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KORRESPONDENZEN/013: Phosphorkontamination Sofortmaßnahmen (SB)


Gegenmittel bei Phosphorkontamination


Eine Leseranfrage von D. B. zu dem Schattenblick-Beitrag
NATURWISSENSCHAFTEN\CHEMIE\NEWS/747: Mit Phosphor schlägt man Zivilisten ... (SB)

Dienstag, 13. Januar 2008

Hallo liebe Redakteure dieses Artikels http://www.schattenblick.de/infopool/natur/chemie/chene747.html

Es wird dort geschrieben: Für die Phosphorverletzten oder Vergifteten in Gaza stehen aber schon längst nicht mehr die notwendigen Einrichtungen zur Verfügung, zumal sich hier vermutlich niemand wegen Befindlichkeitsstörungen oder reinem Unwohlseins, den ersten Symptomen einer Vergiftung, zum Arzt begeben wird. Denn mindestens solch körperliches Mißbehagen ruft schon allein der Kriegszustand hervor. Keiner fühlt sich noch wohl in Gaza.

In den Medien wird die akute Giftigkeit des weißen Phosphors unterschlagen, daß durchschnittlich hundert Milligramm, d.h. ein Zehntel Gramm, völlig ausreichen, um einen Menschen umzubringen. Ein zweijähriges Kind kann bei einer Dosis von nur 2 mg weißem Phosphor innerhalb weniger Stunden sterben. Die Kinder leiden unter anderem an inneren Blutungen und Anämie und fallen schließlich ins Koma.

Kontaminationen mit Phosphorteilchen müssen so schnell wie möglich mit einer Kupfersulfatlösung gespült werden, damit der reine Phosphor nicht durch die Verbrennungswunde in das Blut gelangen kann. Kupfersulfat reagiert mit Phosphor zu ungefährlichen Verbindungen, die sich auswaschen lassen. Entsprechend versucht man beim Verschlucken den Magen zu spülen und zu entleeren.

Nun habe ich zwei Fragen mit Hoffnung auf schnelle Hilfe. 1. Wäre es Ihnen möglich mir mehr Fachwissen über diese Kupfersulfatlösung zur Verfügung zu stellen. 2. Welche Mittel haben die Menschen in Gaza noch sich gegen diese und eventuelle andere Waffen zu schützen.

Ich hoffe sie können mir helfen.

Vielen Dank.
Mit den besten Grüßen
D. B.


*


Ihre Frage, unsere Antwort

zu dem Beitrag INFOPOOL\NATURWISSENSCHAFTEN\CHEMIE\
NEWS/747: Mit Phosphor schlägt man Zivilisten ... (SB)

Stelle, den 15. Januar 2008

Sehr geehrte Frau B.,

Den brauchbarsten Hinweis zur Behandlung von Phosphorverätzungen fanden wir im Standardwerk "Wehrmedizin" von Generaloberstabsarzt Prof. Dr. med Ernst Rebentisch. Darin betont er ausdrücklich, daß eine Salbenbehandlung bei lokalen Phosphorverbrennungen strikt kontraindiziert (also nicht anwendbar) sei, da Phosphor fettlöslich ist und die lokale Schädigung des Gewebes nach Salbenbehandlung nur noch schlimmer wird.

Die Therapie besteht in einer möglichst sofortigen Spülung des betroffenen Gewebes mit Kupfervitriol (das ist Kufersulfat*5H2O), wodurch ein kaum lösliches Kupferphosphid (Cu3P) entsteht. Auch die Selbstentzündung des Phosphors wird hierdurch verhindert.

Falls keine Kupfervitriol-Lösung zur Hand ist, empfiehlt Rebentisch als Erstmaßnahme (um die Selbstentzündung des Phosphors zu vermeiden) einen möglichst luftdichten Feuchtverband.

Des weiteren wird allgemein geraten, reichlich mit Wasser oder Kochsalzlösung zu spülen, falls nichts anderes zur Hand ist, um Phosphorteilchen mechanisch zu entfernen. Das verhindert jedoch nicht die Selbstentzündung, sobald wieder Luft an verbliebene Phosphorreste gelangt.

Zwar ist Kupfersulfat nicht ganz ungiftig, wegen der Gefahr der Selbstentzündung ist unserer Meinung nach ein rascher Therapiebeginn wichtiger als die richtige Dosierung, zumal bei einer äußerlichen Wundbehandlung. Selbst wenn die Behandlung mit Kupfervitriol an der offenen Wunde schmerzhaft sein wird. Die Gefahr durch die Phosphorkontamination ist wesentlich größer.

Einen Hinweis auf eine Verdünnung fanden wir in der Schweizerischen Zeitschrift für Militär- und Katastrophenmedizin von 1981, Ausgabe 58, in der Kupfersulfat in 1-3%ger Lösung als Spezifikum bei Phosphorverätzungen empfohlen wird (für die rasche Applikation löst man 1-3 Teile Kupfersulfat(*5H2O) in 100 Teilen Wasser, was eine blaue Lösung ergibt).

Der Herausgeber des Artikels, Dr. Rolf Dolder, wies jedoch, um mögliche resorptive Kupfervergiftungen im Wundgebiet auszuschließen, besonders auf die folgende erprobte Suspension hin, deren Herstellung allerdings etwas Zeit beansprucht und die anschließend noch mindestens einen Monat anwendbar ist:

   
   
   
   
   
   
I


II
III

Hydroxyäthylcellulose
Natriumlaurylsulfat
Aqua dest.
Natriumhydrogenkarbonat
Kupfersulfat krist.
Aqua dest.
1,0 g
1,0 g
45,0 g
5,0 g
3,0 g
45,0 g

Aus I wurde ein Schleim bereitet, mit ca. 4 h Quellzeit; II und III wurden je in Wasser gelöst und dann miteinander zur Reaktion gebracht. Nach dem Abklingen der Gasentwicklung wurde der Schleim I zugemischt.

Ergebnis: Die so erhaltene Suspension liess sich auch nach einmonatigem Stehenlassen gut resuspendieren.
(Dolder R. "Kupfersulfat-Suspension gegen Phosphorverbrennungen", Schweiz. Zeitschr. Milit. Med "58", Seite 25 - 29, 1981)

Betont wurde in unseren Quellen immer wieder die "reichliche" Spülung. Es müssen also entsprechende Mengen der Lösung oder Suspension hergestellt werden.

Natürlich empfiehlt es sich auf jeden Fall, bei der Behandlung von Vergiftungen fachmännische, d.h. ärztliche Hilfe hinzuziehen, vor allem, wenn Phosphorteilchen in den Organismus gelangt sind.

Bei einer oralen Vergiftung mit Phosphor muß der Magen entleert und eine Magenspülung vorgenommen werden, was unbedingt unter ärztlicher Aufsicht geschehen sollte, damit weitere Verätzungen in der Speiseröhre und andere Behandlungsfehler ausgeschlossen werden. Anschließend gibt der Arzt eine Infusion einer Salzlösung mit Glucose und Calciumgluconat.

In diesem Zusammenhang wird nie von Kupfersulfatlösung gesprochen, die bei oraler Einnahme einen Brechreiz auslösen würde. Damit entstünde dann die Gefahr der Speiseröhrenverletzung durch den phosphorhaltigen Mageninhalt.


*


Was Ihre zweite Frage betrifft, so ist die Bedrohung fremder und zunehmend heimtückischerer Waffen sehr schwer aus der Distanz einzuschätzen.

Allein, was die Phosphorgranaten betrifft, kommen weitere Vergiftungsgefahren durch die dadurch verursachten Brände dazu, in denen die beteiligten Komponenten wahllos miteinander reagieren können und reizende und giftige Gase produzieren. Besonders groß ist die Gefahr, wenn die Granaten auf Kunststoffe treffen oder selbst in Kunststoffen verpackt wurden. Wir werden darüber noch berichten. Die Vielzahl der Faktoren die hier zusammenkommen, läßt sich kaum ermessen. Entsprechend schwer ist es auch, sich dagegen ausreichend zu schützen. Konventionelle Maßnahmen, um im Falle eines Angriffs Augen, Gesicht und Atemwege (z.B. Gasmasken) zu schützen, sind unabdingbar, ob man damit allerdings jedwede Gefährdung ausschließen kann, bleibt leider fraglich.



Mit freundlichen Grüßen
Ihr SB-Redaktionsteam


[Wichtiger Hinweis d. SB-Redaktion: Die Medizin unterliegt einem fortwährenden Entwicklungsprozeß, sodaß alle Angaben immer nur dem Wissensstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung entsprechen können. Die angegebenen Empfehlungen wurden mit größtmöglicher Sorgfalt erarbeitet und geprüft. Der Benutzer ist aufgefordert, zur Auswahl sowie Dosierung Fachinformationen der Hersteller zur Kontrolle heranzuziehen und im Zweifelsfalle einen Spezialisten zu konsultieren. Der Benutzer selbst bleibt verantwortlich für jede therapeutische Applikation, Medikation und Dosierung. Verfasser und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung für Schäden, die auf irgendeine Art der Benutzung der in dem Beitrag enthaltenen Informationen oder Teilen davon entstehen.]

15. Januar 2009