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INTERNATIONAL/353: Kolumbien -Schuldspruch gegen den Staat (poonal)


poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen

Schuldspruch gegen den Staat

von Carolina Toro Leyva


(Bogota, 30. Januar 2023, contagio radio) - Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte hat am 30. Januar einen Prozess abgeschlossen, der für mehr als 28 Jahre zwischen dem kolumbianischen Staat und Vertretern der damals existierenden linken Partei Union Patriótica (UP) geführt wurde. Das Urteil fiel zugunsten der Kläger aus. Der kolumbianische Staat wurde schuldig gesprochen, Anführer*innen, Politiker*innen und Mitglieder der Partei bedroht und ermordet zu haben. Auch dafür, dass einige von ihnen verschwunden sind oder aufgrund der Verfolgung in den 1980er-Jahren ins Exil gehe mussten, macht das Gericht den Staat verantwortlich. Dieser hatte von den tausenden Opfern systematischer Menschenrechtsverletzungen bisher nur 219 offiziell anerkannt. Im nun verkündeten Urteil ist von mehr als 6000 die Rede. Diese Zahl ist auch deshalb von Bedeutung, da zuvor nicht absehbar war, wie viele Betroffene das Gericht letztlich anerkennen würde.

Die Entscheidung "wird dem Erinnern, als mahnendes Beispiel und als juristischer Präzedenzfall dienen, damit in diesem Land nicht noch einmal eine Bewegung oder Personen und Bürger*innen Ziel einer solchen Auslöschung werden", sagte der Generalsekretär der UP, Gabriel Becerra. Laut dem Urteil hat der Staat gegen das Recht auf Leben, Menschenwürde, Meinungsfreiheit und Freizügigkeit verstoßen sowie gegen das Recht, die Wahrheit über die begangenen Verbrechen zu erfahren.

Außerdem wurden die Wiedergutmachungsmaßnahmen genannt, die der Staat innerhalb von zwei Jahren erbringen muss. Einige der wichtigsten sind: die Errichtung einer Gedenkstätte für die Opfer, die Anbringung von Gedenktafeln in verschiedenen Städten des Landes zu Ehren der von den Verbrechen betroffenen Menschen, die Durchführung einer öffentlichen Veranstaltung, bei der ein Schuldbekenntnis erfolgt, die Einführung eines landesweiten Gedenktages, die Zahlung von Entschädigungen für materielle und immaterielle Schäden und, ein sehr zentrales Element, die Wiederaufnahme der Prozesse, in denen es um die an den Mitgliedern der Partei begangenen Rechtsverletzungen ging.


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veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 17. Februar 2023

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