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ROHSTOFFE/034: Green New Deal und Rohstoffboom (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2010

Green New Deal und Rohstoffboom
Ein kritischer Blick auf die deutsche Rohstoffstrategie und die Raw Materials Initiative der EU

Von Lili Fuhr


Mit dem Rohstoffboom der grünen Technologien rückt die Rohstoffpolitik auf die Top Agenda. Regulierungsansätze gibt es wenig, auch wenn die Herausforderungen enorm sind. Ein kritischer Blick auf die deutsche und europäische Rohstoffstrategie legt nahe, dass sie diesen Herausforderungen nicht gerecht werden

Seltene Erden aus China, Lithium aus Bolivien, Coltan aus der Demokratischen Republik Kongo - Zukunftstechnologien von Klimaschutz über Telekommunikation bis hin zu militärischen Hightech-Waffen sind auf eine Vielzahl strategischer Rohstoffe angewiesen. Bundesminister Brüderle formuliert das so: "Für die Zukunft des Hochtechnologiestandorts Deutschland ist die Versorgung mit bezahlbaren Industrierohstoffen von entscheidender Bedeutung." (Pressemitteilung des BMWi vom 20.10.2010). Und genau diese Rohstoffe sind damit die Wachstumsmotoren der westlichen Industriegesellschaften. Kein Wunder also, dass die europäischen Unternehmen Panik bekommen, wenn die globale Nachfrage steigt und die Verteilungskonflikte zunehmen. Das Rohstoff thema ist aus der Expertennische auf die Topagenda gerutscht und wird - begleitet von intensiven Lobbybemühungen der rohstoffverarbeitenden Industrie - demnächst auch auf dem G20-Gipfel verhandelt. Was sind die Herausforderungen, vor den wir stehen, und welche Lösungsansätze werden hierzu diskutiert?


Herausforderungen im Rohstoffsektor

Konkurrent Nummer eins für die Europäer ist China. China verfügt zum einen über signifikante Reserven strategischer Mineralien (1) - bei den Seltenen Erden kontrolliert China 97% der Produktion für den Weltmarkt - und zum anderen wird es von der EU als Konkurrent um den Zugang zu den noch unerschlossenen Reserven auf dem afrikanischen Kontinent wahrgenommen. Dabei wird unterstellt, dass China sich mit unlauteren Methoden - gemeint sind markt- und wettbewerbsverzerrende Maßnahmen sowie das Nichtbeachten von Umwelt- und Sozialstandards - Vorteile verschafft.

Weniger diskutiert wird allerdings, dass die von China verhängten Exportbeschränkungen auf strategische Rohstoffe die altbekannte weltweite Arbeitsteilung in Frage stellen: China will nicht mehr nur Billigtextilien herstellen, sondern selbst Weltmacht bei den Zukunftstechnologien werden und benötigt dafür die heimischen Reserven. Europa - aber auch die USA oder Japan - haben jahrelang von den billigen chinesischen Exporten profitiert und dabei sowohl den Aufbau eigener oder anderer Produktionsstätten als auch massive Investitionen in Forschung und Entwicklung für Ressourceneffizienz, Recycling und Substitution verpasst. Rohstoffpolitik ist auch Geopolitik.

Doch die Herausforderungen im Rohstoffsektor sind weitaus umfassender und drehen sich nicht allein um China. Seit einigen Jahren sind nun neben den klassischen Rohstoffen wie Öl und Gas, Kohle, Edelsteinen und Uran eben die nicht-energetischen mineralischen Rohstoffe in den Fokus der Politik gerückt - eben weil sie so zentral sind für die Zukunftstechnologien. Verteilungskonflikte um diese endlichen und geographisch sehr ungleich vorhandenen Ressourcen werden zunehmen.

Es ist bemerkenswert, dass ein solch zentraler Sektor von einem eklatanten Mangel an Regulierung gekennzeichnet ist. Es gibt keine internationale Konvention zum nachhaltigen und gerechten Ressourcenmanagement und auch keine internationale Agentur, die sich damit befasst. Auch auf nationaler Ebene sind die Regulierungsansätze marginal. Stattdessen ist eine weiterhin zunehmende Marktkonzentration und Marktmacht weniger multinationaler Konzerne zu beobachten, von deren Vermachtungsstrukturen lediglich eine kleine elitäre Minderheit in den Produzentenländern profitiert. Der Ressourcenfluch ist noch lange keine Vergangenheit.


Die Deutsche Rohstoffstrategie

Die Bundesregierung hat am 18. Oktober 2010 eine neue Rohstoffstrategie beschlossen, die unter Mitarbeit von Auswärtigem Amt, BMZ und BMU federführend vom Wirtschaftsministerium erstellt wurde. Die EU hat ihre Raw Materials Initiative bereits 2008 vorgelegt und wird in Kürze einen Fortschrittsbericht zur Umsetzung der europäischen Rohstoffstrategie vorlegen. Aus beiden Strategien geht klar hervor, dass sich die europäischen Regierungen und Unternehmen große Sorgen um die Versorgung mit nicht-energetischen mineralischen Rohstoffen machen und eine Reihe von Maßnahmen in die Wege leiten, die bei genauem Betrachten den Methoden, die China unterstellt werden, gar nicht so unähnlich sind.

Die Bundesregierung setzt in ihrer neuen Rohstoffstrategie den alleinigen Schwerpunkt auf die Sicherung der Rohstoffversorgung der deutschen Industrie. In diesem Punkt ist sie kohärent. Alle Instrumente der Außen- und Außenwirtschaftspolitik sowie der Entwicklungspolitik werden unter dieser Maxime gebündelt. So plant die Bundesregierung die Einrichtung bilateraler Rohstoffpartnerschaften mit rohstoffreichen Entwicklungsländern. Unterstützung von Good Governance, Aufbau von Infrastrukturen und Ausbildung von Fachkräften sollen im Gegenzug langfristige und stabile Lieferverträge für die deutsche Wirtschaft bringen. "Win-win" nennen das Herr Brüderle und Herr Niebel. "Marktverzerrung durch Vorteilsverschaffung" kommt dagegen die Kritik zivilgesellschaftlicher Akteure aus rohstoffreichen Ländern Afrikas und Lateinamerikas, die wenig Interesse daran haben, dass Europa und China sich einen Wettbewerb um die Gunst ihrer Regierungen bieten, bei der die lokale Bevölkerung nur verlieren kann.

Wichtige Kernforderung der deutschen (und übrigens auch europäischen) Rohstoffstrategie ist die Durchsetzung von Freihandel. Das wird sowohl bei bilateralen Freihandelsabkommen als auch bei Regierungsgesprächen dominant verfochten. Regierungen rohstoffreicher Entwicklungsländer werden damit wertvolle Handlungsspielräume für Umweltschutz und den Aufbau heimischer Industrien genommen, die sie aber genau angesichts des weltweiten Runs auf ihre natürlichen Reichtümer dringend benötigen, um diesen Reichtum auch in Wohlstand für ihre Bevölkerungen umzusetzen.

Die Unterstützung freiwilliger Initiativen für mehr Transparenz im Rohstoffsektor (Extractive Industries Transparency Initiative, EITI) wirkt daneben nur als Feigenblatt und Ausrede, wenn sie nicht von verbindlicher Regulierung für Transparenz, Menschenrechte, Umwelt- und Sozialstandards begleitet wird - beispielsweise bei den Instrumenten der Außenwirtschaftsförderung. Das Interesse der deutschen Wirtschaft ist nachvollzieh nachvollziehbar. Aber eine Rohstoffpolitik darf nicht nur von nationalen Egoismen geprägt sein.


Die EU Raw Materials Initiative

Die Rohstoffstrategie der EU stützt sich auf drei Säulen: Aufbau eines Level Playing Fields für europäische Unternehmen in Drittstaaten, nachhaltige Versorgung der europäischen Industrie mit Rohstoffen und Förderung von Ressourceneffizienz und Recycling. Aus Entwürfen des Fortschrittsberichts zur Raw Materials Initiative, den die Europäische Kommission in Kürze vorlegen wird, lassen sich einige besorgniserregende Schlüsse herauslesen.

So wird die EU weiterhin massiv auf das Instrument Freihandel setzen, um sich bedingungslosen Zugang zu den Rohstoffen ihrer Partnerländer zu sichern. Dies ist nachvollziehbar im generellen Kurs der EU-Handels- und Investitionspolitik, wird aber die bereits in der Debatte um die EPAs aufgeführten Risiken und Nachteile für rohstoffreiche Entwicklungsländer massiv verstärken. So droht die EU beispielsweise damit, Ländern, die den Export von Rohstoffen beschränken, den vergünstigten Marktzugang zu entziehen (Ausschluss aus dem General System of Preferences, GSP). Außerdem will sie die Regulierung von Auslandsinvestitionen (Trade Related Investment Measure, TRIMs) in ihre bilateralen Handelsabkommen aufnehmen, was die Entwicklungsländer kategorisch ablehnen. Eine drohende WTO-Klage gegen China aufgrund von Exportbeschränkungen bei strategischen Mineralien könnte sich zudem noch als äußerst kontraproduktiv erweisen, wenn man bedenkt, wie abhängig die europäische Industrie von China ist.

Aspekte von guter Regierungsführung und verbindlicher Regulierung tauchen in der europäischen Strategie dagegen so gut wie gar nicht auf. Auch die EU setzt auf eine neue Form der "Rohstoffdiplomatie" mit rohstoffreichen Entwicklungsländern, die diese als neokolonial bezeichnen.


Zivilgesellschaft kein Akteur?

Die Bundesregierung führt seit Jahren einen Dialog mit der Wirtschaft zu rohstoffpolitischen Fragen - in Vorbereitung dieser Strategie und im Rahmen des interministeriellen Ausschusses. Ein wichtiger Akteur fehlt: Die Zivilgesellschaft. Zivilgesellschaftliche Organisationen weltweit arbeiten sehr intensiv an ressourcenpolitischen Themen und haben eine Reihe von klaren Forderungen und Empfehlungen an die Politik. Die Bundesregierung hat sie bisher leider nicht als relevanten Akteur in diesem Politikfeld anerkannt. Die Debatte um eine deutsche Rohstoffstrategie wurde hinter verschlossenen Türen und unter Ausschluss von Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft geführt. Das federführende Ministerium entzieht sich sogar explizit dem Dialog mit den NGOs. Nun war es bestimmt auch nicht hilfreich, dass sich die deutsche Zivilgesellschaft erst sehr spät zu einem Bündnis hat durchringen können, das aber jetzt eine ganze Palette von Anforderungen an eine zukunftsfähige Rohstoffstrategie vorgelegt hat. Die eklatanten Mängel und fundamentalen Fehler bei der Weichenstellung der vorliegenden Rohstoffstrategie machen deutlich, dass es der Bundesregierung sehr gut getan hätte, wenn sie den offenen und transparenten Dialog mit der Zivilgesellschaft gesucht hätte.


Fazit

Wenn der Green New Deal die Antwort auf die ökologischen und sozialen Herausforderungen unserer Zeit sein will, muss er Vorschläge für eine internationale Rohstoffpolitik entwerfen, die die Entwicklung der rohstoffreichen armen Länder im Fokus hat. Was wir angesichts knapper endlicher Ressourcen, steigender Nachfrage und zunehmender Verteilungskonflikte nicht brauchen, ist mehr Freihandel, weniger Regulierung und ein sicherheitspolitischer Diskurs à la Köhler und Guttenberg. Aber genau das findet statt. Und die deutsche und europäische Rohstoffstrategie werden damit den ressourcenpolitischen Herausforderungen unserer Zeit nicht gerecht - und Deutschland und Europa nicht ihrer weltpolitischen Verantwortung.


Die Autorin leitet das Referat Internationale Umweltpolitik der Heinrich Böll Stiftung und arbeitet schwerpunktmäßig zu internationaler Klima- und Ressourcenpolitik.


(1) Die Europäische Kommission hat vor einigen Monaten 14 kritische mineralische Rohstoffe identifiziert, die im folgenden Sinne kritisch sind: strategisch bedeutsam für die Industrie, hohes Versorgungsrisiko und Mangel an Substituten
(siehe http://ec.europa.eu/enterprise/policies/rawmaterials/critical/index_en.htm).


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2010, S. 3-4
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Mai 2011