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REDE/034: Leutheusser-Schnarrenberger - Gesetzentwurf zur Förderung der Mediation, 14.04.11 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Rede der Bundesministerin der Justiz, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, zum Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vor dem Deutschen Bundestag am 14. April 2011 in Berlin:


Herr Präsident!
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

In einer Entscheidung aus dem Jahr 2007 hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt - ich zitiere -:

"Eine zunächst streitige Problemlage durch eine einverständliche Lösung zu bewältigen, ist auch in einem Rechtsstaat grundsätzlich vorzugswürdig gegenüber einer richterlichen Streitentscheidung."

An diesen Grundsatz knüpfen wir mit dem eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung an. Die Mediation als eine Methode, in geordneter und konstruktiver Weise mit Konflikten umzugehen, ist besonders geeignet, die Verantwortung der Bürgerinnen und Bürger für sich selbst und andere zu stärken. Deshalb wollen wir die Bürger ermuntern, ihre Streitigkeiten vornehmlich eigenverantwortlich zu lösen.

Bislang ist die Mediation gesetzlich weitgehend ungeregelt. Nunmehr verpflichtet uns die EU-Mediationsrichtlinie zum Handeln. Anders als bei den meisten Gesetzesvorlagen, die im Deutschen Bundestag behandelt werden, betreten wir rechtliches Neuland. Das bedeutet: Wir konnten nicht auf vorhandenen Strukturen aufbauen, sondern mussten das Mediationsgesetz von Grund auf neu entwickeln. Deshalb haben wir im Rahmen einer Expertengruppe namhafte Vertreter aus Wissenschaft und Praxis in die Vorarbeiten einbezogen. Eine wichtige Hilfestellung lieferte uns das vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht im Auftrag meines Hauses erstellte rechtsvergleichende Gutachten. Hierdurch konnten wir wertvolle Informationen über die Erfahrungen anderer Länder mit der Mediation gewinnen und bei der Erarbeitung des Entwurfs berücksichtigen.

Im Bereich der Mediation treffen sehr unterschiedliche Auffassungen aufeinander, die nicht ganz leicht in Einklang zu bringen sind. Bei der Schaffung des Regierungsentwurfs haben wir die verschiedenen Interessen abgewogen und darauf hingewirkt, diese in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei haben wir uns von dem Ziel leiten lassen, möglichst wenig in die Entfaltung der Mediation als eines noch in der Entwicklung befindlichen Konfliktlösungsverfahrens einzugreifen. Ich freue mich, dass der Gesetzentwurf ein breites und überwiegend positives Echo bei den Verbänden und auch in der Gesellschaft gefunden hat. Auch die Länder begrüßen die mit dem Entwurf verfolgte Zielrichtung. Gleichwohl will ich nicht verhehlen, dass der vorgelegte Entwurf auch in der Kritik steht. Diese Kritik konzentriert sich vornehmlich auf einige wenige, allerdings auch bedeutsame Punkte.

Ansprechen möchte ich zunächst das Thema der gerichtsinternen Mediation. Die von verschiedenen Seiten erhobenen Forderungen nach einer kompletten Abschaffung dieser Mediationsform teile ich nicht. Die gerichtsinterne Mediation ist in den letzten Jahren eine feste Größe an deutschen Gerichten geworden. Erfolgsquoten von bis zu 74 Prozent bei Konfliktbereinigung sprechen für sich. Mit dem Mediationsgesetz stellen wir den Ländern das notwendige Instrumentarium zur Verfügung, die gerichtsinterne Mediation fortzuführen. Allerdings wollen wir den richterlichen Mediatoren auch keine weiter gehenden Befugnisse einräumen als ihren außergerichtlich tätigen Kollegen.

Bei der Prüfung und Umsetzung von Vorschlägen aus dem parlamentarischen Raum, die auf eine weitere Förderung gerade der außergerichtlichen Mediation abzielen, werden wir gerne unterstützend tätig werden. Natürlich greifen wir das Anliegen gern auf, gerade die außergerichtliche Mediation so attraktiv zu machen, dass sie sich entfalten kann. Aber wir dürfen nicht aus den Augen verlieren, dass die finanziellen Rahmenbedingungen den Gestaltungsmöglichkeiten Grenzen setzen.

Unterschiedliche Auffassungen bestehen auch hinsichtlich der Frage, wie die Aus- und Fortbildung der Mediatoren und damit der Zugang zur Mediatorentätigkeit geregelt werden soll. Hier haben wir die verschiedensten Modelle intensiv geprüft, wie zum Beispiel die Schaffung von Zulassungsvoraussetzungen oder einer staatliche Anerkennung.

Am Ende haben wir uns mit dem Entwurf gegen eine detaillierte gesetzliche Regelung entschieden. Damit wollen wir gewährleisten, dass der Mediation als einem noch stark in der Entwicklung begriffenen Verfahren genügend Entfaltungsspielraum verbleibt. Zugleich wollen wir neuen bürokratischen Strukturen entgegenwirken, die wiederum mit Kosten verbunden wären.

Die Qualität der Mediation und die Transparenz auf dem Mediatorenmarkt sollen im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher durch die Schaffung eines privaten Zertifizierungssystems gefördert werden. Wir zählen dabei auf die Kraft der Selbstregulierung durch die Berufsgruppen und Verbände.

Unsere Zivilgesellschaft erfordert die Weiterentwicklung von modernen und effektiven Methoden autonomer Konfliktbeilegung. Ich bin sicher, dass wir mit dem vorgelegten Gesetzentwurf diese Entwicklung befördern und damit auch einen nachhaltigen Beitrag zur Verbesserung der Streitkultur in Deutschland leisten werden. Ich freue mich auf konstruktive Beratungen im zuständigen Ausschuss.


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Quelle:
Bulletin Nr. 42-3 vom 14.04.2011
Rede der Bundesministerin der Justiz, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
zum Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Mediation und
anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung
vor dem Deutschen Bundestag am 14. April 2011 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. April 2011