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MENSCHENRECHTE/027: Warum Menschenrechte allgemeingültig sind (impulse - Uni Bremen)


Universität Bremen - impulse aus der Forschung - Nr. 2 / WS 2007/2008

Frei und gleich
Warum Menschenrechte allgemeingültig sind

Von Stephan Philipp


Menschenrechte, die global gelten, sollten von Menschen aus allen Teilen der Welt akzeptiert werden können. Die Begründung dieser Rechte muss daher im internationalen Diskurs für alle Menschen nachvollziehbar sein, egal welcher kulturellen Herkunft sie sind. Eine Studie an der Universität Bremen untersuchte philosophische Theorien zur Gültigkeit allgemeiner Regeln und zeigt die Bedeutung der Distanz zu Eigen-Interessen auf.

Zwar haben die Vereinten Nationen Mitte des 20. Jahrhunderts auf diesem Gebiet wegweisende Vereinbarungen getroffen, dennoch herrscht weltweit große Uneinigkeit über das, was jedem Menschen zusteht. Ob etwa jeder seine Meinung frei äußern oder sogar am politischen Geschehen seines Landes mitwirken darf, darüber halten die Debatten zwischen den Ländern und Kulturen an.

Manche arabisch-islamischen Staaten weigern sich zum Beispiel, die Gleichstellung von Männern und Frauen umzusetzen, während einige ostasiatische Staaten Rechte der Informationsfreiheit und Rechte zur Bildung von Vereinigungen missachten. Aber auch in den sogenannten westlichen Ländern werden längst nicht alle Menschenrechte konsequent umgesetzt. Diese Länder werfen sich zum Beispiel gegenseitig die Anwendung der Todesstrafe vor.

Menschenrechte zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie für alle Menschen allein aufgrund ihres Menschseins gelten sollen. Bei den Begründungen ist es daher von Vorteil, auf religiöse oder kulturelle Bezugspunkte zu verzichten. Benötigt werden daher solche Begründungen, die mit rationalen Argumenten arbeiten, die von einer allen Menschen gemeinsamen Vernunft nachvollzogen werden können.

Eine Arbeit im Studiengang Philosophie der Universität Bremen untersuchte drei ethische Theorien von bedeutenden philosophischen Autoren, die in dieser Weise argumentieren und einen enormen Einfluss auf die momentan laufenden Debatten ausüben. Sie vergleicht die Erfordernisse dieser Theorien mit den aktuellen globalen Strukturen. Dabei stellen sich zum einen theorieinterne Schwierigkeiten heraus. Zum anderen zeigen sich enorme Defizite beim Vergleich von moralisch gestellten Anforderungen und tatsächlicher weltpolitischer Sachlage.


Der Standpunkt der Allgemeinheit

Der deutsche Philosoph Jürgen Habermas schreibt, dass die Menschenrechte, so wie sie in den internationalen Konventionen des 20. Jahrhunderts festgeschrieben sind, genau solche Rechte darstellen, auf die sich Menschen einigen würden, wenn sie sich in einem freien Meinungsaustausch befänden, an dem jeder Mensch ungehindert und uneingeschränkt teilnehmen kann. In einem solchen freien Diskurs über die Normen, meint Habermas, könne nur einem Ergebnis zugestimmt werden, mit dem alle an den Folgen der Norm Beteiligten zufrieden sein können.

John Rawls meint, dass gerechte Normen wie die Menschenrechte durch eine Reflexion erkannt werden sollen. In dieser Reflexion sollen die Menschen von ihrer gesellschaftlichen Position und allen sonstigen Eigenschaften ihrer Person abstrahieren, um einen allgemein vorteilhaften Status der Normen zu garantieren. Der Amerikaner Rawls postuliert aber im Gegensatz zu Habermas keine politischen Menschenrechte.

Ein anderer deutscher Philosoph, Otfried Höffe, formuliert, dass Menschenrechte und ähnliche Normen mit einem gerechten Austausch zwischen den Menschen begründet werden sollen. Er bezieht sich auf die Goldene Regel: Was du nicht willst, das man dir tut, das füge auch keinem anderen zu. Für Höffe sind Menschenrechte Ausdruck dieses Tausches zwischen Rechten und Pflichten. Auch er kommt wie Habermas zu dem Ergebnis, dass die Menschenrechte der Konventionen des 20. Jahrhunderts rechtmäßig sind.

Innerhalb dieser Theorien fällt auf, dass, obwohl es sich hauptsächlich um Prozedere handelt, die eingehalten werden sollen, die Persönlichkeiten der Akteure eine entscheidende Rolle einnehmen. Alle drei Theorien sind auf eine genuin psychologisch-moralische Eigenschaft angewiesen, auf die Fähigkeit, von eigenen egoistischen Interessen abzusehen und sich auf den Standpunkt der Allgemeinheit einzulassen.


Moralische Qualitäten der Entscheider

Schon in der Betrachtung der nationalen Strukturen fällt auf, dass sich die Politik oft gerade nicht nach dem Interesse einer wirklichen Allgemeinheit, die alle Menschen gleichermaßen einbezieht, richtet, sondern partikulare Gruppen und Interessen bevorzugt. Noch gravierender zeigt sich dies auf den globalen politischen Ebenen. Dadurch, dass innerhalb der UN etwa den Supermächten Veto-Rechte eingeräumt werden, besteht die Gefahr, dass diese Machtposition für eigene Interessen ausgenutzt wird.

Gerade bei der Bestimmung von globalen Normen wie den Menschenrechten kommt es entscheidend auf die moralischen Qualitäten der Interessenvertreter an, um gerechte Ergebnisse zu gewährleisten. Wenn beispielsweise die Gleichstellung von Männern und Frauen zur Debatte steht, aber die entscheidungsbefugten Personen hauptsächlich solche Männer sind, die kein Interesse daran haben, sich von einem allgemeinen Standpunkt aus zu entscheiden, kann es nicht verwundern, wenn die Abstimmungen keine wirklich gerechten Ergebnisse darstellen. Die Fähigkeit zur Abstraktion von eigenen Interessen muss daher zunächst erlernt werden. Ist diese Fähigkeit erst einmal vorhanden, gilt es, entscheidungsbefugte Personen sowohl auf der staatlichen als auch auf der überstaatlichen Ebene im ausreichenden Maße zu solch einem Verhalten zu motivieren. Ansonsten besteht die Gefahr, dass erreichte Entscheidungen keine moralisch hinreichende Qualität aufweisen und damit ihre Allgemeingültigkeit in Frage gestellt ist.


Stephan Philipp studierte Philosophie, Arbeitswissenschaften und Frauen- und Geschlechterstudien an den Universitäten Bremen und Oldenburg. Schwerpunkte seiner Arbeit waren politische und Rechtsphilosophie. Außerhalb des Studiums hat er Diskussionsrunden und Präsentationen realisiert. Im Fachbereich Arbeitswissenschaften hielt er Seminare zum wissenschaftlichen Arbeiten.


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Quelle:
Universität Bremen - impulse aus der Forschung
Nr. 2 / WS 2007/2008, Seite 16-17
Herausgeber: Rektor der Universität Bremen
Redaktion: Eberhard Scholz (verantwortlich)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. April 2008