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MENSCHENRECHTE/038: USA - Profiteure des Elends, private Strafvollzugsanstalten am Pranger (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. August 2011

Menschenrechte: Profiteure des Elends - Private Strafvollzugsanstalten am Pranger

Von Kanya D'Almeida


Washington, 26. August (IPS) - In den USA saßen Ende letzten Jahres 2,4 Millionen Menschen hinter Gittern und sieben Millionen in Besserungsanstalten. Damit beherbergen die Vereinigten Staaten ein Viertel aller Gefängnisinsassen weltweit. Insgesamt durchlaufen jedes Jahr 13 Millionen Menschen die vorhandenen privaten und staatlichen Zuchthäuser. Die Kosten für die Unterbringung der Gefangenen schätzt der 'Black Congressional Caucus', die Interessenvertretung schwarzer US-Kongressabgeordneter, auf 68 US-Dollar pro Person und Tag.

In ihrem Buch 'The New Jim Crow: Mass Incarceration in the Age of Colorblindness' ('Der neue Jim Crow: Masseninternierung im Zeitalter der Farbenblindheit') berichtet Michelle Alexander, dass sich die Zahl der Gefangenen trotz einer rückläufigen Kriminalitätsrate in den letzten zwei Jahrzehnten verfünffacht hat.

Die kostenintensive Unterbringung von Häftlingen in den existierenden Indigenen- und Jugendgefängnissen, militärischen, lokalen oder überseeischen Haftzentren oder in den Einrichtungen, die von den Einwanderungsbehörden betrieben werden, stellt für den US-Haushalt eine enorme Belastung dar. Für die privaten Betreiber und ihre Aktionäre kann die Häftlingszahl jedoch nicht hoch genug sein.

Wie aus einem Bericht der Denkfabrik 'Justice Policy Institute' hervorgeht, die sich für eine Reform des US-amerikanischen Strafvollzugs einsetzt, beliefen sich die Einkünfte der beiden größten privaten Gefängnisunternehmen - der 'Corrections Corporation of America' (CCA) und der GEO-Gruppe - im letzten Jahr auf 2,9 Milliarden Dollar. Der unter dem Titel 'Gaming the System' ('Vom System profitieren') veröffentlichte Report kommt ferner zu dem Schluss, dass die Zahl der in privaten Anstalten einsitzenden Häftlinge seit 2000 um 120 Prozent und der in staatlichen Einrichtungen inhaftierten Personen um 33 Prozent gestiegen ist.


Häftling als Ware

Der Studie zufolge geben die privaten Unternehmen meist vor, lediglich einen bestehenden Bedarf an Gefängnisbetten zu decken. Tatsächlich jedoch hätten sie in den letzten zehn Jahren alles daran gesetzt, um neue Märkte für ihre Produkte zu erschließen. "Da sich die Einnahmen des privaten Strafvollzugs im Verlauf der letzten zehn Jahre erhöhten, standen den Unternehmen mehr Mittel für den Ausbau ihres politischen Einflusses zur Verfügung, den sie einsetzten, um politische Entscheidungen herbeizuführen, die zu höheren Häftlingszahlen führten."

Die privaten Strafvollzugsfirmen machen kein Geheimnis daraus, dass sie die Verwahrung von Menschen, auch in Fällen, in denen die Strafe im Verhältnis zur Straftat unverhältnismäßig hoch erscheint, aus einer wirtschaftlichen Perspektive betrachten. So heißt es im Jahresbericht der CCA 2010, dass eine Lockerung des US-amerikanischen Strafrechts etwa im Umgang mit Migranten und Drogenkonsumenten die Nachfrage nach den privaten Einrichtungen und Leistungen schmälern würde.

Tatsächlich steuert die Gefängnisindustrie Angebot und Nachfrage, um sich einen expandierenden Markt für ihre Produkte und Leistungen zu sichern. Der Erfolg ihrer Lobbyarbeit bringt viele junge Straftäter um die Chance, mildernde Umstände geltend zu machen. Die Hälfte aller US-Gefangenen - mehrheitlich afro-amerikanische Männer - sitzt wegen Drogenbesitzes hinter Gittern.

Nachdem bekannt geworden ist, dass seit dem Amtsantritt von US-Präsident Barack Obama 2008 eine Million Migranten die Haftzentren der US-Einwanderungsbehörden durchlaufen haben, kämpfen Bürgerrechtsorganisationen und Migrantenhilfswerke an vorderster Front gegen den privaten Strafvollzug.


Privater Einfluss auf US-Rechtsprechung

Im Mai, als der Gouverneur des US-amerikanischen Bundesstaates Georgia das Gesetz 87 billigte - die lokale Version des berüchtigten Anti-Einwanderungsgesetzes von Arizona - zeigten Bürgerrechtler auf die kommerziellen Gefängnisse und gaben den Lobbyisten der Unternehmen die Schuld an der Verabschiedung der schlimmsten Einwanderungsgesetze in der jüngsten US-Geschichte.

Larry Pellegrini von der Nichtregierungsorganisation 'Georgia Rural Urban Summit' zufolge gelang es der CCA damals, zahlreiche Abgeordnete für sich einzunehmen. Das Gesetz für Georgia sei im Rahmen einer landesweiten Initiative des konservativen 'American Legislative Exchange Council' (ALEC) verabschiedet worden, einer Taskforce, der auch ein Vertreter der privaten Gefängnisunternehmen angehörte und die bereits das umstrittene Gesetz von Arizona entworfen hatte.

Aus dem Report 'Gaming the System' geht ferner hervor, dass CCA, GEO und 'Cornel Companies', das drittgrößte private US-Strafvollzugsunternehmen, zwei Millionen Dollar ausgaben, um sich den Rückhalt von Senatoren und Mitgliedern des Repräsentantenhauses zu sichern.

'Enlace', eine Allianz aus US- und mexikanischen Gewerkschaften, hat nun eine Deinvestment-Kampagne gegen die Gefängnisindustrie losgetreten, die deren Einfluss auf das staatliche Rechtssystem verringern soll. "Menschen einzusperren, um aus ihnen Kapital zu schlagen, ist ein inakzeptables Geschäft", sagte dazu der Enlace-Chef Peter Cervantes-Gautschi. "Wir müssen ein System zu Fall bringen, das die Steuerzahler Millionen kostet und dass gleichzeitig unermessliches Leid hervorruft." (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://thecongressionalblackcaucus.com/
http://www.justicepolicy.org/index.html
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=104877

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 26. August 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. August 2011