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VERKEHR/617: 54. Deutscher Verkehrsgerichtstag - Medizinisch-Psychologische Untersuchung unter 1,6 Promille? (DAV)


Pressemitteilungen der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) - Berlin/Goslar, 26. Januar 2016
54. Deutscher Verkehrsgerichtstag in Goslar vom 27. bis 29. Januar 2016

Arbeitskreis II: MPU unter 1,6 Promille?

DAV: MPU nicht zwingend bei weniger als 1,6 Promille
Rechtsmittel gegen MPU-Anordnung notwendig


Goslar/Berlin (DAV). Das erst- und einmalige Führen eines Fahrzeugs unter alkoholbedingter Fahrunsicherheit beweist noch keinen Alkoholmissbrauch. Voraussetzung ist, dass der Blutalkohol unter 1,6 Promille liegt. Auch der Entzug der Fahrerlaubnis wegen Trunkenheit im Verkehr heißt nicht unbedingt, dass in der Vergangenheit Alkoholmissbrauch vorlag. Eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) ist in solchen Fällen nicht angebracht. Mehrere Verwaltungsbehörden vertreten jedoch die Meinung, dass ein Blutalkoholwert schon von 1,1 Promille eine MPU rechtfertige. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) lehnt dies mit Blick auf die Ausweitung auf eine Vielzahl von Autofahrern ab. Es sei mit einer hohen Zahl von Führerscheinentzügen zu rechnen.

"Für die Einholung einer MPU gibt es klare Vorgaben. Es muss der Beweis vorliegen, dass beim Beschuldigten ein Alkoholmissbrauch vorliegt", sagt Rechtsanwalt Gerhard Hillebrand von der DAV-Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht. Dies sei aber nicht der Fall bei jeder Alkoholfahrt mit einem Blutalkoholwert unter 1,6 Promille. Denn nicht jeder Gebrauch von Alkohol sei schon ein Missbrauch.

Voraussetzung für eine MPU ist, dass eine wiederholte Zuwiderhandlung im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss vorliegen muss. Das Führen eines Fahrzeuges mit über 1,6 Promille Blutalkohol erfordert ebenfalls eine MPU. Beides gilt als Beleg für Alkoholmissbrauch. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass alkoholauffällige Kraftfahrer ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille und höher deutlich normabweichende Trinkgewohnheiten haben. Bei ihnen liegt eine pathologische Alkoholtoleranz vor. Diese entsteht nur durch einen chronischen Alkoholmissbrauch, der auch andere Bereiche des Lebens des Betroffenen belastet.

Die Begutachtungsrichtlinien zur Kraftfahrereignung besagen, dass ein Alkoholmissbrauch in drei Fallgruppen vorliegt:
1. Es wurde wiederholt ein Fahrzeug unter unzulässig hoher Alkoholwirkung geführt (ohne Berücksichtigung der Höhe des Blutalkohols),
2. einmalig mit hoher Alkoholisierung ohne Wirkungsanzeichen gefahren oder
3. es aktenkundig ist, dass der Betroffene im Zusammenhang mit der Verkehrsteilnahme den Verlust der Kontrolle beim Alkohol hatte.

Eine erstmalige Alkoholfahrt mit einem Blutalkoholwert von unter 1,6 Promille reicht demnach nicht aus, um von einem Missbrauch zu sprechen. Ferner gilt es, die gesetzgeberische Intention zu beachten. Diese spricht von einer Wiederholung einer Zuwiderhandlung unter Alkohol im Straßenverkehr oder einem festgestellten Messwert von mehr als 1,6 Promille Blutalkohol, um eine MPU zu rechtfertigen. Damit ist die Anordnung einer MPU bei jeder Alkoholfahrt mit einem Blutalkoholwert unter 1,6 Promille nicht zu vereinbaren.

Es liegen auch keine ausreichenden wissenschaftlichen Erkenntnisse vor, die das Verhalten der Behörden rechtfertigen.

Wegen der weitreichenden, möglichen Konsequenzen einer MPU hält der DAV es nach wie vor für notwendig, ein Rechtsmittel schon gegen die Anordnung der MPU zu schaffen. "Der Betroffene muss überprüfen lassen können, ob die Anordnung rechtmäßig war", so Hillebrand weiter.

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Quelle:
Pressemitteilung VGT 2/16 vom 26. Januar 2016
Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht
Deutscher Anwaltverein (DAV)
Pressesprecher Swen Walentowski
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Internet: www.anwaltverein.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Januar 2016

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