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MENSCHENRECHTE/059: Libyen - Intervention des Internationalen Strafgerichtshofs gefordert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. August 2015

Libyen: "Entführungsepidemie" - Intervention des Internationalen Strafgerichtshofs gefordert

von Cornelius Boudewijn


DEN HAAG (IPS) - Die Menschenrechtsorganisation 'Amnesty International' hat den Weltstrafgerichtshof (ICC) angesichts der "endemischen Entführungen" in Libyen zum Handeln aufgefordert. Obwohl bewaffnete Gruppen in dem nordafrikanischen Land seit vier Jahren schwere Verbrechen gegen die Menschlichkeit begingen, sei eine Intervention des Haager Tribunals ausgeblieben.

An die internationale Gemeinschaft richtete die sieben Millionen Mitglieder zählende Organisation den Appell, den ICC bei der Untersuchung der Verbrechen im Anschluss an den Sturz des ehemaligen Machthabers Muammar al-Gaddafi 2011 zu unterstützen. Gaddafi hatte Libyen vier Jahrzehnte lang regiert.

Wie die Libysche Rot-Kreuz-Gesellschaft berichtete, wurden allein zwischen Februar 2014 und April 2015 in Libyen 600 Menschen verschleppt. "Von 378 Entführungsopfern fehlt jede Spur. Die Dunkelziffer dürfte noch deutlich höher sein", so Amnesty in einer Pressemitteilung vom 5. August.

Laut Said Boumedouha, Direktor des Nordafrika- und Nahost-Programms von Amnesty, leben in Libyen Zivilisten "auf Messers Schneide". Landesweit herrschten Rechtslosigkeit, Chaos und Straffreiheit.


Misshandlung, Folter und Tod

Entführungsopfer werden in aller Regel misshandelt und/oder gefoltert. "Viele werden geschlagen, mit dem Tode bedroht oder müssen tagelang Augenbinden tragen. Sie werden verbal und körperlich attackiert, mit Elektroschocks traktiert oder zur Einnahme anstrengender Körperhaltungen gezwungen", so Amnesty.

Viele sterben an den Folgen der Gewalt, andere werden kurzerhand hingerichtet. Ihre Leichen tauchen später an Straßenrändern auf. Bei den Verschleppten handelt es sich um Aktivisten, Staatsbedienstete und Zivilisten. Oftmals sind die geographische Herkunft oder der bloße Verdacht, einer rivalisierenden Miliz anzugehören, für die Entführung ausschlaggebend. Die Betroffenen dienen der Beschaffung von Erpressungsgeldern und dem Austausch von Gefangenen.

Zu den prominenteren Entführungsopfern gehören der 71-jährige ehemalige libysche Parlamentsabgeordnete Suleiman Zobi und der Bürgerrechtler und Blogger Abdel Moez Banoun. Letzerer war im letzten Jahr aus einem parkenden Auto heraus entführt worden, nachdem er die Anwesenheit bewaffneter Milizen in Tripolis kritisiert und entsprechende Proteste organisiert hatte.

Der Staatsanwalt Nasser al-Jaroushi hatte vor seiner Entführung den Mord an der Menschenrechtsaktivistin Salwa Bugaighis untersucht und gegen mehrere Drogengangs ermittelt. Die Entwicklungshelfer Mohamed al-Tahrir Aziz, Mohamed al-Munsaf al-Shalali und Waleed Ramadan Shalhoub wurden am 5. Juni verschleppt. Sie waren mit Hilfslieferungen für umkämpfte Städte im Südwesten Libyens unterwegs gewesen.

Gefährlich ist die Lage in Libyen auch für Arbeitsmigranten, ausländische Diplomaten sowie für Menschen aus Tawargha, der Hochburg der ehemaligen Gaddafi-Getreuen, die auf Seiten der Soldaten gegen die Rebellen gekämpft hatten. Sie flohen 2011 vor Vergeltungsschlägen aus der libyschen Küstenstadt. Die Mehrheit von ihnen stammt aus Subsahara-Afrika. (Ende/IPS/kb/10.08.2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/08/amnesty-wants-international-criminal-court-to-intervene-in-libya/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. August 2015

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