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UNTERNEHMEN/2839: Commerzbank Hauptversammlung - Geschäfte mit Klimawandel und Jemenkrieg (urgewald)


urgewald - Pressemitteilung vom 12. Mai 2020

Commerzbank Hauptversammlung:
Geschäfte mit Klimawandel und Jemenkrieg

- Protestaktion gegen Kohlefinanzierung zur Hauptversammlung in Frankfurt
- Bank hat nach wie vor keinen Ausstiegsfahrplan für ihr Kohlegeschäft
- Anleihegeschäft mit BAE Systems belegt weitere Probleme mit Ethik-Standards


Berlin, Frankfurt - Vor der virtuellen Hauptversammlung der Commerzbank am Mittwoch weist urgewald zusammen mit den Partnerorganisationen Mwatana for Human Rights aus dem Jemen und Reclaim Finance aus Frankreich auf die ethischen Schwachstellen in der Bilanz der Bank hin.

Die urgewald-Partnerorganisation KoalaKollektiv wird außerdem am Morgen der Hauptversammlung vor einer Commerzbank-Filiale nahe der Zentrale der Bank in Frankfurt (Roßmarkt) eine bildstarke Protestaktion unter dem Motto "Kein COMMERZ mit Kohle! Finanzierung von RWE, Uniper & Co jetzt stoppen!" abhalten, Beginn um 10.30 Uhr.

Lückenhafte Kohle-Richtlinien

In ihrem Geschäftsbericht 2019 gibt die Commerzbank an, sie wolle die CO2-Intensität ihres Kreditportfolios reduzieren. Die bisher bekanntgegebenen Schritte reichen dafür aber nicht aus. Einen Plan, bis wann sie ihre Kohlefinanzierung beenden will, hat sie bisher nicht veröffentlicht - und hinkt damit anderen Banken wie etwa Crédit Mutuel und Crédit Agricole in Frankreich oder der britischen Royal Bank of Scotland beim Klimaschutz hinterher.

Im Jahr 2016 verkündete die Commerzbank, sie werde keine neuen Kohlekraftwerke und -minen mehr finanzieren. Da viel Finanzierung für Kohle über Unternehmens- und nicht über Projektfinanzierung stattfindet, war das ein notwendiger, aber nicht ausreichender Schritt. Sie schränkte zwar auch die Finanzierung für Unternehmen ein, allerdings nur für Kohlestromerzeuger - und das mit schwachen Schwellenwerten.

Die Bank will sich bis zum kommenden Jahr lediglich von Kunden in Deutschland trennen, die mehr als 30 Prozent ihres Stroms mit Kohle erzeugen. Für Kunden im Ausland gilt ein noch schwächerer Grenzwert von 50 Prozent.[1] Andere Kohlestromerzeuger, Kohlebergbaufirmen und zum Teil sogar die Entwickler neuer Kohlekraftwerke erhalten also weiterhin von der Commerzbank Finanzdienstleistungen für ihr klimaschädliches Geschäft.

Folge ist, dass hoch umstrittene Kohleunternehmen wie die deutschen RWE und Uniper oder die polnischen PGE und Tauron auch künftig zu den Kundinnen der Commerzbank zählen dürften. PGE und RWE planen unter anderem Kohleminen weiter auszubauen, Tauron und Uniper möchten immer noch neue Kraftwerke bauen oder in Form von Datteln 4 ans Netz bringen.

Yann Louvel, Experte für Bankenrichtlinien bei Reclaim Finance, sagt: "Während viele Banken weltweit in den vergangenen Jahren strengere Standards für ihre Kohlefinanzierung angekündigt haben, ist bei der Commerzbank seit Verabschiedung der Kohle-Richtlinie im Jahr 2016 keine Bewegung in Sicht. Es ist höchste Zeit für die Commerzbank, ihre Ausschlusskriterien zu verschärfen. Sie sollte alle Unternehmen mit Kohleausbauplänen auf eine schwarze Liste setzen und eine globale Kohleausstiegsstrategie bis 2030 in der OECD und bis 2040 weltweit verabschieden."

Widersprüche zu eigenen Rüstungs-Richtlinie

Trotz ihrer Rüstungsrichtlinie aus dem Jahr 2008, die unter anderem die "Finanzierung der Lieferung von Waffen und Rüstungsgütern in Konflikt- und Spannungsgebiete" ausschließt [2], profitieren weiterhin Unternehmen vom Geld der Commerzbank, die genau dies tun.

Wie eine urgewald-Recherche zeigt, hat sich die US-amerikanische Commerzbank-Tochter Commerz Markets Anfang April an der Ausgabe einer Anleihe für den größten europäischen Rüstungskonzern BAE Systems beteiligt. BAE Systems macht über 90 Prozent seines Umsatzes im Rüstungsbereich, 2017 rund 20 Prozent davon mit Geschäften mit Saudi-Arabien. Zwischen 2009 und 2017 hat BAE Systems 72 Eurofighter an Saudi-Arabien geliefert, die erwiesenermaßen im völkerrechtswidrigen Jemenkrieg zum Einsatz kommen und dort für entsetzliches Leid sorgen.[3]

Mwatana for Human Rights, ECCHR und weitere Organisationen haben im vergangenen Dezember beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag eine Klage eingereicht, in der BAE Systems, Rheinmetall und andere in Europa ansässige Waffenhersteller beschuldigt werden, an Kriegsverbrechen im Jemenkrieg beteiligt gewesen zu sein.

Bonyan Noori Gamal Mohammed, Anwältin bei der Menschenrechtsorganisation Mwatana for Human Rights, sagt:
"Manche Leute denken bei Waffenexporten an Arbeitsplätze und Wirtschaft, aber darum geht es nicht, es geht um sterbende Menschen, zerstörte Häuser und die verlorene Hoffnung auf eine bessere Welt. Die Lieferanten, die Vollstrecker und ihre Unterstützer sind dafür verantwortlich."

Neben den Geschäften mit dem britischen Rüstungskonzern, hält die Commerzbank auch am deutschen Konzern Rheinmetall fest. Analyst*innen der Bank empfehlen den Kauf von Rheinmetall-Aktien - wohlwissend, dass der Konzern in den letzten Jahren sogar schlüsselfertige Munitionsfabriken an Länder wie Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate oder Ägypten geliefert hat, Länder, die alle in den Jemenkrieg verstrickt sind. Zudem streitet Rheinmetall vehement dafür, dass die aktuell geltenden Exportbeschränkungen gen Saudi-Arabien aufgehoben werden, obwohl die saudische Regierung maßgeblich mitverantwortlich ist für Tod und Leid der Zivilgesellschaft im Jemen.

Kathrin Petz, Finanz-Campaignerin bei urgewald, sagt:
"Mit dem Festhalten an solchen Unternehmen widerspricht die Commerzbank ihren eigenen Regeln. Was aber noch schlimmer ist, sie liefert den Völkerrechtsfeinden und Kriegstreibern finanzielle Munition. Auch am Klimawandel macht sie sich durch ihre fortlaufenden Kohlegeschäfte mitschuldig. Mit einer Verschärfung ihrer Kohle- und Rüstungsrichtlinien könnte sie sich solche Reputationsgefahren vom Hals halten."


Anmerkungen:
[1] https://www.commerzbank.de/de/nachhaltigkeit/nachhaltigkeitsstandards/positionen_und_richtlinien/positionen_und_richtlinien.html
[2] Vgl. ebenda
[3] https://www.yemendataproject.org/

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Quelle:
Pressemitteilung vom 12. Mai 2020
Herausgeber: urgewald e.V.
Hauptgeschäftsstelle:
Von-Galen-Straße 4, 48336 Sassenberg
Telefon: 02583/1031, Fax: 02583/4220
Internet: www.urgewald.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Mai 2020

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