen Rechtslage nicht strafbar sei, steht der Gesetzgeber unter Handlungsdruck. Denn wenn die PID nicht mehr verboten, aber gleichzeitig gesetzlich ungeregelt ist, dann ist der Weg frei zu einer nicht kontrollierbaren Ausbreitung der PID.

Mittlerweile liegen drei Gesetzentwürfe vor. Zwei davon zielen auf ein Verbot mit je unterschiedlich weit gefassten Zulassungsausnahmen ab und sehen dafür eine Änderung des Embryonenschutzgesetzes vor: Ein Gesetzentwurf erlaubt die PID in den Fällen, in denen ein oder beide Elternteile die Veranlagung für eine schwere Erbkrankheit in sich tragen, oder wenn mit einer Tot- oder Fehlgeburt zu rechnen ist. Ein weiterer Gesetzentwurf erlaubt die Durchführung einer PID nur dann, wenn eine Erkrankung des Kindes zum Tod schon während der Schwangerschaft oder innerhalb seines ersten Lebensjahres führen würde. Ein Gesetzentwurf schließlich plädiert für ein striktes, im Gendiagnostikgesetz zu verankerndes Verbot der PID.


Die Haltung der katholischen Kirche

Bei der Beurteilung der PID hat die katholische Kirche deutlich die Konfliktsituationen von Ehepaaren und Eltern vor Augen, die Angst vor einem (weiteren) Kind mit schwerer Behinderung haben, vor einer (weiteren) Fehl- oder Totgeburt oder einer drohenden Kinderlosigkeit. Der Wunsch nach einem gesunden Kind ist nachvollziehbar und überaus verständlich. Alle ethisch verantwortbaren Möglichkeiten, diesen Wunsch zu erfüllen, unterstützt die katholische Kirche ausdrücklich.

Für die katholische Kirche steht bei der Frage einer Zulassung der PID die große Sorge um das Schutzbedürfnis derer, die ihren eigenen Willen noch nicht äußern können, im Vordergrund. PID ist ethisch deswegen nicht zu rechtfertigen, weil die Auswahl eines mutmaßlich gesunden Kindes notwendig mit der Selektion und Verwerfung von Embryonen einhergeht. Die Medizin und die ärztliche Kunst können ein gesundes Kind selbst durch das Verfahren der PID nicht garantieren. Auch ein behindertes Kind ist ein von Gott geschenktes Kind. Auch ein behindertes Kind hat ein Recht auf Leben. Weder Ärzte noch Forscher noch Eltern dürfen in eine Situation gebracht werden, in der sie gezwungen sind, zwischen lebenswertem und nicht lebenswertem Leben unterscheiden zu müssen.

Hinsichtlich der Positionen, die PID in eng begrenzten Fällen nach zu benennenden Kriterien zulassen wollen, ist zu fragen, wie solche Kriterien, nach welchem Maßstab und von wem festgelegt werden sollen. Jeder Katalog von Krankheiten wäre nicht nur diskriminierend gegenüber Menschen, die mit diesen Krankheiten oder Behinderungen leben, sondern würde infolge diagnostischer Fortschritte ständig erweitert. Auch das Argument, PID könne bei einer bereits im Mutterleib voraussichtlich prognostizierbaren Lebensunfähigkeit erlaubt sein, beinhaltet Aussagen über den Lebenswert, die notwendig willkürlich bleiben müssen und ethisch nicht tragfähig sind. Vollkommen ungeklärt ist in diesem Zusammenhang auch die Frage nach dem Umgang mit Nebenbefunden, die zwangsläufig auftauchen werden, wenn Embryonen "nur" auf bestimmte Kriterien hin untersucht werden.

Daher plädiert die katholische Kirche für ein klares Verbot der PID durch den Gesetzgeber.


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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 044 vom 17. März 2011
Herausgeber: P. Dr. Hans Langendörfer SJ,
Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz
Deutsche Bischofskonferenz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. März 2011