Schattenblick →INFOPOOL →RECHT → FAKTEN

INTERNATIONAL/041: Mexiko - Ständiges Tribunal der Völker untersucht Menschenrechtslage (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. Oktober 2011

Mexiko: Ständiges Tribunal der Völker untersucht Menschenrechtslage - Urteile bis 2014

Von Daniela Pastrana


Mexiko-Stadt, 28. Oktober (IPS) - Das Ständige Tribunal der Völker (PPT) hat ein Büro in Mexiko eröffnet. Die internationale unabhängige Instanz, die Menschenrechtsverletzungen untersucht, wird sich mit den Verbrechen in dem lateinamerikanischen Land befassen, die seit dem Amtsantritt von Staatspräsident Felipe Calderón Ende 2006 im Namen der Drogenkriminalitätsbekämpfung begangen worden sind.

"Wir haben die Pflicht, die Wirklichkeit aufzuzeigen. Das werden wir in völliger Unabhängigkeit tun", sagte der französische Richter Philippe Texier. "Wir werden klar darlegen, warum wir der Bitte mexikanischer Menschenrechtsorganisationen entsprochen haben, hierher zu kommen", erklärte er.

"Hinsichtlich der Menschenrechte hat Mexiko international ein recht gutes Image", sagte Texier, der dem französischen Kassationsgerichtshof angehört und früher dem UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vorsaß. Das Land habe alle einschlägigen Abkommen unterzeichnet. "Wir werden nun untersuchen, ob dieses Bild tatsächlich der Realität entspricht."

PPT wurde 1979 auf Initiative des italienischen Senators Lelio Basso in Bologna gegründet. Die Institution versteht sich als Fortsetzung des Russell-Tribunals, das in den sechziger Jahren Menschenrechtsverletzungen während des Vietnam-Kriegs und später Verbrechen der von den USA unterstützten Militärregime in Lateinamerika untersuchte. Benannt war das Tribunal nach seinem Gründer, dem britischen Philosoph und Friedensaktivist Bertrand Russell.


Urteile nicht bindend

Die Urteile des PPT basieren auf dem Völkerrecht und berücksichtigen die Rechtsprechung des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag. Sie sind allerdings nicht bindend. Sitzungen wurden bereits in etwa 40 Staaten abgehalten.

Die Lelio-und-Lisli-Basso-Stiftung, die die Arbeit des PPT koordiniert, hatte der Aufnahme der Untersuchungen des Tribunals in Mexiko zugestimmt. Vor zwei Jahren hatten mexikanische Menschenrechtsgruppen eine entsprechende Anfrage gestellt. Während der nächsten zwei Jahre wird das PPT nun eine Reihe von Anhörungen zu sieben großen Themenfeldern aus dem Bereich der Menschenrechte abhalten, die für Mexiko relevant sind.

In Mexiko hat der Krieg zwischen Drogenbanden und die Militarisierung der Bekämpfung des Drogenhandels an die 50.000 Menschenleben gefordert. PPT wird sich insbesondere mit diesem 'schmutzigen Krieg', Straffreiheit, dem mangelnden Zugang zur Justiz, Migration, Flüchtlingen und Vertriebenen, Gewalt gegen Frauen, Nahrungssicherheit, Umweltzerstörung, Rechten indigener Völker sowie Pressezensur befassen.

Die Anhörungen in der Autonomen Nationalen Universität von Mexiko (UNAM) werden im nächsten Jahr beginnen und sich bis Anfang 2014 fortsetzen. Dann werden auch die Urteile verkündet. Neben dem PPT Generalsekretär Gianni Tognoni und Texier wird auch der italienische Richter Ippolito Franco teilnehmen.

Die mexikanische Ureinwohner-Aktivistin Magdalena Gómez sprach gegenüber IPS von einem "wichtigen Schritt zur systematischen Analyse globaler Verstöße". PPT könne entscheidend dazu beitragen, die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf Menschenrechtsverletzungen in Mexiko zu lenken.

Franco, ehemals Vorsitzender der Italienischen Vereinigung Demokratischer Rechtsanwälte, erklärte, dass PPT mit Hilfe der Anhörungen "eine neue Dynamik der Partizipation von Bürgern" schaffen soll. Diese Beteiligung sei wichtiger als die eigentlichen Prozesse vor dem Tribunal.

Der katholische Bischof und Menschenrechtsaktivist Raúl Vera aus Saltillo im Norden Mexikos dankte den Richtern des PPT für ihre Präsenz im Lande. "Ich weiß, dass ihr gekommen seid, um uns zu helfen. Denn wir selbst sind verantwortlich dafür, dass in unserem Land Gerechtigkeit Einzug hält."


Paramilitarismus - Ein Symptom für den sozialen Zusammenbruch

Vera äußerte sich besorgt über die kriminellen Aktivitäten junger Leute, die von Banden angeheuert werden, weil der Staat bei der Arbeitsbeschaffung versagt habe. Er kritisierte außerdem den Einsatz des Militärs gegen Drogenhändler und das Erstarken paramilitärischer Gruppen, "die ein Anzeichen sind für den gegenwärtigen Zusammenbruch der sozialen Ordnung".

"Die Armee besitzt das Mandat, die Todesstrafe zu vollstrecken", prangerte Vera an. "Sie tötet, und niemand bestraft sie dafür." Die vom Staat verordneten Verbrechen dienten nicht politischen Zielen, sondern "Geschäften und Diebstahl", die Politikern die Türen zu den Posten öffneten, nach denen sie strebten. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.internazionaleleliobasso.it/?page_id=207&lang=en
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=99416
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=105592

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 28. Oktober 2011
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Oktober 2011