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ROHSTOFFE/083: Einseitiges Geschäft - Gemeinden wollen mehr von Ressourcenreichtum profitieren (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. Juni 2013

Rohstoffe: Einseitiges Geschäft - Gemeinden wollen mehr von Ressourcenreichtum profitieren

von Neena Bhandari


Bild: © Neena Bhandari/IPS

Doris Eaton, Ko-Vorsitzende der 'Yamatji Marlpa Aboriginal Corporation'
Bild: © Neena Bhandari/IPS

Sydney, 25. Juni (IPS) - Der Süd-Süd-Handel befindet sich im Aufwind und die Schwellenländer sind dabei, die Produktion in den Industriestaaten zu überrunden. Der internationale Rohstoffsektor hat die Zeichen der Zeit erkannt und folgt den globalen Trends.

In den letzten Jahren hat ein signifikanter Wandel stattgefunden. So wurden die Bergbauaktivitäten aus den reichen in die armen Staaten verlagert, wobei die Entwicklungsländer ihren Anteil am weltweiten Rohstoffhandel von weniger als einem Drittel im Jahr 2000 auf inzwischen 50 Prozent erhöhen konnten.

Wie aus einer viel beachteten Untersuchung des Internationalen Rats für Bergbau und Metalle aus dem letzten Jahr hervorgeht, kam es in den letzten Jahren in Lateinamerika, Afrika und Teilen Asiens zu umfangreichen Investitionen, die in den nächsten zehn Jahren weiter ansteigen werden.

40 Länder einschließlich Australien, China, Brasilien, Russland, Indien, die USA und Kanada sind in erheblichem Maße von Rohstoffexporten abhängig, und 30 von ihnen, darunter Chile, Peru, die Demokratische Republik Kongo, Sambia und Südafrika, sind Länder mit niedrigem oder mittlerem Einkommen.

Bergbau- und Förderprojekte haben zu Megaprofiten geführt. Gleichzeitig stehen sie unter einer erhöhten Beobachtung: Aktivisten stellen unbequeme Fragen nach Transparenz, Geschlechtergerechtigkeit und Entwicklungserfolgen in einer der größten und unreguliertesten Branchen der Welt.

Die Weltbank schätzt die Zahl kleiner Bergleute auf 15 Millionen bis 20 Millionen Menschen. Insgesamt erhalten 80 bis 100 Millionen Menschen durch die Bergbau- und Förderaktivitäten ein Auskommen.


Frauen durch Rohstoffproduktion besonders benachteiligt

Rund 3,5 Milliarden Menschen leben in Entwicklungsländern, die reich sind an Kohle, Eisenerz, Kupfer, Gold, Nickel, Bauxit und Zink. Dennoch können die meisten von ihnen kaum von dem Ressourcenreichtum profitieren. Das gilt besonders für die Frauen. Sie sind zudem von den negativen Folgen des Industriezweigs am stärksten getroffen.

Die Zusammenarbeit der Australien-Sektion der internationalen Hilfsorganisation Oxfam mit Gemeinschaften auf der ganzen Welt hat gezeigt, dass die Auswirkungen des Bergbausektors keineswegs geschlechterneutral sind. "Frauen bekommen die negativen Folgen der Bergbauindustrie stärker als Männer zu spüren und profitieren auch weniger davon", meinte die Bergbau-Expertin bei Oxfam, Serena Lillywhite, im IPS-Gespräch. "Auch können Frauen selten an Projektentscheidungen, Abkommen über die Gewinnbeteiligung oder Einkommenszahlungen partizipieren, weil sie bei den Besprechungen über die Projekte nicht mit am Tisch sitzen", fügte sie hinzu.

Oxfam bietet Unternehmen ein Instrumentarium, mit dem sich die Folgen von Rohstoffprojekten auf Frauen abschätzen lassen. Es zeigt den Unternehmen Wege auf, Rücksicht auf die Bedürfnisse und Interessen von Frauen zu nehmen. Außerdem fördert es die Partizipation von Frauen bei der Planung und Umsetzung der Projekte.

Doris Puiahi ist als Projektmanagerin auf den Solomon-Inseln für ein Projekt zugunsten eines inklusiven Ressourcenmanagements der Nichtregierungsorganisation 'Live & Learn Environmental Education' in Melbourne zuständig. Sie und ihr Team arbeiten vor Ort mit ländlichen Gemeinden zusammen, die von Bergbauprojekten betroffen sind. "Es gibt derzeit nur eine Goldmine in der Provinz Guadalcanal im Innern der Solomonen", meinte sie gegenüber IPS. "Doch da das Interesse an Bergbauvorhaben zunimmt, fürchten die Frauen, noch weniger Entscheidungsgewalt in dem Bereich ausüben zu können."


Geringfügige Beteiligung

Die 40-jährige Holzwirtschaft habe den Menschen vor Ort keine Entwicklung gebracht. Die meisten Menschen leiden darunter, dass sie nur zu zehn Prozent von den Projekten profitieren. Da ihnen die tatsächlichen Profite verborgen bleiben, wissen sie nicht, ob sie tatsächlich die zehn Prozent erhalten, die ihnen zustehen würden.

Mit dem Rohstoffreichtum wächst das Konfliktrisiko. Bis 8. Juni lagen der unabhängigen Ombudsstelle ('Compliance Advisory Ombudsman' - CAO) der Weltbankgruppe 114 Streitfälle vor, die bis auf das Jahr 2000 zurückgehen. Bei den meisten handelt es sich um Konflikte im Zusammenhang mit der Rohstoffindustrie, mit Infrastrukturprojekten und dem Agrobusiness in 40 Ländern. 38 dieser Konflikte verteilen sich auf 19 Länder. Insgesamt 59 Fälle betreffen die Rohstoffindustrie (Erdöl, Erdgas, Bergbau und Chemikalien) und davon nur 21 Bergbauprojekte.

"Der Bevölkerungsanstieg wird den Wettbewerb um die weltweiten Ressourcen noch weiter erhöhen", warnt die CAO-Vizepräsidentin Dame Meg Taylor. Zwei Fälle, die der CAO unlängst vorgelegt wurden, betreffen die Unterstützung der Internationalen Finanzkorporation und der Multilateralen Investitionsgarantieagentur für Bergbauexplorationen auf den Philippinen und in Indonesien, wo die Anrainer die möglichen Auswirkungen der Projekte auf das Land ihrer Vorväter, auf ihre Gewässer, ihre Felder und Wälder fürchten.

Die Partizipation von Frauen bei der Entscheidungsfindung und ihre faire Beteiligung an dem durch den Bergbau generierten Reichtum sind für die sozioökonomische Entwicklung der ressourcenreichen Länder wichtig. Aufgrund der steigenden Nachfrage nach Kohle und Eisenerz aus China, Indien und anderen Entwicklungsländern erlebt Australiens Bergbausektor derzeit ein ungeheures Hoch.

Die 'Yamatji Marlpa Aboriginal Corporation' (YMAC) ist für die Landtitel der traditionellen Eigentümer der ressourcenreichen Regionen Pilbara, Murchison und Gascoyne im Westen Australiens zuständig. Dort werden Rohöl, Salz, Erdgas und Eisenerz in großem Stil abgebaut.


"Wir büßen dafür unsere wundervollen Täler ein"

Die YMAC-Ko-Vorsitzende Doris Eaton erklärte gegenüber IPS, dass im Verlauf des letzten Jahrzehnts "wir einen der größten Bergbaubooms unserer Geschichte erlebt haben. Wir büßen dafür unsere wundervollen Täler ein, in denen wichtige Zeremonien abgehalten und Geschichten erzählt werden sowie seltene Tier- und Pflanzenarten anzutreffen sind."

Der Bergbausektor trägt zu elf Prozent zum australischen Bruttoinlandsprodukt (BIP) teil. Die Einnahmen aus dem Export von Mineralien und Energieträgern wie Erdöl werden für den Zeitraum 2012 bis 2013 auf 171 Milliarden Dollar geschätzt. Derzeit befinden sich 98 Projekte im Wert von 239 Milliarden Dollar in einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium.

Eaton ist der Ansicht, dass die indigenen Völker für den Verlust von Land und Kulturerbe entschädigt werden müssen. Sie weist darauf hin, dass die Aborigines bei weitem nicht über das Verhandlungsgeschick verfügen wie die Rohstofffirmen. Doch dort, wo die Unternehmen Rohstoffe produzierten, verändere sich das Land für immer. "Unsere Leute wollen gleichberechtigte Partner sein, die ein Mitspracherecht in der Frage nach der Verwendung der Rohstoffeinnahmen haben. Ihnen gehe es darum sicherzustellen, dass die Gelder sinnvoll in Arbeitsplätze, die Sicherheit und Zukunft junger Menschen verwendet werden."

Wie aus einer Studie hervorgeht, die Sara Bice, Wissenschaftlerin der Universität von Melbourne, im letzten Monat vorgestellt hat, können die im Rahmen der sogenannten 'Corporate Social Responsibility' durchgeführten nachhaltigen Entwicklungsprogramme langfristig ungewollte Abhängigkeiten schaffen. Auch würden häufig überflüssige Projekte unterstützt.

Nach Ansicht zivilgesellschaftlicher Akteure sollten die Regierungen die Geschäfte mit internationalen Gebern transparenter gestalten. Die Aktivisten fordern zudem, dass viel mehr Länder als bisher der Transparenzinitiative der Rohstoffindustrie (EITI) beitreten. Diese verpflichtet ihre Mitglieder dazu, alle Steuern, Lizenzgebühren und Einnahmen aus der Öl-, Gas- und Bergbauindustrie offenzulegen. (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.yamatji.org.au/
http://www.ipsnews.net/2013/06/mining-benefits-fail-to-trickle-down/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 25. Juni 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juni 2013