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PROZESSE/018: Gericht verurteilt aramäische Aktivistin wegen Soli-Konzert von Grup Yorum (Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen)


Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen - 06.06.2020

Augsburger Gericht verurteilt aramäische Aktivistin wegen Soli-Konzert von Grup Yorum in Syrien!


Am 05.06.2020 wurde um 14:30 Uhr die Gerichtsverhandlung beim Augsburger Amtsgericht wegen des angeblichen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz gegen eine aramäische Aktivistin der Revolutionäre Suryoye fortgesetzt.

Zum 100-Jährigen Gedenken an den Völkermord an den Aramäern 1915 in der Türkei haben sich intellektuelle Aramäer aus Tur Abdin zusammengeschlossen und 2015 in Midyat die Volksbewegung Revolutionäre Suryoye (aramäisch: Suryoye Qauwonye) gegründet.

Neben der Aktivistin aus Augsburg erhielten sieben weitere Aramäer Strafbefehle von Gerichten in Bayern und Baden-Württemberg. Bei ihnen handelt es sich um die Betroffenen der am 2. Oktober 2018, nur drei Tage nach dem Staatsbesuch Erdogans in Deutschland, bundesweit durchgeführten Razzien.

Den Aktivisten wird vorgeworfen, auf der Augsburger Mai-Demonstration 2018 gegen das Vereinsgesetz verstoßen zu haben.

Nach Auffassung der Behörden führten sie Fahnen der (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) DHKP-C mit sich, tatsächlich handelte es sich in allen Fällen um Flaggen der "Kommunistischen Aramäer Mesopotamiens" (SGB) mit Hammer und Sichel auf rotem Grund.

Bei SGB (aramäisch: Suryoye Gawonoye d'Bethnahrin) handelt es sich um einen Zusammenschluss, der im Jahr 2017 zum 100-jährigen Gedenken an die sozialistische Oktoberrevolution 1917 durch die aramäische Volksbewegung Revolutionäre Suryoye gegründet wurde.

Bei der ersten Verhandlung hatte die Richterin jeglichen Beweisantrag und Zeugen, die der Rechtsanwalt Mathes Breuer für die Verhandlung für eine sachkundige Zeugenbefragung gestellt hatte, ohne jegliche Begründung abgelehnt.

Das Gericht beruft sich auf ein Schreiben des Bayrischen Verfassungsschutzes, in dem es heißt, dass die Flagge der Kommunistischen Aramäer Mesopotamiens die Flagge der verbotenen marxistisch-leninistischen DHKP-C sei. Weiter heißt es vom Bayrischen Verfassungsschutz, es sei die Flagge des militärischen Armes der DHKP-C, also die Flagge der DHKC.

Rechtsanwalt Mathes Breuer hatte eine schriftliche Bestätigung mit Bildvorlage vom Bundesinnenministerium dem Gericht vorgelegt, in dem die Flagge der Kommunistischen Aramäer Mesopotamiens als nicht verboten eingestuft worden ist und erklärt wurde, dass diese Symbolkombination in Deutschland nicht strafbar sei.

Nun wurde dieser Beweisantrag von der Richterin ebenfalls ohne Begründung abgelehnt. Damit hat das Gericht die Sachkenntnisse des Bundesinnenministeriums dem Bayrischen Verfassungsschutz hierarchisch untergeordnet.

Rechtsanwalt Mathes Breuer hat in seinem Plädoyer nochmals bekräftigt, dass die Flagge der DHKC nur eine doppelte Sternenkombination auf einem roten Grund und die Flagge der SGB klar und deutlich Hammer und Sichel in dem Stern hat und dass sich somit die Flaggen objektiv und im Detail voneinander unterscheiden.

Diese und weitere Tatsachen und Beweise ignorierte die Richterin des Amtsgerichts Augsburg und verurteilte die 24-Jährige aramäische Aktivistin der Revolutionäre Suryoye, die in Syrien geboren worden ist, zu einer Geldstrafe in Höhe von 1800,00 EUR.

Das Urteil wurde von der Richterin damit begründet, dass die aramäische Aktivistin als Revolutionäre Suryoye ein Solidaritätskonzert der sozialistischen Musikband Grup Yorum, welches 2013 in Syrien stattgefunden hat, in Facebook veröffentlichte und dass damit eine sogenannte Sympathie für die DHKP-C nachgewiesen wäre.

Die aramäische Aktivistin und ihr Rechtsanwalt Mathes Breuer haben das Urteil nicht akzeptiert und sind in Berufung gegangen.

Der Volksrat der Aramäer aus Europa kritisiert dieses Urteil des Augsburger Amtsgerichts gegen eine aramäische Aktivistin, die wegen des Krieges in Syrien, der sowohl von den imperialistischen USA und Europa als aber auch der faschistischen türkischen Regierung der AKP organisiert worden ist und der Millionen Tote und Flüchtlinge verursacht hat, die deswegen sogar selbst geflohen ist und nun in Deutschland ebenfalls verfolgt wird, aufgrund eines Beitrages in den Sozialen Medien, wo für die Brüderlichkeit der Völker ein Konzert von Grup Yorum in Syrien geworben wurde. Sie deshalb zu verurteilen und damit auch zu kriminalisieren ist inakzeptabel und ein Skandal.

Wir fordern ein sofortiges Beenden der Kriminalisierung von linken aramäischen Aktivisten und die Einstellungen der Verfahren gegen alle Mitglieder der Revolutionäre Suryoye.

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Quelle:
Pressemitteillung vom 6. Juni 2020
Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen
E-Mail: hamburg@political-prisoners.net
Internet: http://political-prisoners.net


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Juni 2020

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