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MELDUNG/609: Anwaltstag 2019 - Warnung vor weiterer Aushöhlung der Beschuldigtenrechte (DAV)


Deutscher Anwaltverein (DAV) - Berlin, 16. Mai 2019
70. Anwaltstag vom 15. bis 17. Mai 2019 in Leipzig

StPO-Reform: DAV warnt vor weiterer Aushöhlung der Beschuldigtenrechte


Leipzig/Berlin (DAV). Die Eckpunkte der Bundesregierung zur Reform der Strafprozessordnung (StPO) sehen weitreichende Maßnahmen vor, die erneut die Argumentationslinie der angeblich prozessbehindernden Strafverteidigung bedienen. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) tritt der weiteren Einschränkung von Verfahrensrechten entschieden entgegen. Dass sich Politik und Justiz zugleich bei der Dokumentation der Hauptverhandlung derart sträuben, bleibt unverständlich.

Nach derzeitigem Stand bietet die StPO bereits ausreichend Möglichkeiten zur Ablehnung missbräuchlicher Befangenheits- und Beweisanträge. Erst im Sommer 2017 wurde zudem eine Einschränkung des Beweisantragsrechts durch die Möglichkeit der Fristsetzung für Beweisanträge eingeführt. Die nun vorgesehene Abkehr vom Erfordernis einer "wesentlichen" Verfahrensverzögerung birgt das Risiko einer vorschnellen Ablehnung, da jeder Beweisantrag das Verfahren zumindest minimal verzögern kann. Bevor keine Evaluation der letzten Maßnahmen erfolgt ist, entbehren weitere Einschränkungen ohnehin jeglicher Grundlage.

"Beweisantragsrechte sind das verfassungsrechtlich verbürgte Recht des Angeklagten auf sachliche Teilhabe am Beweisstoff", mahnt Rechtsanwältin und Notarin Edith Kindermann, Präsidentin des Deutschen Anwaltvereins. "Sie dienen nicht der Verfahrensbehinderung, sondern sind oft die einzige Möglichkeit des Angeklagten, auf die Beweiserhebung in der Hauptverhandlung Einfluss nehmen zu können." Da es im Strafverfahren keinen Anspruch auf ein Rechtsgespräch gebe, würden Beweisanträge oft gestellt, um das Meinungsbild des Gerichts zu eruieren - das sei Teil eines fairen Verfahrens.

Der Möglichkeit zur Bündelung der Nebenklage ist der DAV gegenüber offen. "Wir haben keine generellen Vorbehalte gegen Maßnahmen zur Prozessökonomie von Strafverfahren", so Kindermann, "nur gegen solche Vorhaben, durch die Beschuldigtenrechte verkürzt werden."

Die Einführung einer audiovisuellen Dokumentation der Hauptverhandlung ist hingegen von übergeordneter Bedeutung - gerade auch aus prozessökonomischen Gesichtspunkten. Das Ergebnis wären nicht nur weniger Fehler bzw. eine bessere Beweisbarkeit von Rechtsfehlern, sondern gerade auch die Vermeidung zeitraubender Rekonstruktionen von Zeugenaussagen oder gar von Doppelprozessen bei Richterwechseln. Im EU-Vergleich liegt der deutsche Strafprozess, in dem es grundsätzlich keine Wortprotokolle gibt, in Sachen Dokumentation auf den hintersten Plätzen.

Der DAV wird sich weiter dafür einsetzen, dass durch den Pakt für den Rechtsstaat der Zugang zum Recht nicht eingeschränkt, Bürgerrechte nicht beschnitten und Rechtsdurchsetzung nicht erschwert wird. Die DAV-Präsidentin betont: "Die Geltendmachung von Rechten, die der Staat aus wohl erwogenen Gründen eingeräumt hat, darf nicht als rechtsmissbräuchlich gebrandmarkt werden."

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Alle Informationen mit dem aktuellen Programm gibt es unter
www.anwaltstag.de.

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Quelle:
Pressemitteilung DAT 5/19 vom 16. Mai 2019
Deutscher Anwaltverein (DAV)
Littenstraße 11, 10179 Berlin
Tel.: 0 30/72 61 52 - 0
Fax: 0 30/72 61 52 - 190
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Internet: www.anwaltverein.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Mai 2019

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