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STRAFRECHT/447: Das Strafverfahren zukunftstauglich machen (Goethe-Universität Frankfurt)


Goethe-Universität Frankfurt - 13. Oktober 2015

Das Strafverfahren zukunftstauglich machen

Vorschläge für die Bundesregierung entstanden unter Beteiligung des Rechtswissenschaftlers Matthias Jahn von der Goethe-Universität


FRANKFURT. Strafverfahren in Deutschland sollen effektiver und praxistauglicher werden: Mehr Beteiligungsrechte für den Beschuldigten, mehr Transparenz und Kommunikation in der Verhandlungsführung sowie einen besseren Einsatz moderner Technik im Ermittlungsverfahren sollen dazu beitragen. Eine eigens eingesetzte Expertenkommission übergibt heute in Berlin ihren Abschlussbericht an Bundesjustizminister Heiko Maas. Mit dabei als einer von sechs Hochschullehrern der Kommission: Prof. Matthias JahnStrafrechtsprofessor an der Goethe-Universität.

Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung war der Auftrag festgeschrieben: Die bestehenden Regelungen zum Strafverfahren sollten unter Berücksichtigung rechtsstaatlicher Grundsätze überprüft und effektiver gestaltet werden. Der zweite Anlass, das deutsche Strafverfahren genauer unter die Lupe zu nehmen, war ein Urteil des Bundesverfassungsgericht von 2013 zur Verständigung im Strafprozess ("Deal"), das eine Neuregelung nahelegte. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Anwendungsmöglichkeiten einer Verständigung im Strafprozess ("Deal") stark eingeengt.

Im Juli 2014 nahm die Expertenkommission die Arbeit an ihrem Bericht auf. Ein gutes Jahr - nicht gerade viel Zeit für eine so umfassende Überprüfung. Außer den sechs Wissenschaftlern gehörten der Expertenkommission auch Vertreter der juristischen Praxis (Bundesgerichtshof, Generalbundesanwalt) an sowie Experten aus den Landesjustizverwaltungen und den Bundesministerien. Alle Verfahrensabschnitte des Strafverfahrens - vom Ermittlungsverfahren bis zur Strafvollstreckung - wurden daraufhin untersucht, inwieweit sie in ihrer heutigen strukturellen Ausgestaltung den Anforderungen an ein modernes Strafverfahren noch entsprechen. Das Resultat sind mehr als 50 konkrete Vorschläge für Gesetzesreformen.

"Ich bin mit den Ergebnissen sehr zufrieden", betont Matthias Jahn. "Die drei großen Leitlinien einer sinnvollen größeren Reform des deutschen Strafprozesses spiegeln sich wieder: Mehr Partizipation der Verteidigung, mehr Kommunikation und Konsens der Beteiligten und - endlich - die Nutzung der heutigen technischen Möglichkeiten der Dokumentation des Verfahrensablaufs", erklärt Jahn. Matthias Jahn (46), der seit 2013 den Lehrstuhl für Straf- und Strafprozessrecht am Fachbereich Rechtswissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt innehat und die bundesweit einzigen Forschungsstelle für Recht und Praxis der Strafverteidigung (RuPS) leitet, hat auch Erfahrungen aus der Praxis eingebracht: Im zweiten Hauptamt arbeitet Jahn als Richter am Oberlandesgericht Frankfurt, vor dem Wechsel in die Wissenschaft war er als Strafverteidiger und Staatsanwalt tätig.

Die Kommission empfiehlt, die Beteiligungsrechte des Beschuldigten zu stärken - z.B. durch ein Anwesenheitsrecht des Verteidigers bei polizeilichen Beschuldigtenvernehmungen oder durch eine Mitsprache bei der Auswahl von Sachverständigen. In Bezug auf das BVerfG-Urteil zum "Deal" steht die Empfehlung, für mehr Transparenz und Kommunikation in der Verhandlungsführung zu sorgen, indem zum Beispiel bei umfangreichen Strafverfahren ein Koordinationstermin zur Vorbereitung der Hauptverhandlung anberaumt wird und die ausdrückliche Aufforderung an die Verfahrensbeteiligten ergeht, vorhandene gesetzliche Vorschriften zur Verständigung großzügig zu nutzen. Außerdem regt die Kommission an, die Möglichkeiten moderner Technik im Ermittlungsverfahren stärker zu nutzen; im geltenden Recht wird z.B. das technische Potential audiovisueller Aufzeichnungsmöglichkeiten in Zeugen- und Beschuldigtenvernehmungen bei weitem nicht ausgeschöpft.

Der Abschlussbericht ist dowloadbar über:
www.bmjv.de


Die Goethe-Universität ist eine forschungsstarke Hochschule in der europäischen Finanzmetropole Frankfurt. 1914 gegründet mit rein privaten Mitteln von freiheitlich orientierten Frankfurter Bürgerinnen und Bürgern fühlt sie sich als Bürgeruniversität bis heute dem Motto "Wissenschaft für die Gesellschaft" in Forschung und Lehre verpflichtet. Viele der Frauen und Männer der ersten Stunde waren jüdische Stifter. In den letzten 100 Jahren hat die Goethe-Universität Pionierleistungen erbracht auf den Feldern der Sozial-, Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften, Chemie, Quantenphysik, Hirnforschung und Arbeitsrecht. Am 1. Januar 2008 gewann sie mit der Rückkehr zu ihren historischen Wurzeln als Stiftungsuniversität ein einzigartiges Maß an Eigenständigkeit. Heute ist sie eine der zehn drittmittelstärksten und drei größten Universitäten Deutschlands mit drei Exzellenzclustern in Medizin, Lebenswissenschaften sowie Geisteswissenschaften."

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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 267 vom 13. Oktober 2015
Herausgeber: Die Präsidentin
Abteilung Marketing und Kommunikation, 60629 Frankfurt am Main
Redaktion: Dr. Anke Sauter, Abteilung Marketing und Kommunikation
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Oktober 2015

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