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STRAFRECHT/394: Anwälte lehnen Erscheinens- und Aussageverpflichtung für Zeugen bei Polizei ab (DAV)


Deutscher Anwaltverein (DAV) - Berlin, 21. April 2010

Anwälte lehnen Erscheinens- und Aussageverpflichtung für Zeugen bei Polizei ab!

Kritik an Bestrebungen von Bundesrat und Bundesregierung


Berlin (DAV). Der Rechtsausschuss des Bundesrates befasst sich heute mit dem "Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Effektivität des Strafverfahrens", indem unter anderem eine Erscheinens- und Aussageverpflichtung für Zeugen bei der Polizei vorgesehen ist. Diesen weiteren Ausbau der polizeilichen Kompetenzen im Ermittlungsverfahren lehnt der Deutsche Anwaltverein (DAV) ab. Ein schon zweifelhafter Effektivitätsgewinn würde einem damit verbundenen Verlust einer Rechtsförmigkeit des Ermittlungsverfahrens gegenüber stehen.

"Eine Verpflichtung des Bürgers, Ladungen der Polizei Folge zu leisten, ist mit seiner Rechtstellung im liberalen Rechtsstaat nicht zu vereinbaren", führt der Präsident des Deutschen Anwaltvereins, Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer, aus. Der Gesetzentwurf ziele auf eine weitere Demontage der Bedeutung der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren zu Gunsten der Polizei. "Dem polizeilichen Zweckdenken muss aber das für den Bereich des Strafrechts geforderte Rechtsdenken entgegengesetzt werden", führt Ewer weiter aus. Dies begründet die heutige Stellung der Staatsanwaltschaft als "Herrin des Verfahrens".

Der von den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Bayern und Hessen eingebrachte "Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Effektivität des Strafverfahrens" will eine Verpflichtung für Zeugen schaffen, auf Ladungen der Polizei, vor dieser zu erscheinen und zur Sache auszusagen. Begründet wird dies mit Steigerung der Effektivität. Nach Ansicht des DAV sind diese Effektivitätserwägungen jedoch nur vordergründig. Eine weitere Kompetenzverlagerung von der Staatsanwaltschaft, der Polizei würde erfolgen und die Sachleitungsbefugnis der Staatsanwaltschaft weiter ausgehöhlt. Dies ist jedoch rechtspolitisch höchst bedenklich. "Bürgerinnen und Bürger sollen durch die gesetzeskundige und gesetzestreue Mitwirkung der Staatsanwaltschaft vor gesetzwidrigen Eingriffen der Obrigkeit im Ermittlungsverfahren geschützt werden", erläutert Ewer den Standpunkt der Anwaltschaft. Schon seit Jahren sei ein zunehmendes Vordringen der polizeilichen Kompetenzen zu beobachten. Vor allem durch die Faktoren der technischen Ausrüstung der Polizei und der starken Zunahme der Zahl der Ermittlungsverfahren. Ein weiterer Ausbau der polizeilichen Kompetenzen im Ermittlungsverfahren, der die vom Gesetzgeber gewollte Herrschaft der Staatsanwaltschaft über das Ermittlungsverfahren noch stärker relativieren würde, lehnt der DAV mit Nachdruck ab.

Während frühere Bundesregierungen solche Überlegungen aus guten Gründen abgelehnt hatten, ist im Koalitionsvertrag beabsichtigt, eine solche Erscheinenspflicht zu schaffen.


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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 12/10 vom 21. April 2010
Deutscher Anwaltverein (DAV)
Pressesprecher Swen Walentowski
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. April 2010