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REDE/027: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zum Haushaltsgesetz 2010, 18. März 2010 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Rede der Bundesministerin der Justiz, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, zum Haushaltsgesetz 2010 vor dem Deutschen Bundestag am 18. März 2010 in Berlin


Herr Präsident!
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Lassen Sie mich auch mit Dank beginnen. Ich danke den Haushaltsberichterstattern der Koalition, Herrn Funk und Herrn Toncar, sowie den Berichterstattern der Opposition, also dem Hauptberichterstatter Herrn Schurer, Herrn Sarrazin und Herrn Bockhahn. Ich bedanke mich außerdem für Ihren Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Justizministeriums. Sie sollen wissen, dass wir Ihnen offen gegenüberstehen, wenn Sie Informationen oder Begründungen für Ansätze in unserem Haushalt, der wirklich sehr überschaubar und dennoch sehr wichtig ist, benötigen.

Lassen Sie mich mit drei kurzen Bemerkungen zum Haushalt beginnen.

Ich möchte als Erstes mit dem Punkt beginnen, den Sie, Herr Schurer, angesprochen haben, nämlich den Titel für Härteleistungen für Opfer extremistischer Übergriffe. Dieser Titel ist deutlich aufgestockt worden, und zwar um 700.000 Euro auf eine Million Euro. Wir haben im Haushaltsausschuss mit den Haushaltsberichtserstattern intensiv darüber gesprochen. Es muss sich daher niemand Sorgen machen, dass aus diesem Titel keine ausreichenden Gelder gewährt werden können, um die Opfer, die rechts- oder linksextremistische Gewalt erfahren mussten, zu entschädigen. Wir haben die entsprechenden Richtlinien für die Verwendung dieser Gelder angepasst.

Ich möchte mich außerdem - das ist meine zweite Bemerkung - ganz herzlich dafür bedanken, dass für unsere zukünftige Aufgabe nach dem Geldsanktionsgesetz, das wir nach der Bildung der Koalitionsregierung zügig auf den Weg gebracht haben, die Stellenausstattung im Haushalt mit dem Tag des beabsichtigten Inkrafttretens, dem 1. Oktober 2010, gesichert ist. Herr Schurer, Sie haben die Grundlage für diese Berechnung bereits vorgetragen. Es ist eine wichtige Aufgabe. Wir sind verpflichtet, diese EU-Vorgabe umzusetzen. Das ist in der letzten Legislaturperiode nicht mehr passiert.

Als dritte Bemerkung möchte ich das Präventionsprojekt Dunkelfeld der Charité Berlin erwähnen, das seit dem Jahr 2008 durch den Haushalt des Bundesjustizministeriums mit jährlich 250.000 Euro gefördert wird. Meine Vorgängerin hat es zusammen mit den Haushaltsberichterstattern in den Haushalt eingestellt bekommen. Ich bin froh, dass die Förderung dieses Jahr fortgesetzt wird. Für das nächste Jahr ist die Finanzierung aber überhaupt nicht gesichert.

Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte über Missbrauch in Institutionen von katholischen, evangelischen und anderen Trägern ist es in meinen Augen ganz entscheidend, dieses Projekt weiterzuführen. Am besten wäre es, es nicht nur weiterzuführen, sondern sogar auszubauen. Denn es handelt sich um ein Projekt, das Männern, die die Gefahr ihrer pädophilen Neigung erkennen, die Möglichkeit gibt, sich an fachkundige Berater zu wenden und entsprechende Therapien zu machen, bevor etwas passiert. Ich werbe daher schon jetzt dafür. Es wäre in unserem gemeinsamen Interesse, wenn eine Fortsetzung des Projekts gesichert werden könnte. Wenn das nicht möglichst bald in Aussicht gestellt wird, dann werden viele Therapien nicht mehr angewandt werden können, weil sie über einen längeren Zeitraum und somit über den Jahreswechsel hinaus andauern würden.

Lassen Sie mich zur aktuellen Debatte über Missbrauch und insbesondere über die vielen Missbrauchsfälle aus den vergangenen Jahrzehnten kommen. Ich habe mich als Bundesjustizministerin von Anfang an mit dem Gesichtspunkt eingebracht, der mich als Ministerin besonders zu beschäftigen hat, nämlich die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs. Genau das habe ich eingefordert.

Ich denke, es ist ganz wichtig, dass von allen Verantwortlichen in Institutionen bei Anhaltspunkten, die sich etwas verdichten, die Informationen an die Staatsanwaltschaft gehen, ohne dass wir wieder eine strafbewehrte Anzeigepflicht für alle Delikte in unser Strafgesetzbuch einführen. Ich habe heute zur Kenntnis genommen und freue mich darüber, dass gerade in Bayern von Erzbischof Marx öffentlich gesagt wurde, dass er sich dafür einsetzt, dass die Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz genau in diesem Punkt entsprechend geändert werden sollen.

Wir haben uns in der Bundesregierung - um auch hier gleich Spekulationen und weiteren Überlegungen den Boden zu entziehen -, nachdem ich diejenige war, die als Erste einen runden Tisch ins Gespräch gebracht hat, auf einen gemeinsamen runden Tisch verständigt, der in die Zukunft blickt, aber auch zurückblickt und sowohl das Thema Prävention als auch rechtliche Fragen wie die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs behandeln wird. Von daher mündet das, glaube ich, in eine positive Entwicklung ein, die auch - das muss unser Anliegen sein - den Opfern von Missbrauch aus der Vergangenheit da, wo Verjährung eingetreten ist, aber auch im Hinblick auf Verhinderung Rechnung trägt.

Wir haben ein umfangreiches rechtspolitisches Programm, das sehr klar macht, dass wir sehr wohl in einigen Punkten Korrekturen vornehmen. Wir werden nach der Sommerpause im Kabinett den ersten Gesetzentwurf, der sich mit dem Schutz der Berufsgeheimnisträger befasst, nach Abstimmung mit den Ländern und auch mit den Ressortkollegen beschließen und ihn diesem Haus zur Beratung und Beschlussfassung vorlegen.

Wir müssen uns auch ausführlich und intensiv mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur anlasslosen Vorratsdatenspeicherung befassen, nicht nur im Hinblick darauf, was das für uns in Deutschland heißt und was dort kritisiert wird, und nicht nur im Hinblick auf Gesetzesformulierungen, die man nicht einmal aus dem Urteil abschreiben kann, sondern auch im Hinblick auf Datensicherheit und die Bereiche, die ausgenommen werden sollen.

Parallel dazu findet auf EU-Ebene derzeit eine Evaluation statt, an der wir uns zu beteiligen haben, was wir auch tun. Die Prüfung erfolgt auch auf der Grundlage der EU-Grundrechtecharta, die in Kraft getreten ist. Von daher werden wir und werde ich als zuständige Ministerin sehr verantwortungsvoll mit diesem so sensiblen Thema umgehen, wobei wir uns aber auch diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes in ihrer gesamten Tragweite auch im Hinblick auf zukünftige Projekte immer bewusst machen müssen.

Herr Schurer, Sie haben einige Punkte angesprochen, auf die ich nur sehr kursorisch eingehen kann. Das allgemeine Gespenst der Privatisierung muss hier nicht an die Wand gemalt werden. Ich sage ganz deutlich: Alles, was nur mit einer Grundgesetzänderung möglich ist - dazu haben wir eine pauschale Aussage in unserem Koalitionsvertrag -, werden wir nicht vorrangig als Thema der Koalitionsregierung und der Fraktionen angehen. Das haben wir ausdrücklich so vereinbart, sodass wir uns damit befassen werden, was außerhalb der Ebene einer Grundgesetzänderung möglich ist. Ich glaube, das kann schon als eine gewisse Bewertung aufgenommen werden.

Aber wir müssen uns auch mit einer Fülle von Vorschlägen aus den Ländern - über Ländergrenzen hinweg, nicht nur aus Ländern, in denen wir eine CDU/FDP-Regierung oder CSU/FDP-Regierung haben - befassen und gerade auch das Testamentsregister als erstes Projekt forcieren. Das werden wir intensiv tun.

Zum Mietrecht haben wir viele Punkte vereinbart. Dort werden wir und werde ich genau hinsehen: Was gehen wir zuerst an? Natürlich gehen wir das Thema Mietnomaden an. Dabei geht es um das Berliner Modell oder darum, eine deutliche Beschleunigung des Vollstreckungsverfahrens zu erreichen. Das dient allen.

Natürlich werden wir uns auch mit Luxussanierungen beschäftigen.

Ich sage ganz klar: Was die Kündigungsvorschriften im Mietrecht angeht, werde ich überhaupt nur dann aktiv, wenn alle Koalitionsfraktionen voller Herzblut sagen: Genau das muss jetzt geschehen. Von daher wenden wir uns zunächst einmal den anderen Punkten zu.


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Quelle:
Bulletin Nr. 28-3 vom 18.03.2010
Rede der Bundesministerin der Justiz, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
zum Haushaltsgesetz 2010 vor dem Deutschen Bundestag am 18. März 2010 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. März 2010