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INTERNATIONAL/219: Antigua und Barbuda - Geplante Ölraffinerie in der Kritik (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 29. Juli 2014

Antigua und Barbuda: Geplante Ölraffinerie in der Kritik - Experten drängen zu Differenzierung

von Desmond Brown


Bild: © Desmond Brown/IPS

Die Petrotrin-Ölraffinerie in Trinidad und Tobago
Bild: © Desmond Brown/IPS

St. John's, Antigua und Barbuda, 29. Juli (IPS) - Auf Antigua und Barbuda haben Äußerungen des venezolanischen Botschafters über Pläne, eine größere Rohölraffinerie auf der 280 Quadratkilometer großen Insel Antigua zu bauen, bei Experten die Alarmglocken schrillen lassen. Sie fordern die Regierung auf, lieber verstärkt in erneuerbare Energien zu investieren, um die Abhängigkeit von den fossilen Brennstoffen zu verringern.

Die Gespräche zwischen den Regierungen über die Raffinerie kämen voran, meinte unlängst der venezolanische Botschafter auf Antigua, Carlos Perez. "Wir hoffen, dass die neue Regierung von Premierminister [Gaston] Browne das Projekt, das Antigua und Venezuela zugute kommen wird, zum Abschluss bringt."

Brownes Arbeiterpartei hatte nach zehn Jahren in der Opposition am 12. Juni die allgemeinen Wahlen auf Antigua und Barbuda gewonnen. Doch Umweltschützer einschließlich Arthurton Martin aus Dominica sind gegen das Vorhaben. Sie verweisen auf den diesjährigen Bericht des Weltklimarats, demzufolge die globalen Temperaturen nicht wie erhofft, um zwei, sondern aller Voraussicht nach um vier Grad Celsius steigen werden.

"Das bedeutet, dass der damit verbundene Anstieg des Meeresspiegels flachen Ländern wie Antigua und Barbuda noch mehr Schäden bringen wird", warnte Martin. "Im Zuge der Temperaturfluktuationen werden sich zudem die Trockenzeiten verlängern."


Saubere Technologien vorhanden

Martin weist zudem auf die Existenz vieler alternativer Optionen hin, um den Energiebedarf zu decken. Anstatt die Erdölraffinerie zu bauen, sei Antigua und Barbuda besser beraten, in saubere Ressourcen wie Biotreibstoff, Solar- und Windenergie zu investieren. "Diese Technologien sind bereits entwickelt und stehen zum Kauf bereit. Wir brauchen nur noch zuzugreifen."

Wie der Umweltschützer weiter betonte, "stehen zum ersten Mal in der Geschichte der internationalen Finanzgemeinschaft Kredite und zinsgünstige Darlehen zur Verfügung, um die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen als Energieträger zu verringern".

Erdölraffinerien sind große Emittenten von Treibhausgasen und anderen Schadstoffen. Sie produzieren zudem die besonders klimaschädlichen Methan- und Lachgase sowie eine Reihe gesundheits- und umweltschädlicher Substanzen wie Schwefelwasserstoff, Schwefeldioxid, Stickstoffoxid, Feinstaub und flüchtige organische Verbindungen.

Chante Codrington leitet das Unternehmen 'Wadadli Industrial Renewable Energy'. Er verhandelt derzeit mit der Regierung von Antigua und Barbuda über den Bau eines Windparks. Er hält die Windkraft für die wirksamste und kostengünstigste Energiequelle für die Zwillingsinseln.

"Von der Erdölraffinerie lässt sich nichts Gutes erwarten", meint er im Gespräch mit IPS. "Es gibt viele Argumente gegen die Verbrennung fossiler Energieträger in einem Land, das vor allem vom Tourismus abhängt." Als Beispiele nennt er den Gestank nach Schwefel, die Luft- und Wasserverschmutzung, Brand- und Explosionsgefahren, Lärm und negative Gesundheitsauswirkungen.

Ähnlich denkt John Burke, ebenfalls ein Befürworter sauberer Energien. Er weist zudem darauf hin, dass die Ölpreise steigen werden. "Für jede Kilowattstunde Strom, die wir derzeit produzieren, geben wir 0,80 oder 0,90 EC (Ostkaribische Dollar, umgerechnet 0,26 bis 0,33 US-Dollar) aus. Gäbe es ein Programm zur Finanzierung und Installation von Solarsystemen für die Armen und die Mittelschicht, ließe sich dies mit den Geldern finanzieren, die wir aufgrund der geringeren Erdölimporte einsparen könnten."

Einem Bericht der Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) ist zu entnehmen, dass sich die Energienachfrage um einen jährlichen Durchschnittswert von 3,7 Prozent in der Region in den nächsten 20 Jahren verdoppeln wird. Derzeit hängen die meisten Karibikstaaten weitgehend von der Einfuhr fossiler Brennstoffe ab. Ihr Energiekonsum basiert fast vollständig auf Ölprodukten, die mehr als 97 Prozent des Energiemix ausmachen.

Trinidad und Tobago, Kuba, die Dominikanische Republik und Barbados decken einen Teil ihres Treibstoffbedarfs mit eigenen Öl- und Gasreserven. Allerdings verfügt lediglich Trinidad und Tobago über bedeutende nachgewiesene Lagerstätten.


Fossile Brennstoffe zu einem hohen Preis

Etliche Karibikstaaten geben 15 bis 30 Prozent ihrer Exporteinnahmen einschließlich der Tourismuseinkünfte für Ölprodukte aus. Dies führt zu Strompreisen von 0,20 bis 0,35 EC pro Kilowattstunde, die die in den USA und Europa bei weitem übersteigen.

Peter Lewis, Geschäftsführer von 'Carib Energy Solutions' mit Sitz in Barbuda, ist der Meinung, dass die Regierung den globalen Trend hin zu einem Energiemix im Auge behalten sollte. Diversifizieren sei immer besser. Martin ist der gleichen Meinung und verweist auf das 'Bananenexperiment' in seinem Heimatland Dominica. Damals habe man alles auf eine Karte beziehungsweise auf ein Agrarerzeugnis (Bananen) gesetzt. "Kein Land sollte sich auf einen Energieträger einschießen. Das hat sogar Venezuela inzwischen verstanden", betont er. "Wenn die Sonne zu drei Prozent, Wind zu 15 Prozent, Biomasse zu 20 Prozent zur Energieproduktion beiträgt, können wir unsere Abhängigkeit von den schmutzigsten Energieträgern verringern", fügt er hinzu.

Anfang 2007 hatte die Regierung von Dominica Pläne bekannt gegeben, ebenfalls zusammen mit Venezuela eine Erdölraffinerie zu bauen. Doch der Widerstand brachte das Vorhaben 2008 zum Erliegen. (Ende/IPS/kb/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/07/antigua-weighs-high-cost-of-fossil-fuels/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Juli 2014