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SOZIALRECHT/078: Höherer Grad der Behinderung trotz Abbruch psychiatrischer Behandlung (DAV)


Deutscher Anwaltverein (DAV) - Berlin, 7. Oktober 2019

Rubrik: Ratgeber/Service/Recht/Sozialrecht

Höhere GdB trotz Abbruch psychiatrischer Behandlung


Stuttgart/Berlin (DAV). Bricht ein Patient die Behandlung einer psychischen Erkrankung ab, geht man meist von davon aus, dass der Leidensdruck nicht besonders hoch ist und entsprechend eine behindernde Störung maximal mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 20 vorliegen kann. Was aber ist, wenn die Behandlung krankheitsbedingt abgebrochen wurde?

Bricht der Betroffene die Behandlung ab oder unterlässt sie ganz aus Gründen, die in der Krankheit selbst liegen, kann auch eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vorliegen. Dann kann auch ein höherer GdB gerechtfertigt sein. Die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Sozialgerichts Stuttgart vom 4. Januar 2019 (AZ: S 6 SB 2994/17).

Grad der Behinderung: Psychische Erkrankung als behindernde Störung

Der Mann wollte das Land verpflichten, bei ihm einen Grad der Behinderung von wenigstens 50 festzustellen. Neben Funktionsbeeinträchtigungen an der Wirbelsäule war vor allem die Bewertung einer depressiven Störung zwischen den Beteiligten umstritten. Das Land wollte maximal einen GdB von 20 anerkennen. Schließlich habe der Mann eine entsprechende Behandlung der Depression abgebrochen.

GdB von 40 bei psychischer Erkrankung

Das Gericht entschied jedoch, dass ein Teil-GdB für die psychische Erkrankung von 40 gerechtfertigt sei. Es sei grundsätzlich richtig, dass ohne Behandlung kein höherer GdB als 20 gerechtfertigt sei (so das Landessozialgericht in Stuttgart in einer Entscheidung; Az: L 8 SB 1549/10). Allerdings müsse man beachten, ob die Erkrankung behandlungsbedürftig sei und ob das Unterlassen der Behandlung krankheitsbedingt erfolge.

Dies sah das Gericht hier als gegeben an. Es bezog sich dabei auf die nachvollziehbaren Angaben der bis April 2017 behandelnden Ärztin und des Gutachters zur Persönlichkeitsstruktur und zur Erkrankung des Mannes. Dieser habe nicht wegen des fehlenden Leidensdruck die Behandlung abgebrochen, sondern vielmehr aus Scham, dass er eine solche benötige.

Der Gutachter hatte sogar festgestellt, dass sich die psychische Erkrankung durch die fehlende Therapie und das Weglassen der Medikation derart verschlechterte, dass er einen sofortigen stationären Aufenthalt in einer psychiatrischen Fachklinik für notwendig hielt.

Quelle: www.dav-sozialrecht.de
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Quelle:
Pressemitteilung SozR 05/19 vom 7. Oktober 2019
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Oktober 2019

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