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STRAFRECHT/440: Parlament stärkt Unschuldsvermutung im Strafverfahren erheblich (DAV)


Deutscher Anwaltverein (DAV) - Berlin, 31. März 2015

DAV begrüßt Ausschluss von Schuldvermutungen und Zwang

Parlament stärkt Unschuldsvermutung im Strafverfahren erheblich


Berlin/Brüssel (DAV). Der Deutsche Anwaltverein (DAV) begrüßt die Ergebnisse der heutigen Abstimmung des Ausschusses für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des EU-Parlaments zum Richtlinienentwurf zur Stärkung der Unschuldsvermutung im Strafverfahren. Aus DAV-Sicht ist ein wichtiges Ergebnis dieser Abstimmung, dass die von den EU-Mitgliedstaaten in erheblichem Umfang vorgesehenen Möglichkeiten der Schuldvermutung gestrichen worden sind.

"Der Ausschuss geht in den besonders wichtigen Punkten über die Forderungen der EU-Mitgliedstaaten vom Dezember 2014 weit hinaus und behebt Mängel an wichtigen Stellschrauben der Richtlinie", betont Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer, Präsident des DAV. Mit dieser Abstimmung würde die Unschuldsvermutung als elementaren Grundsatz des Strafverfahrens in der gesamten EU gestärkt.

Ursprünglich hatte die Kommission in ihrem Richtlinienvorschlag geplant, unter Verstoß gegen das Recht zu Schweigen und sich nicht selbst zu belasten gewonnene Beweismittel zu verwerten. Dies lehnt das Parlament ab und streicht eine dahingehende Formulierung. Überdies nimmt es ein Beweisverwertungsverbot für den Fall des Verstoßes an. Diese Korrekturen hatte der DAV immer wieder vehement gefordert. Ausdrücklich begrüßenswert ist es auch, dass das Parlament einen Erwägungsgrund des Richtlinienentwurfs gestrichen hat, der vorsah, dass "Zwang, der ausgeübt wird, um den Verdächtigen oder Beschuldigten zur Aussage zu bewegen, (...) begrenzt werden [sollte]".

Geht es nach dem Parlament, so dürfen Abwesenheitsurteile gegen den Beschuldigten nur dann ergehen, wenn er über die Konsequenzen seines ungerechtfertigten Fernbleibens zuvor informiert wurde. Liegen die Gründe für das Fernbleiben von der Verhandlung außerhalb des Einflussbereichs des Beschuldigten, so sollte ihm nun grundsätzlich das Recht auf eine Neuverhandlung zustehen. Der DAV hatte sich im Verlauf des bisherigen Gesetzgebungsverfahrens gegen Abwesenheitsurteile ausgesprochen und sich für das Recht des Beschuldigten, im Falle einer von ihm nicht zu vertretenden Abwesenheit von der Verhandlung eine neue Verhandlung zu fordern, eingesetzt.

Der DAV weist darauf hin, dass die vom Parlament in die Richtlinie aufgenommene positive Berücksichtigungsmöglichkeit der Kooperationsbereitschaft des Beschuldigten nicht über ihren Wortlaut hinaus angewandt werden darf. "Wichtig ist, dass dies nicht unbemerkt und auf Umwegen zu einer negativen Berücksichtigung des Schweigens des Beschuldigten führt. Dies liefe dem Zweck der Richtlinie gerade entgegen", so DAV-Präsident Ewer.

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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 10/15 vom 31. März 2015
Deutscher Anwaltverein (DAV)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. April 2015

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