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REDE/026: Zypries - Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, 18.06.09 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Rede der Bundesministerin der Justiz, Brigitte Zypries, zum Entwurf eines Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung vor dem Deutschen Bundestag am 18. Juni 2009 in Berlin


Meine sehr geehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen!

Wir ziehen mit diesem Gesetzentwurf eine wichtige Lehre aus der Finanzmarktkrise; das ist schon gesagt worden. Wir steuern um, weil wir erkannt haben, dass einer der wesentlichen Gründe für diese Finanzmarktkrise das Vergütungssystem für Managerinnen - es gibt allerdings nur wenige von ihnen - und Manager war. Das ist ein Befund, der heute von allen geteilt wird, auch von allen weltweit tätigen Instituten. Unser Gesetzentwurf sieht nun vor, dass wir da hineingrätschen und sagen: Ganz so wie bisher geht es nicht mehr.

Aber, liebe Thea Dückert, es kann nicht sein, dass wir Sonderregelungen für Manager schaffen, indem wir festlegen, sie müssten in anderer Weise persönlich haften, als es ansonsten in dieser Gesellschaft üblich ist, und alle Last der Haftung bei den Vorständen abladen. Das kann nicht funktionieren, denn wir müssen durchaus die Bereitschaft von Vorständen aufrechterhalten, verantwortlich unternehmerische Entscheidungen zu treffen. Hinterher sieht sowieso immer alles anders aus und man weiß alles besser als in dem Moment, in dem die Entscheidung getroffen wurde. Insofern muss man es meines Erachtens sinnvoll regeln, und, ehrlich gesagt, meine ich auch, dass wir dies hier geschafft haben. Dazu will ich nun etwas sagen.

Zunächst noch einmal zum Grundsätzlichen: Es ist richtig, dass Vorstandsvergütungen auch aus variablen Bestandteilen bestehen. Wir haben uns aus gutem Grund vor einigen Jahren von der Festvergütung verabschiedet, weil wir meinten, es müssten etwas stärkere Leistungsanreize gesetzt werden können. Aber wir haben jetzt festgestellt, dass dies eine Frage der Kriterien ist. Wenn die Bemessungsgrundlage nur die letzten Quartalszahlen oder ein Börsenkurs zu einem bestimmten Stichtag ist, dann greift dies eben zu kurz. Das ist dann kein Anreiz zur Leistung, sondern ein Stimulus, um Leistung zu simulieren. Das verleitet dazu, leichtfertig Risiken einzugehen, um kurzfristige Scheinerfolge zu erzielen. Der langfristige Erfolg eines Unternehmens kommt bei solchem Vorgehen zu kurz.

Dass der Befund, es habe eine Fehlentwicklung stattgefunden, von allen geteilt wird, habe ich eben schon einmal gesagt. Es ist deshalb richtig, dass nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern - heute waren die Zeitungen voll von Informationen über das, was in Amerika gemacht wird - überlegt wird, was Politik machen muss, um Markt zu regeln. Schließlich müssen wir aus der Krise die Erkenntnis ziehen: Der Markt allein kann es nicht. Deshalb ist klar: Der Markt braucht Regeln, wenn er funktionieren soll. Ohne Regeln besteht sogar die Gefahr - so scheint es jetzt wenigstens -, dass er sich selbst zerstört. Solche Regeln liegen nicht nur im Interesse der Unternehmen, sondern auch im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und der Standortgemeinden. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind darauf angewiesen, dass sie längerfristig Arbeitsplätze haben. Die Kommunen in Deutschland sind für ihre Haushaltsplanungen darauf angewiesen, dass sie regelmäßige Gewerbesteuereinnahmen haben. Deshalb ist das, was wir tun, für die Struktur dieser Gesellschaft insgesamt wichtig.

Was tun wir für mehr Langfristigkeit?

Erstens. Wir legen im Gesetz fest, dass die Aufsichtsräte die Vergütungsstruktur auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung hin ausrichten müssen.

Zweitens bestimmen wir, dass die variablen Vergütungsbestandteile eine mehrjährige Bemessungsgrundlage haben müssen.

Drittens verlängern wir bei den Aktienoptionen die Haltefrist von zwei auf vier Jahre. Frau Dr. Dückert, auch hier ist es so, dass man sich schon darüber im Klaren sein muss, dass das ein Eingriff in Eigentum ist. Nach der Kritik an der Verlängerung der Haltefrist auf bloß vier Jahre wollte ich darauf nur kurz hinweisen. Man muss versuchen, irgendwie eine sinnvolle Regelung zu finden; denn das, was wir vorhaben, ist - ich wiederhole - ein Eingriff in Eigentumsrechte. Man kann nicht einfach sagen: Der Besitz von Aktienoptionen ist zwar legal, aber die nächsten 20 Jahre dürft ihr als Eigentümer damit nichts anfangen. Das kann nicht funktionieren. Deswegen muss man - das meine ich wenigstens - einen vernünftigen Mittelweg bei der Haltefrist finden.

Mehr Langfristigkeit bei der Berechnung der Boni hat noch einen weiteren wichtigen Effekt: Die Vorstandsgehälter nehmen künftig an der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens teil, und zwar nicht nur am Erfolg, sondern auch am Misserfolg. Es gibt also eine Malusregelung; es ist nicht so, dass wir keine geschaffen haben. Ich meine, eine solche Regelung ist wichtig; denn jeder, der risikoreiche Entscheidungen fällt, muss wissen, dass es im Zweifel auch ihn persönlich treffen kann, wenn es schiefgeht. Wir senden damit das richtige Signal.

Aufgrund dieser Erkenntnis erweitern wir die Möglichkeiten, Vorstandsbezüge zu kürzen. Wenn man in Boomzeiten Millionengehälter vereinbart hat und ein Unternehmen später in der Krise steckt, dann darf man nicht nur den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Opfer zumuten. Dann müssen künftig auch - das muss völlig klar sein - Vorstandsgehälter gekürzt werden.

Von meinen Vorrednern wurde schon die Versicherung für die Managerhaftung angesprochen. Der Gesetzentwurf schreibt ausdrücklich einen Selbstbehalt vor und stellt auch damit sicher, dass Eigenverantwortung zu übernehmen ist.

Vierter Punkt: Transparenz. Wir wollen, dass alle Aufsichtsratsmitglieder die Verantwortung für die Bezahlung der Vorstände mittragen. Wir haben auch darüber diskutiert, inwieweit über die Bezahlung der Vorstände auf einer Hauptversammlung entschieden werden sollte. Aber wir haben da festgestellt: Die Regelung muss in gewisser Weise auch praktikabel sein. Wenn man extra eine Hauptversammlung einberufen muss, um einen ausgeschiedenen Vorstand zu ersetzen, dann ist das alles andere als praktikabel. Wir haben deshalb gesagt: Es geht um Transparenz, und somit müssen die Aufsichtsräte in toto aktiv werden und nicht mehr einzelne Ausschüsse, die nur aus wenigen Personen bestehen. Das ist auf alle Fälle eine Maßnahme, die für die Transparenz sorgt, die wir wollen. Bekanntlich sind die Aufsichtsräte in Deutschland ja paritätisch besetzt, und von daher ist hinreichende Transparenz gegeben. Wir nennen das, was ich meine: paritätische Mitbestimmung in Deutschland.

Wir haben darüber hinaus jedoch vorgesehen - das ist ein Schritt in die gewünschte Richtung -, dass die Hauptversammlung künftig ein Votum über die Struktur des Vergütungssystems abgeben kann, das der Aufsichtsrat dann umsetzen kann. Ich glaube, das ist ein vernünftiger Kompromiss.

Ein fünfter Punkt, der für eine gute und transparente Unternehmensführung wichtig ist und der auch Vertrauen in die Unternehmen schaffen soll, ist die vorgesehene Karenzzeit für den Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat. Das ist ein sehr umstrittenes Thema, vor allen Dingen für diejenigen, die es betrifft. Die Argumente zu dieser Thematik sind schon lange ausgetauscht worden; denn darüber diskutieren wir schon seit vielen Jahren. Der Gesetzgeber hatte deshalb schlicht eine Abwägung zu treffen. Es geht einerseits um die Erhaltung von Wissen um Interna im Unternehmen - ein Grund, weshalb viele gesagt haben, dass es vernünftig ist, dass ein Wechsel stattfinden kann -, andererseits geht es um die Vermeidung von Interessenkonflikten, sprich: Die Kontrolleure im Aufsichtsrat können schlecht das kontrollieren, was sie vorher verbockt haben.

Ich glaube, dass wir hier eine vernünftige Lösung gefunden haben. Sie ähnelt der Lösung zur Offenlegung von Managergehältern. Wir haben vereinbart, dass wir die Offenlegung im Grundsatz vorschreiben, aber wenn sich ein bestimmtes Quorum der Hauptversammlung dagegen ausspricht, dann akzeptieren wir das; denn es gilt der Grundsatz: Die Aktionäre sind die Eigentümer des Unternehmens. Die Aktionäre müssen bestimmen können, was passiert. Im Falle der Karenzzeit ist es genauso. Im Grundsatz gibt es eine Abkühlungsperiode, aber wenn sich Aktionäre mit Stimmrechten von mehr als 25 Prozent für einen Verzicht auf die Karenzzeit aussprechen, weil sie ein Mitglied des Vorstands im Aufsichtsrat haben möchten, dann ist das möglich. Von daher bleibt die Verantwortung der Aktionäre, also der Eigentümer des Unternehmens, erhalten. Das halte ich persönlich für richtig, weil wir als Gesetzgeber nicht den Eindruck erwecken dürfen, als würden wir allzu viel regeln. Es gilt nämlich nach wie vor: Eigentümer eines Unternehmens müssen Verantwortung übernehmen.

Das Gute an solchen Regelungen ist, dass sich vielleicht manche Aktionäre überlegen, sich um ihre Aktiengesellschaft zu kümmern, statt nur wie einige darauf aus zu sein, einen schnellen und guten Schnitt mit der Aktie zu machen. Was wir den Vorständen vorwerfen, gilt in gewisser Weise auch für die Aktionäre, die bisher auch zu wenig Verantwortung übernommen haben. Ich halte es für keine schlechte Idee, das aneinander zu koppeln.


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Quelle:
Bulletin Nr. 71-2 vom 18.06.2009
Rede der Bundesministerin der Justiz, Brigitte Zypries,
zum Entwurf eines Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung
vor dem Deutschen Bundestag am 18. Juni 2009 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juni 2009