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STEUER/1131: Unternehmenssteuern und Konjunktur (spw)


spw - Ausgabe 6/2009 - Heft 174
Zeitschrift für Sozialistische Politik und Wirtschaft

Unternehmenssteuern und Konjunktur

Von Arne Heise


Die Depression scheint überstanden: Erstmals seit Frühjahr 2008 ist das Bruttoinlandsprodukt gegenüber dem Vorquartal wieder leicht gestiegen, die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute prognostizieren für 2010 bereits wieder ein leichtes Wirtschaftswachstum von 1,2 Prozent. Damit scheint die Weltfinanzkrise, die immerhin kurzzeitig einen vollständigen Zusammenbruch des Finanzsystems mit unabsehbaren Folgen befürchten ließ, auf den einmaligen - aber auch für die Bundesrepublik historisch einzigartigen - Rückgang der Wirtschaftsleistung von etwa 5,0 Prozent im Jahre 2009 beschränkt zu bleiben. Statt einer neuerlichen "Großen Depression" wie in den 1930er Jahren also nur ein tiefer konjunktureller Einbruch (vgl. Tabelle 1)?


Tabelle 1: Steuereinnahmen und BIP-Entwicklung
Jahr
2007
2008
2009**
2010* 
BIP in %
Steuereinnamen in Mio. Euro
2,5
576,3
1,3
592,6
-5,0(1,7)
566,5(610,2)
1,2 
548,8 

*   Schätzung der Gemeinschaftsdiagnose der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute;
** Angaben in Klammern geben die Prognose aus der Gemeinschaftsdiagnose des Herbsts 2008 an.


Wenngleich die konjunkturelle Wende also geschafft sein mag und die "keynesianischen" Konjunkturpakte wahrscheinlich ihren Teil zur Eingrenzung der Depression beigetragen haben, herrscht weiterhin höchste Not, die zögerliche Aufheiterung des Konjunkturhimmels zu verstetigen. Nach liberaler Lesart - so auch den WählerInnen vor der Bundestagswahl von der FDP versprochen - heißt dies insbesondere eine Entlastung der Steuer zahlenden Wirtschaftssubjekte. Neben einer Reduktion der Einkommens- hat sich die FDP auch für eine Reform der erst 2008 in Kraft getretenen Unternehmenssteuerreform stark gemacht.

Die Unternehmen als eigenständige Wirtschaftssubjekte werden in der Bundesrepublik im Wesentlichen über die Körperschafts- und die Gewerbesteuer an der Finanzierung der öffentlichen Güter beteiligt. Die Körperschaftssteuer besteuert den Gewinn des Unternehmens und fließt dem Bund und den Ländern zu, die Gewerbesteuer, die den Ertrag eines Gewerbebetriebes besteuert, fließt überwiegend den Kommunen zu und ist deren wesentliche Einnahmequelle. Bis zur Unternehmenssteuerreform 2008 lag die nominelle Besteuerung von Unternehmen in Deutschland bei etwa 39 Prozent und damit am oberen Rand im internationalen Vergleich. Aufgrund der ausgeprägten Steuerbefreiungstatbestände in Deutschland dürfte die durchschnittliche Effektivbesteuerung für Unternehmen immer schon deutlich niedriger gelegen haben. Doch schließlich war das Wettbewerbs- und Standortargument überzeugend genug, um der großen Koalition als Argument für eine umfangreiche Entlastung der Unternehmen im Rahmen der Unternehmenssteuerreform zu dienen.

Ertragssteuern stellen für Unternehmen Kosten dar, die sie - wie alle anderen Kosten - über den Preis an die Kunden weitergeben. In diesem Sinne werden zwar die Steuern von den Unternehmen abgeführt - und insbesondere die Gewerbesteuern sollen eine Äquivalenz zu den von den Unternehmen auf kommunaler Ebene in Anspruch genommenen öffentlichen Gütern andeuten. Ökonomisch aber wird die Steuerlast letztlich immer von den KundInnen getragen. Da diese KundInnen in einer globalisierten Welt nicht nur heimische KonsumentInnen sind, kann immerhin ein Teil der Steuerlast auch an Gebietsfremde weitergereicht werden - was nicht gelänge, wenn Unternehmenssteuern gänzlich abgeschafft und gleich den KonsumentInnen oder anderen SteuerzahlerInnen aufgebürdet würden. Andererseits impliziert dieser Umstand auch, - zumindest in einer Währungsunion, in der Wechselkurse keine Anpassung mehr ermöglichen - dass die Höhe der (effektiven) Steuersätze als Kostenkategorie einen gewissen Einfluss auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen hat. Für die Festlegung der Unternehmensbesteuerung - also Körperschafts- und Gewerbesteuer - heißt dies, dass vor allem der internationale bzw. EU-weite Referenzrahmen beachtet werden muss: Die Höhe der Besteuerung darf keine besonderen Wettbewerbsnachteile erwarten lassen, sollte aber auch nicht auf klare Wettbewerbsvorteile zielen, denn dann werden nur die wesentlichen Wettbewerbsländer - und für die Bundesrepublik sind dies vor allem die EU-Partnerländer - gezwungen, ähnliche Schritte zu gehen und ein Steuersenkungswettlauf könnte die Folge sein.

Die Unternehmenssteuerreform 2008 sollte insbesondere die nominell sehr hohe Besteuerung deutscher Unternehmen senken, indem die Körperschaftssteuer von 25 auf 15 Prozent gesenkt wurde - mittlerweile liegt Deutschland mit einer (durchschnittlichen) Nominalbesteuerung von 29,8 Prozent etwa im EU-Mittelfeld (vgl. Tab. 2).


Tabelle 2: Internationale Unternehmenssteuern (Körperschafts- und Gewerbesteuern) in 2008
Land
Deutschland
Frankreich
Großbritannien
Italien
Niederlande
Nominelle
Besteuerung
29,83%  
34,43% 
28%     
31,4%
25,5%  

Quelle: Bundesfinanzministerium -
Die wichtigsten Steuern im internationalen Vergleich, Berlin 2008, S. 21



Zur partiellen Gegenfinanzierung, aber auch um die Besteuerungsgrundlage strukturell zu erweitern, wurden u.a. die Abzugsfähigkeit von Kreditzinsen beschränkt ("Zinsschranke"), die Steuerbefreiung für konzerninterne (grenzüberschreitende) Unternehmensverlagerungen, die Verlustübernahme bei Unternehmenskäufen und die Möglichkeit der degressiven Abschreibung beseitigt. Dennoch blieb eine Steuererleichterung zwischen 5-15 Mrd. Euro pro Jahr für die Unternehmen übrig.

Gerade die Unternehmenssteuern sind stark konjunkturanfällig - mit besonders negativen Auswirkungen auf die Steuereinnahmen der Kommunen. Und ein extremer Rückgang der Steuereinnahmen gegenüber 2008, vor allem aber gegenüber den noch im Frühjahr 2008 geschätzten Einnahmen für 2009 und 2010 (s. Tab. 1) wird kaum zu vermeiden sein. Dennoch bringen FDP und die Deutsche Industrie- und Handelskammer jene Erweiterungen der Bemessungsgrundlage der Unternehmenssteuerreform 2008 auf die politische Agenda - als konjunkturpolitische Stütze! Tatsächlich aber sollten konjunkturelle Probleme nicht mit strukturellen Maßnahmen bekämpft werden.

Wem die Senkung der Körperschaftssteuersätze von 30 bzw. 45 Prozent Ende der 1990er Jahre zunächst auf 25 und dann 15 Prozent (!) nicht ausreicht und wer einen weiteren Einnahmeverlust der öffentlichen Haushalte von ca. 10 Mrd. Euro will, muss dies offen sagen und auch gleich, welche Ausgaben (Bildung?, Soziales?) entsprechend gekürzt werden sollen. Wer aber tatsächlich die Konjunktur ankurbeln will, muss die Ertragserwartungen der Unternehmen verbessern - dafür wären geringere Steuereinnahmen und -ausgaben des Staates sicher der am wenigsten geeignete Weg.


Dr. Arne Heise ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Hamburg.


*


Quelle:
spw - Zeitschrift für sozialistische Politik und Wirtschaft
Ausgabe 6/2009, Heft 174, Seite 46-47
mit freundlicher Genehmigung der HerausgeberInnen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Dezember 2009