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ZIVILRECHT/323: Mehr Sicherheit für Häuslebauer (BMJ)


Bundesministerium der Justiz - Berlin, 23. Januar 2008

Mehr Sicherheit für Häuslebauer


Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hat Vorschläge zum besseren Schutz von Kreditnehmern bei einem Verkauf ihrer Darlehensforderung vorgelegt. Das Maßnahmenpaket wird heute im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages mit Experten erörtert. Die Vorschläge werden in das Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (sog. Risikobegrenzungsgesetz) aufgenommen, das dem Deutschen Bundestag bereits vorliegt.

"Zunehmend verkaufen Banken ihre Forderungen aus Krediten an Finanzinvestoren. Vielen dieser Investoren ist nicht an einer langfristigen Kundenbeziehung gelegen. Ihr vorrangiges Geschäftsziel ist es häufig, Darlehen unter Wert zu kaufen und sie dann kurzfristig zu realisieren. Ich habe dem Deutschen Bundestag daher Vorschläge unterbreitet, um mehr Sicherheit und Transparenz für redliche Kreditnehmer zu schaffen. Davon sollen Häuslebauer ebenso profitieren wie mittelständische Unternehmer", sagte Zypries.

"Zunächst aber gilt: Nach geltender Rechtslage haben Kreditnehmer, die ihre Raten ordentlich bezahlen, nichts zu befürchten. Wer seine Kreditpflichten erfüllt, muss nicht damit rechnen, dass plötzlich ein Finanzinvestor vor der Tür steht und Rückzahlung verlangt, mit der Zwangsvollstreckung droht oder sogar die Zwangsvollstreckung durchführt. Das ist heute schon so und daran halten wir fest", betonte Zypries. Hintergrund: Darlehen werden in der Praxis üblicherweise durch Grundschulden gesichert. In einer zusätzlichen sog. Sicherungsabrede wird dann vereinbart, dass die Bank die Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld nicht betreiben darf, wenn der Kreditnehmer die Raten wie vereinbart zahlt. Verkauft die Bank das mit der Grundschuld gesicherte Darlehen an einen Finanzinvestor, wird die Sicherungsabrede zwar nicht mit übertragen. Trotzdem kann sich der Kreditnehmer auch gegenüber dem Finanzinvestor darauf berufen. Der Finanzinvestor kennt nämlich den Inhalt der Sicherungsabrede, weil er sich vor dem Kauf des mit der Grundschuld gesicherten Darlehens über dessen Werthaltigkeit - und damit auch über die Sicherungsabrede - informiert.

Außerdem unterrichten die veräußernden Banken den Käufer eines Kredits über die Sicherungsabrede. Dazu sind sie verpflichtet. Tun sie es nicht, machen sie sich schadensersatzpflichtig. Das bedeutet: Erfolgen Zins und Tilgung vertragsgemäß, schützt die Sicherungsabrede den Kreditnehmer vor einer Zwangsvollstreckung auch durch einen neuen Darlehensgläubiger.

Beispiel: Ein junges Ehepaar entschließt sich zum Erwerb eines Eigenheims. Mit der örtlichen Bank ihres Vertrauens schließt das Paar einen Kreditvertrag mit langjähriger Laufzeit. Die Bank lässt sich das Darlehen mit einer Grundschuld absichern. In einer Sicherungsabrede wird außerdem vereinbart, dass die Bank nur dann die Grundschuld verwerten darf, wenn die Eheleute mit ihren Raten in Rückstand geraten. Nachdem das Paar wenige Jahre im eigenen Haus lebt, verkauft die Bank den Kredit samt Grundschuld an einen ausländischen Finanzinvestor. Die Bank unterrichtet den Investor über alle Vereinbarungen, die mit den Eheleuten getroffen wurden - einschließlich der Sicherungsabrede. Der Finanzinvestor tritt nun an die Stelle der vertrauten Hausbank. An die Absprachen, die die Eheleute einst mit ihrer Hausbank getroffen haben, muss sich nun auch der Finanzinvestor halten. Wenn die Eheleute ihre Raten immer ordentlich zahlen, müssen sie nicht befürchten, dass ihr Haus versteigert wird. Würde der Finanzinvestor das trotz der ihm bekannten Abreden versuchen, könnte sich das Paar mit einer sog. Vollstreckungsgegenklage vor Gericht zur Wehr setzen. Damit die unberechtigte Vollstreckung nicht bis zum Ende des Gerichtsverfahrens weiterläuft, könnten die Eheleute vom Gericht in einem Eilverfahren anordnen lassen, dass die Zwangsversteigerung sofort eingestellt wird.

Die Veräußerung von Forderungen aus Krediten ist international üblich und auch im Interesse eines freien Kapitalverkehrs grundsätzlich sinnvoll, weil Banken sich auf diese Weise günstig refinanzieren können. Das schlägt sich in einem niedrigen Darlehenszins nieder und kommt letztlich dem Kunden zugute. Üblicherweise merkt der Kunde von diesen Refinanzierungen nichts, denn der Kredit wird weiter von seiner Bank verwaltet. "Es gibt aber auch Fälle, in denen der Kunde mit einmal einen neuen Gläubiger vor sich sieht. Wer sich dagegen schützen will, muss die Möglichkeit haben, mit der Bank zu vereinbaren, dass der Kredit nicht abgetreten werden darf", erklärte Zypries.

Zypries' Vorschläge im Einzelnen:

o Pflicht des Darlehensgebers zum Angebot nicht abtretbarer Darlehensverträge

Kreditinstitute sollen künftig auch Darlehen anbieten, die nicht veräußert werden dürfen. Damit wird ausgeschlossen, dass der Darlehensnehmer plötzlich mit einer neuen Bank - bzw. einem Finanzinvestor - konfrontiert wird. Gerade bei langfristigen Krediten kann es für den Kreditnehmer entscheidend sein, das Darlehen bei der Bank zu haben, die sein Vertrauen genießt. Die Bank muss den Kreditinteressenten vor Abschluss eines Kreditvertrages von sich aus auf dieses Angebot und dessen Konditionen hinweisen.

Nicht abtretbare Kredite werden voraussichtlich zu einem höheren Zinssatz angeboten, denn ein zusätzlicher Schuldnerschutz ist nicht zum Nulltarif zu haben. Der Bankkunde wird dann wählen können, ob er einen Kredit aufnimmt, der ohne Weiteres verkauft werden kann, oder ob er dieses Risiko gegen einen Zinsaufschlag ausschließen will.

o Verpflichtung des Darlehensgebers zu Folgeangebot oder Hinweis auf Nichtverlängerung des Vertrages

Der Kreditgeber soll künftig verpflichtet sein, den Darlehensnehmer rechtzeitig vor einer Änderung des Kreditvertrages zu unterrichten: Spätestens drei Monate vor Auslaufen einer vereinbarten Zinsbindung oder einer Fälligkeit der gesamten Rückzahlungsforderung soll das Kreditinstitut dem Kunden seine Bereitschaft für ein Folgeangebot mitteilen oder ihn darauf hinweisen, dass es den Vertrag nicht verlängern wird. Damit soll der Darlehensnehmer in die Lage versetzt werden, die anstehenden Veränderungen zu überblicken und sich darauf einstellen zu können.

o Pflicht zur Anzeige der Abtretung der Darlehensforderung bzw. des Wechsels des Darlehensgebers

Wird eine Kreditforderung abgetreten oder findet ein Wechsel in der Person des Darlehensgebers statt, muss der Kunde künftig unverzüglich darüber informiert werden. Auf diese Weise kann er die Geschäftsziele seines neuen Gläubigers - etwa eines Finanzinvestors - kennenlernen und sich rechtzeitig entscheiden, ob er eine längerfristige Vertragsbeziehung mit ihm fortsetzen möchte.

o Verbesserung des Kündigungsschutzes bei Grundstücksdarlehen

Das noch geltende Recht enthält einen besonderen Kündigungsschutz, wenn der Darlehensnehmer Verbraucher ist und mit seinen Ratenzahlungen nur geringfügig in Rückstand gerät. Verbraucherdarlehen dürfen erst gekündigt werden, wenn der Zahlungsrückstand einen gewissen Prozentsatz erreicht hat. Außerdem muss der Darlehensnehmer zuvor erfolglos zur Bezahlung des Rückstandes aufgefordert worden sein. Dieser besondere Kündigungsschutz besteht jedoch nicht, wenn es sich um ein Grundstücksdarlehen handelt. Das soll sich in Zukunft ändern. Auch der Häuslebauer wird dann besser vor einer Kündigung seines Kredits geschützt.

o Nicht abtretbare Unternehmenskredite

Nach noch geltendem Recht kann ein Unternehmer mit seiner Bank nicht vereinbaren, dass die Forderung aus seinem Darlehen nicht abgetreten wird. Diese Sonderregelung für Unternehmer soll nun gelockert und ihre Situation verbessert werden: Auch Unternehmer sollen in Zukunft die Möglichkeit erhalten, nicht abtretbare Darlehensverträge mit ihren Kreditinstituten zu schließen.

o Verschuldensunabhängiger Schadensersatzanspruch bei unberechtigter Zwangsvollstreckung aus einer vollstreckbaren Urkunde

Bei Abschluss eines Kreditvertrages wird häufig notariell vereinbart, dass der Darlehensnehmer sich wegen der Forderungen aus dem Kreditvertrag der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft. Aus solchen sog. vollstreckbaren Urkunden kann der Kreditgeber - z. B. bei einem Zahlungsrückstand des Darlehensnehmers - unmittelbar vollstrecken. Ein Gericht muss den Anspruch vorher nicht überprüfen und ein gesondertes Urteil (Vollstreckungstitel) darüber erlassen. Die vollstreckbare Urkunde ist also selbst Grundlage der Zwangsvollstreckung.

Der Kreditgeber darf aber nicht aus einer vollstreckbaren Urkunde vollstrecken, wenn der Darlehensnehmer seine Raten ordentlich zahlt. Betreibt der Kreditgeber trotzdem die Zwangsvollstreckung, hat der Darlehensnehmer später grundsätzlich einen Schadensersatzanspruch gegen ihn. Das gilt nach dem derzeit noch geltenden Recht aber nur, wenn den Kreditgeber ein Verschulden trifft, wenn er also zumindest hätte wissen können, dass die Vollstreckung unzulässig ist. Nach dem Vorschlag von Bundesjustizministerin Zypries soll es künftig nicht mehr auf ein Verschulden ankommen. Das bedeutet: Der Darlehensnehmer, dessen Hausgrundstück auf Betreiben der Bank oder eines Finanzinvestors zu Unrecht zwangsversteigert wurde, kann seinen Schaden in Zukunft deutlich einfacher ersetzt bekommen.

Im Deutschen Bundestag werden neben diesen Vorschlägen derzeit noch weitergehende Maßnahmen diskutiert. Bei den laufenden Beratungen wird ein angemessener Ausgleich zwischen dem Schutzinteresse des redlichen Darlehensnehmers und dem betriebswirtschaftlichen Interesse der Kreditinstitute zu finden sein. Es wird auch darauf zu achten sein, dass der freie Kapitalverkehr nicht zu stark eingeschränkt wird.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 23.01.2008
Herausgegeben vom Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
des Bundesministeriums der Justiz
Verantwortlich: Eva Schmierer
Redaktion: Ulf Gerder, Dr. Henning Plöger, Christiane Wirtz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Januar 2008