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ROHSTOFFE/094: "Historisch aber unzureichend" - Erste US-Konzernberichte über Konfliktmineralien (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. Juni 2014

Zentralafrika: 'Historisch aber unzureichend' - Erste US-Konzernberichte über Konfliktmineralien in den Zulieferketten

Von Carey L. Biron


Bild: MONUSCO/CC-BY-SA-2.0

Eine Luftaufnahme von der Luwowo-Koltanmine in der Nähe von Rubaya in der nordostkongolesischen Provinz Nord-Kivu
Bild: MONUSCO/CC-BY-SA-2.0

Washington, 4. Juni (IPS) - Fast 1.300 US-Unternehmen haben fristgerecht bis zum 2. Juni ihre ersten Berichte über den Anteil zentralafrikanischer Konfliktmineralien in ihren Produkten vorgelegt. Doch die meisten Angaben sind nach Ansicht von Menschenrechtsorganisationen viel zu vage gehalten.

Die konzerneigenen Untersuchungen sind das erste konkrete Ergebnis eines 2010 vom US-Kongress beschlossenen Gesetzes, das darauf abzielt, den langjährigen Bürgerkrieg in der Demokratischen Republik Kongo (DRC) zu beenden. Die zur Rechenschaft angehaltenen Multis hatten in den letzten vier Jahren vergeblich versucht, die Umsetzung der Richtlinien zu verhindern. Als Begründung hieß es, die Erstellung solcher Jahresberichte sei viel zu aufwendig und außerdem verfassungswidrig.

Doch seit 3. Juni ist klar, dass die meisten Unternehmen ihrer Auskunftsverpflichtung nachgekommen sind. Die Berichte sind über die US-Börsenaufsichtsbehörde SEC, die für die Umsetzung des als 'Paragraph 1502' bekannten Gesetzes zuständig ist, öffentlich einsehbar.

Sasha Lezhnev vom 'Enough Project', einer in Washington ansässigen Menschenrechtsorganisation, bezeichnete die Abgabe der Berichte als "historisches" Ereignis. Noch vor fünf Jahren habe es für das Thema keine Öffentlichkeit gegeben, erinnerte er. Doch inzwischen könnten sich die Verbraucher über die Produktkomponenten informieren. "Es gibt sicherlich viele Menschen, die über die Aktivitäten von 'Apple', 'Intel' oder 'Hewlett Packard' Bescheid wissen, nicht aber über das im Bilde sind, was Unternehmen wie 'Walmart' oder 'General Motors' treiben."

2009 hatte der UN-Sicherheitsrat offiziell eingeräumt, dass die vielen bewaffneten Gruppen, die im Osten der DRC aktiv sind, von den Einnahmen aus dem Mineralienabbau profitieren. Die Elektronikbranche gehört zu den Hauptbeziehern dieser Rohstoffe wie Zinn, Tantal, Wolfram und Gold.


Goldbergbau bleibt ein Problem

Lezhnev zufolge wurden seither 95 Minen im Kongo als 'konfliktfrei' eingestuft, während zwei Drittel der Zinn-, Tantal- und Wolframminen im Osten des Landes als demilitarisiert gelten. Der Goldbergbau stellt weiterhin ein großes Problem dar. Deshalb fordern das Enough Project und andere Organisationen insbesondere von der Schmuckindustrie größere Anstrengungen, ihre Firmenpolitik in dieser Frage zu überdenken.

Gemäß den SEC-Richtlinien müssen an US-Börsen gelistete Unternehmen Jahresberichte einreichen, in denen sie ihre Bemühungen beschreiben, die sie unternehmen, um sicherzustellen, dass ihre Produkte keine dieser Konfliktmaterialen enthalten. Angenommen wird, dass mehrere tausend US-Firmen Produkte verkaufen, die Konfliktmaterialien enthalten, ohne sich dessen bewusst zu sein.

Dazu zählen nicht allein die Hersteller, sondern auch die Unternehmen, die deren Produkte verkaufen. Die Mischwarenkette 'Walmart' zum Beispiel bietet ihren Kunden eine Brille an, die Tantal enthält, das aller Wahrscheinlichkeit aus einer kongolesischen Konfliktregion stammt.

Die Beraterfirma 'Booz Allen Hamilton' hat ihrerseits offengelegt, dass sie an der Produktion von Schaltplatten, Elektrobaugruppen und Kontrollgeräten beteiligt ist, die Konfliktmineralien enthalten. Viele dieser Erzeugnisse seien für die US-Regierung produziert worden.

Doch die meisten der vorliegenden Unternehmensberichte sind unvollständig oder oberflächlich. 'Microsoft' zum Beispiel, teilte mit, dass es die Möglichkeit nicht ausschließen könne, dass seine Produkte Konfliktmineralien enthalten, es aber bisher nicht möglich gewesen sei, die "extensive und komplexe" Produktionskette der Firma entsprechend abzuklopfen.

Was Menschenrechtsorganisationen ebenfalls vermissen, sind Informationen, wie Unternehmen mit ihren Zulieferern verfahren wird, die mit Konfliktmineralien handeln. "Allgemein sind wir sehr enttäuscht, wie vage viele Berichte gehalten sind und wie mager die Verfahrensbeschreibungen ausgefallen sind", befand Carly Oboth von 'Global Witness', einer weiteren Organisation, die die Regulierung von Konfliktmineralien unterstützt. So behaupteten viele Unternehmen, 'konfliktfrei' zu sein, blieben aber den Nachweis schuldig. Die meisten eingereichten Berichte seien "inadäquat".


Metallschmelzen als Ausgangspunkt für die Untersuchungen

Für viele der Konzerne, die ihre Zulieferketten durchleuchtet haben, waren die Metallschmelzen relevant, die die Ressourcen zur weiteren Verarbeitung einschmelzen. Eine von der Industrie geführte Initiative, das Programm für konfliktfreie Schmelzen, hat bisher über 40 Prozent der weltweiten Schmelzen zertifiziert, wie Lezhnev vom Enough Project berichtet.

Oboth zufolge haben sich viele Unternehmen jedoch leider damit begnügt, mitzuteilen, ob ihre Zulieferer eine solche Zertifizierung vorweisen können oder nicht. "Sie hätten, wie von uns und in den SEC-Regulierungen gefordert, die Schmelzen überprüfen müssen", meinte die Aktivistin. "Intel beispielsweise hat sich vor Ort eingefunden, um herauszufinden, wie die Schmelzen das Risiko, an Konfliktmineralien zu geraten, am besten umgehen."

Tatsächlich hat sich Intel, der Hersteller von Mikroprozessoren, in vielerlei Hinsicht als Vorzeigeunternehmen herausgestellt. Im Januar stellte das Unternehmen das weltweit erste 'konfliktfreie' Produkt vor. Außerdem war Intel der einzige Konzern, der seine Zulieferkette vollständig untersuchte und die Forderung nach einem Konfliktfrei-Label unterstützt.

Nach einem Gerichtsurteil im April sind die Unternehmen dazu jedoch nicht verpflichtet. Allerdings könnte es in den kommenden Monat zu einer erneuten Anhörung in dieser Frage vor dem gleichen Tribunal kommen.

"Eines unserer Merkmale ist Transparenz. Auch wenn wir nicht verpflichtet sind, den Status unserer Produkte anzuzeigen, sind wir der Meinung, dass wir damit unseren Kunden und Aktionären beweisen, dass es uns ernst damit ist, transparent zu arbeiten", erklärte Intel in einer Mittelung für IPS.

"Wir ermutigen andere Unternehmen, die wie wir auf DRC-konfliktfreie Produkte hinarbeiten, den Status ihrer Produkte offenzulegen. Dies ist eine sinnvolle und transparente Methode, um die Fortschritte unserer Sorgfaltsverpflichtung zu kommunizieren", heißt es in dem Statement.


Wettbewerb konfliktfreier Güter

Allein schon die Präsenz eines einzigen konfliktfreien Produkts auf dem Markt hat einen Wettbewerb der 'Konfliktfreiheit' angeschoben. Erwartet wird, dass auch die eingereichten Berichte eine ähnliche Dynamik entwickeln werden.

"Wir beobachten bereits, wie andere Unternehmen damit liebäugeln, das nächste konfliktfreie Produkt herzustellen. Wir ermutigen die Verbraucher dazu, die größten Raumfahrt- und Autounternehmen zur Nachahmung aufzufordern", so Lezhnev. "Der Schritt, den Intel unternommen hat, ist gut, doch gibt es Unternehmen da draußen, die noch viel größer sind. Wann werden wohl 'Boeing' oder 'General Electric' ihr nächstes konfliktfreies Produkt vorstellen?" (Ende/IPS/kb/2014)


Link:
http://www.ipsnews.net/2014/06/u-s-corporate-conflict-minerals-reports- historic-but-incomplete/ but-incomplete/

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IPS-Tagesdienst vom 4. Juni 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juni 2014