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REDE/487: Minister Rösler zum Haushaltsgesetz 2012 vor dem Deutschen Bundestag, 08.09.11 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Rede des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie, Dr. Philipp Rösler, zum Haushaltsgesetz 2012 vor dem Deutschen Bundestag am 8. September 2011 in Berlin


Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete!

Wir alle kennen die guten Zahlen der deutschen Wirtschaft. Trotz einer leichten Abkühlung im zweiten Quartal erwarten wir für das Jahr 2011 2,6 Prozent Wachstum. Wir haben eine grandiose Beschäftigungssituation. Es gibt mehr als 41 Millionen Erwerbstätige; davon sind über 28 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Im letzten Jahr wurden 700.000 neue Jobs geschaffen. Davon waren mehr als die Hälfte Vollzeitjobs. Wir haben die niedrigste Arbeitslosigkeit seit 1992. Die Zahl der Arbeitslosen liegt bei unter drei Millionen.

Angesichts solcher Zahlen ist Verunsicherung und ist erst recht Angst vor Rezession vollkommen unangebracht. Wir haben eine starke Wirtschaft, und wir erwarten auch weiterhin robustes Wachstum in Deutschland.

Deswegen war es ein bisschen merkwürdig, wie sich gestern gerade die Sozialdemokraten noch einmal selbst beweihräuchert haben ob der guten Taten damals in der Großen Koalition. Abgesehen davon, dass das jetzt ja eher schon verwelkte Siegerkränze sind, muss man eines deutlich machen: Tatsächlich haben wir das Wachstum doch vor allem den Unternehmerinnen und Unternehmern, ihren Beschäftigten und ihren Produkten und Dienstleistungen in Deutschland zu verdanken, also denjenigen Menschen in unserem Lande, die gerade in den Krisenzeiten 2008 und 2009 fleißig gewesen sind. Das sind Menschen, denen wir uns in besonderer Weise verpflichtet fühlen.

Das bedeutet, Herr Kollege Heil, dass wir alles dafür tun müssen, um das Wachstum, das wir momentan noch haben, auch weiter zu verstetigen, und die richtigen politischen Entscheidungen treffen müssen.

Dazu müssen wir zuallererst die größte Wachstumsbremse in Deutschland lösen, und das ist in der Tat der Fachkräftemangel. Wir wollen schwächere Jugendliche mehr fördern als bisher, damit sie Ausbildungsfähigkeit und -reife erhalten. Wir wollen eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir sollten auch diejenigen nicht vergessen, die älter sind, aber noch im Arbeitsleben stehen. Ich habe kein Verständnis für große Unternehmen, die sich auf der einen Seite über Fachkräftemangel beklagen, aber auf der anderen Seite Menschen über 55 entlassen. Das ist ein Verlust für die Unternehmen und auch ein volkswirtschaftlicher Fehler. Wenn wir Fachkräftesicherung betreiben, müssen wir sie in allen Generationen betreiben. Das kann helfen, das Wachstum gerade in dieser Zeit in besonderer Weise zu verstetigen.

Es reicht aber nicht aus, nur im Inland nach Fachkräften zu suchen. Ich füge hinzu: Wir brauchen auch die Zuwanderung Qualifizierter aus dem Ausland. Dazu müssen wir die Regeln verbessern. Wir müssen Schluss machen mit bürokratischen Hemmnissen. Die Vorrangprüfung muss weiter reduziert werden. Wir müssen auch, was die sofortige Niederlassungsmöglichkeit hier anbelangt, die Einkommensschwelle - Sie alle kennen die Diskussion - von 66.000 Euro auf 40.000 Euro senken. Es geht aber um weit mehr als nur um reine Kennzahlen und Einkommensdaten. Wir brauchen in Deutschland eine Willkommenskultur; denn die Frage der Zuwanderung ist auch, aber nicht nur eine ökonomische Frage, sondern weit darüber hinaus auch eine gesellschaftliche Frage, der wir uns gemeinsam annehmen müssen. - Das ist eine der wenigen Gemeinsamkeiten, die wir offensichtlich derzeit haben. Jetzt komme ich aber zu weiteren Unterschieden.

Wer Wachstum verstetigen will, muss natürlich auch an Entlastung denken. Es waren doch die Menschen in den Unternehmen, die in schwierigen Jahren Leistung erbracht haben. Sie müssen auch etwas von dem Geleisteten spüren. Deswegen ist es richtig, untere und mittlere Einkommen steuerlich zu entlasten und gleichzeitig die kalte Progression zu reduzieren. Das ist übrigens nicht nur eine Frage der Entlastung, sondern auch eine Frage der Steuergerechtigkeit.

Darüber hinaus haben wir vereinbart, die Lohnzusatzkosten in Deutschland zu senken; denn in Deutschland sind bekanntermaßen nicht die Löhne zu hoch, sondern die Lohnzusatzkosten. Wir wollen in Deutschland als christlich-liberale Regierungskoalition nicht nur Wachstum, sondern gleichzeitig auch Beschäftigung. Entlastung ist dazu genau der richtige Weg.

Natürlich geht es neben der Entlastung im finanziellen Bereich auch um die Entlastung von bürokratischen Aufgaben. Bürokratie ist doch so etwas wie eine Art Mehltau, der sich im Moment über die Unternehmen in Deutschland legt. Deswegen ist es beispielsweise richtig, dass wir endlich mit dem bürokratischen Monstrum ELENA Schluss gemacht haben. Das stellte gerade eine Belastung für die kleinen und mittelständischen Unternehmen dar. Hier kann man sehr schnell sehen, dass man selbstverständlich, ohne viel Geld in die Hand zu nehmen, Wachstum verstetigen und gerade Mittelstand, Handel und Handwerk in Deutschland unterstützen kann.

Entlastung ist für die SPD allerdings ein Fremdwort. Ich habe mir einmal das Konzept angesehen, das Sie gerade vorgelegt haben. Sie wollen nicht Entlastung, sondern Belastung: bis zum Jahr 2016 zusätzliche Steuererhöhungen in einem Umfang von 37 Milliarden Euro. Das ist Geld, das andere Menschen in Deutschland erst einmal verdienen müssen. Wenn Sie das Geld dann wenigstens zur Haushaltskonsolidierung einsetzen wollten, dann könnte man darüber ja noch diskutieren, aber Sie planen gleichzeitig im Bund Mehrausgaben in Höhe von 85 Milliarden Euro. Das zeigt einmal mehr, Ihre Einnahmen- und Ausgabenrechnung wird am Ende nicht funktionieren. Das beweist die Binsenweisheit, die jeder in Deutschland kennt: Sozialdemokraten können eben einfach nicht mit Geld umgehen. Da, wo Sie regieren, geht es immer nur in Richtung Schuldenstaat.

Dass es auch anders gehen kann, sehen Sie am Einzelplan 09, nämlich am Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Wir schaffen es, 150 Millionen Euro in die Hand zu nehmen für Forschung und Technologie, aber nicht, indem wir die Einnahmen erhöhen, sondern indem wir sparen und kürzen. Dazu sind wir bereit. Die Ausgaben werden um 110 Millionen Euro gekürzt, indem Subventionen zurückgefahren werden. Nur so kann es gelingen, nachhaltige Haushalte aufzustellen.

Wir werden mit dem dadurch freiwerdenden Geld neue Märkte fördern, etwa in den Bereichen digitale Welt, Nanotechnologie und auch Energieeffizienz. Ich sage Ihnen: Gerade bei diesen Förderprojekten stehen sich die Grünen selbst im Wege; denn wenn es jemanden gibt, der fortschrittsfeindlich und kulturpessimistisch ist, dann sind es doch Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Grünen.

Wir jedenfalls stehen für Mut zum Fortschritt. Wir sind davon überzeugt, dass es morgen tatsächlich besser werden kann als heute und dass man Probleme, die durch die Anwendung und Nutzung von Technologien entstehen, nicht durch ein Verbot von Technologien wird lösen können. Vielmehr kann man immer nur versuchen, durch bessere technologische Lösungen genau solche Probleme zu vermeiden. Wir sind die Koalition des Fortschritts, und Sie sind die Koalition des Rückschritts und des Kultur- und Fortschrittspessimismus.

Sehr bemerkenswert fand ich die gesamten Einlassungen der Opposition in den letzten beiden Tagen zur Stabilität des Euro. Eines ist doch klar: Gerade die Wirtschaft braucht eine stabile Währung. 60 Prozent unserer Exporte gehen nach Europa, und 40 Prozent gehen in die Euro-Zone. Deutschland hat wie kein anderer Staat von einer gemeinsamen Währung, von unserem Euro, profitiert.

Aber dass gerade Sie uns hier Ratschläge geben wollen, wie wir in diesen schwierigen Zeiten den Euro stabilisieren können, ist wirklich ein Treppenwitz der Geschichte. Sie waren es doch, die 2005 dem Euro in die Kniekehle getreten haben, und jetzt planen Sie sogar das zweite Foul, indem Sie nach wie vor den Euro-Bonds das Wort reden, obwohl das Bundesverfassungsgericht gestern deutlich gemacht hat, dass eine solche Transferunion, wie Sie auf der linken Seite sie sich vorstellen, niemals machbar und niemals zulässig wäre. Wir wollen sie auch politisch nicht. Wir lassen nicht zu, dass der deutsche Steuerzahler für die Schulden anderer Staaten aufkommen muss.

Was sollen wir Herrn Papandreou sagen, wenn er am 27. September zu uns nach Deutschland kommt, wenn wir ihn bitten, eine Schuldenbremse in die Verfassung aufzunehmen? Oder was wollen wir Herrn Berlusconi oder den Kollegen in Spanien sagen? Die werden sagen: Wir würden das gerne machen. Aber was ist mit euren Ministerpräsidenten in Rheinland-Pfalz, in Baden-Württemberg, in Nordrhein-Westfalen? Da, wo Rot-Grün regiert, gibt es neue Schulden. Da, wo Grün-Rot regiert, gibt es neue Schulden. In Nordrhein-Westfalen, wo im Grunde Rot-Rot-Grün regiert, wird sogar gegen die Verfassung verstoßen. Wie sollen wir von anderen glaubwürdig die Aufnahme einer Schuldenbremse in die Verfassung fordern, wenn Sie nicht in der Lage sind, sich daran vernünftig zu halten?

Stabilität erreichen wir nicht mit Ihrem Weg in ein Schulden-Europa. Stabilität erreichen wir nur, indem wir europaweit klare Stabilitätskriterien vereinbaren: Aufnahme der Schuldenbremse in die Verfassungen und Wettbewerbsfähigkeitstest. Wer diese Tests als Staat nicht besteht, muss sich harten Sanktionsmaßnahmen unterwerfen, damit er wieder auf den Pfad der Stabilität zurückgebracht werden kann.

Ich sage ausdrücklich: Es wäre zu kurz gegriffen, wenn man glaubt, man könne dies durch eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzregierung erreichen, die man mal eben so ins Leben ruft. Bevor es eine gemeinsame Regierung gibt, müssen Sie zunächst einmal die Frage klären, in welche Richtung diese Regierung regieren soll. Dazu braucht sie diese klaren Kriterien. Sie wollen ein Schulden-Europa, wir wollen eine Stabilitätsunion. Das ist der Unterschied zwischen linker Regierung und christlich-liberaler Koalition.

Unsere Aufgabe in unruhiger werdenden Zeiten ist es, Wachstum zu verstetigen, für Fachkräftesicherung zu sorgen, Ressourcen zu sichern. Wir müssen die Menschen und Unternehmen in Deutschland entlasten und so Wachstumskräfte freisetzen. Wir müssen Märkte absichern, neue Märkte finden und unsere Unternehmen von bürokratischen Lasten befreien, damit sie die Chance haben, die neuen Märkte zu nutzen. Dazu braucht man eine stabile Währung und den Mut, sich auf den Weg zur Stabilisierung zu machen. Überall da, wo Sie regieren, wachsen die Schulden und die Arbeitslosigkeit. Da, wo wir regieren, wachsen die Unternehmen und die Beschäftigung. Das ist das Ziel erfolgreicher Wirtschaftspolitik.


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Quelle:
Bulletin Nr. 87-2 vom 08.09.2011
Rede des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie, Dr. Philipp Rösler,
zum Haushaltsgesetz 2012 vor dem Deutschen Bundestag am 8. September 2011 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. September 2011