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VERBRAUCHERSCHUTZ/025: Zurückhaltung bei Reform der Beratungshilfe (DAV)


Deutscher Anwaltverein (DAV) - Berlin, 24. September 2008

DAV mahnt zu Zurückhaltung bei Reform der Beratungshilfe

- Zugang zum Recht muss gewahrt bleiben -


Erfurt (DAV). Der Deutsche Anwaltverein (DAV) warnt davor, den Zugang zum Recht für sozial schwächere Personen dadurch zu erschweren, dass ein zu strenger Maßstab an die Voraussetzung der Gewährung von Beratungshilfe gesetzt wird. Bei dem insgesamt in Deutschland pro Jahr aufgewendeten Volumen der Beratungshilfe in Höhe von 86 Millionen Euro (2007) besteht für die Bundesländer sowieso kaum Einsparpotential.

"Pro Einwohner gibt die öffentliche Hand lediglich 1 Euro jährlich für die Beratungshilfe aus", betont Rechtsanwalt Hartmut Kilger, DAV-Präsident, anlässlich des 67. Deutschen Juristentages in Erfurt. Diese Summe lasse sich nicht weiter zusammenkürzen. Außerdem müsse sich der Gesetzgeber fragen, wenn er komplexe Regelungen erlässt, wie beispielsweise die Hartz IV-Gesetzgebung, warum sich dann zahlreiche Betroffene erfolgreich vor Gericht wehren können und dies oftmals den Ursprung in einer ersten Beratungshilfe hatte.

"Die Anwaltschaft ist bereit, ihre gesellschaftliche Verantwortung im Bereich der Beratungs- und Prozesskostenhilfe als nahezu Pro-bono-Tätigkeit wahrzunehmen, da kostendeckend in diesem Bereich nicht gearbeitet werden kann", so Kilger weiter. Wirtschaftlich Schwache müssten weiterhin zu ihrem Recht kommen.

In dem Beratungshilfe-Änderungsgesetzentwurf der Länder ist weiterhin vorgesehen, dass der Antrag auf Beratungshilfe vor Beratungsbeginn zu stellen ist. Momentan ist es möglich, dies auch hinterher zu tun. Diese Überlegung begrüßt der DAV, jedoch muss zwingend gewährleistet werden, dass diese Anträge schnell entschieden werden, anders als dies bisher der Fall ist. Problematisch erscheint dem DAV auch, dass es eine grundsätzliche Pflicht zur Einwilligung in die Datenübermittlung von Finanzämtern, BaFin u. s. w. gibt verbunden mit der Sanktion der Abweisung des Antrags. Hier besteht die Gefahr, dass der Datenschutz nicht hinreichend gewahrt wird.

Positiv bewertet der DAV die vorgeschlagene Öffnungsklausel für die Länder. Demnach steht den Bundesländern die Möglichkeit offen, öffentliche Rechtsberatungsstellen sowie die ausschließliche Zuständigkeit anwaltlicher Beratungsstellen vorzusehen. Ähnliche Modelle gibt es schon in Mecklenburg-Vorpommern und in Erfurt. Beachtet werden muss allerdings die konkrete Ausgestaltung bzw. die Dichte des Netzes der Beratungsstellen in Flächenstaaten und die Dauer und Häufigkeit der Beratungszeiten.

Auch der internationale Vergleich im Hinblick auf die Kosten für die "Prozesskostenhilfe" lässt für das Beispiel der Beratungshilfe kein Argument für ein Einsparpotential erkennen. In einer Untersuchung wurde über das Jahr 2006 für die Bundesrepublik Deutschland Prozesskostenhilfe für 498 Millionen Euro gewährt, das bedeutet 5,58 Euro pro Einwohner. In den Niederlanden werden bereits 23,22 Euro pro Einwohner, in Norwegen 29,86 Euro oder in England bereits 57,87 Euro pro Einwohner für die Prozesskostenhilfe ausgegeben. In England also ungefähr das Zehnfache als in der Bundesrepublik Deutschland.

Der Vergleich ist nur bei der Prozesskostenhilfe zulässig, da es nicht in allen EU-Ländern vergleichbare Institutionen wie die Beratungshilfe gibt. In jedem Fall zeigen die Zahlen nach Ansicht des DAV deutlich, dass in der Bundesrepublik Deutschland eher zu wenig Ressourcen für den Zugang zum Recht für sozial Schwache aufgewendet werden.


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Quelle:
Pressemitteilung DJT 02/08 vom 24. September 2008
Pressemitteilungen des Deutschen Anwaltvereins anlässlich der
Pressekonferenz auf dem 67. Deutschen Juristentag in Erfurt
Deutscher Anwaltverein (DAV)
Pressesprecher Swen Walentowski
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. September 2008