Bundesvorstand Rote Hilfe e.V. - Pressemitteilung vom 15.12.2017
Berliner Urteil: Ausstattung von Demosanitäter*innen gilt als passive Bewaffnung
Das Amtsgericht Berlin Tiergarten verurteilte am 14.12.2017 einen Demosanitäter wegen angeblicher passiver Bewaffnung und anderen Delikten zu 50 Tagessätzen Geldstrafe.
Der Aktivist wurde während einer Demonstration am 5. November 2016 in Berlin festgenommen. Angeblich stand er einem Polizeibeamten im Weg, weshalb eine Festnahme missglückte. Deshalb wurde ihm Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Gefangenenbefreiung, aber auch Vermummung und passive Bewaffnung vorgeworfen. Besonders im Hinblick auf letztere Vorwürfe hat das nun gefällte Urteil eine besondere Bedeutung: Sie leiteten sich unmittelbar aus der Kleidung ab, die der Betroffene und andere Aktivist*innen als Sanitäter*innen auf Demonstrationen tragen.
Neben auffälligen Westen und der Tasche mit benötigten Hilfsmitteln gehören
dazu auch ein medizinischer Mundschutz und ein Helm. Der Helm soll
verhindern, dass Sanitäter*innen durch Gegenstände oder im Gerangel
verletzt werden. Der Mundschutz ist eine Schutzmaßname gegen potentielle
Infektionen in der Behandlung.
Der Betroffene selbst verlas während des Prozesses eine Erklärung, mit
welcher die Notwendigkeit der Ausrüstung für seine ehrenamtliche Tätigkeit
verdeutlicht wurde.
Durch die nun erfolgte Kriminalisierung dieser notwendigen Ausrüstung ist
die Erstversorgung von Aktivist*innen in Berlin gefährdet. Jede*r
selbstorganisierte Sanitäter*in muss künftig mit einer Anzeige für
Vermummung und passive Bewaffnung rechnen, sobald sie oder er die üblichen
Ausrüstungsgegenstände mit sich führt.
Die Sanitäter*innengruppe hat angekündigt, gegen das Urteil rechtlich
vorzugehen.
Hierzu erklärt Heiko Lange, Mitglied im Bundesvorstand der Roten Hilfe
e.V.:
"Die Rote Hilfe e.V. verurteilt die Kriminalisierung der Ausrüstung von
Demosanitäter*innen. Bei Demonstrationen oder Blockadeaktionen zum Beispiel
gegen Neonazi-Aufmärsche oder Braunkohleabbau sind eigenständige
zusätzliche Sanitäter*innen unerlässlich. Nicht erst seit dem G20-Gipfel
wissen wir, dass es vor allem bei größeren Protestaktionen oftmals zu
Polizeigewalt mit schweren Verletzungen kommt. Dieses Urteil ist ein
Angriff auf die Infrastruktur der Sozialen Bewegungen."
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Quelle:
Pressemitteilung vom 15.12.2017
Bundesvorstand Rote Hilfe e.V.
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Telefon: 0551/770 80 08; Fax: 0551/770 80 09
E-Mail: bundesvorstand@rote-hilfe.de
Internet: www.rote-hilfe.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Dezember 2017
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