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INTERNATIONAL/134: Sierra Leone - "Diamanten wird es nicht ewig geben", Agrarproduktion holt auf (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 1. Februar 2013

Sierra Leone: 'Diamanten wird es nicht ewig geben' - Agrarproduktion holt auf

von Tommy Trenchard


Bild: © Tommy Trenchard/IPS

Mabinti mit einer Papaya in Makonkonde
Bild: © Tommy Trenchard/IPS

Freetown, 1. Februar (IPS) - In Makonkonde im Westen von Sierra Leone hat sich Mabinti, die schon lange nicht mehr weiß, wie alt sie eigentlich ist, im Schatten eines Palmenhains auf einem Stuhl niedergelassen. Ihre von harter Arbeit gezeichneten Hände spielen mit einer Papaya.

Für Kleinbauern wie sie ist es nie leicht gewesen, im ländlichen Sierra Leone ein Auskommen zu finden. Die einzige Chance, die sich Mabinti bietet, um an den Früchten zu verdienen, wäre die Ankunft von Käufern. Doch auf der staubigen Straße nach Waterloo, der nächsten Stadt, kommen pro Stunde höchstens zwei Motorräder vorbei.

Die Alternative wäre, die Früchte mit dem Fahrrad nach Waterloo zu transportieren. Doch das würde sich im Grunde nicht lohnen. Die Obstindustrie ist wie in vielen Ländern Westafrikas unterentwickelt. Tatsächlich hatte Mabinti schon immer Schwierigkeiten, erreichbare und lukrative Absatzmärkte zu finden. In Sierra Leone lassen sich mit Früchten ohnehin keine guten Geschäfte machen. Papayas und Mangos werden zu geringen Preisen gehandelt.


Subsistenzwirtschaft

In Anbetracht der vielen Schwierigkeiten vergammeln zahllose Früchte am Baum. Das ist vor allem in den ländlichen Gebieten der Fall. Dort werden die Früchte meist vor Ort verzehrt, anstatt in den Verkauf zu gehen. "In den letzten Jahren hat die Regenzeit Unmengen Obst vernichtet", sagt Samuel Serry, ein Sprecher des sierraleonischen Agrarministeriums.

Das Ministerium hat zusammen mit der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO Anstrengungen unternommen, um die landwirtschaftlichen Erzeugnisse zu kommerzialisieren. So wurden Versuche unternommen, den Zugang zu den Märkten zu verbessern, den Agrarprodukten einen Mehrwert zu verleihen und sozialverantwortliche Investitionen anzuziehen.

Die FAO förderte auch die Gründung von Kooperativen aus rund 35 Bauern und richtete landesweit sogenannte Agrobusinesszentren (Agri-Business Centres - ABCs) ein - Vertriebszentren für jeweils drei bis vier Genossenschaften. Von dem System verspricht man sich eine Verbesserung der Ernten, den Zugang zu Maschinen für die Weiterverarbeitung, den Bau von Speichern und Möglichkeiten, die Ernten zu den Märkten zu schaffen.

Insbesondere bemüht sich die UN-Organisation um Investoren, die die Erzeugnisse weiterverarbeiten. Ein solches Unternehmen ist 'Africa Felix Juice', ein Erzeuger tropischer Fairtrade-Fruchtsäfte für den europäischen Markt. Africa Felix Juice ist ein neues Geschäftsmodell, das sierraleonischen Bauern einen Absatzmarkt und faire Preise anbietet.

Was Africa Felix Juice nach Ansicht seines Gründers und Geschäftsführers Claudio Scotto so einzigartig macht? Es sei das einzige Unternehmen in Sierra Leone, das nach dem Ende des zehnjährigen Bürgerkriegs 2002 weiterverarbeitete Agrarerzeugnisse nach Europa exportiert. Wie viele afrikanische Länder führt Sierra Leone traditionell Rohstoffe wie Rutin, Eisenerz und vor allem Rohdiamanten aus.

Afrika Felix stellt in einer kleinen Fabrik in Newton, einen Dorf in der Nähe der Hauptstadt Freetown, ein hochwertiges Saftkonzentrat her. Inzwischen beschäftigt die Firma 45 ständige Mitarbeiter und kann den 2.000 Bauern, von denen sie beliefert wird, höhere Preise zahlen.

"Es war sehr leicht, die Bauern dazu zu überreden, mir ihre Mangos zu verkaufen, die ansonsten verrotten würden", berichtet Scotto, der nach eigenen Angaben das Geschäft aufgezogen hat, weil er eine Sierraleonerin geheiratet hat. Selbst dort, wo bereits ein Markt vorhanden ist, zahlt das Fairtrade-zertifizierte Unternehmen den Bauern mehr als üblich. Bis zu dreimal höhere Einkünfte treiben die Bauern an, die Produktion zu steigern.

In der Ortschaft Garahun denkt der lokale Chief Momodou Kamara darüber nach, neue Mangobäume zu pflanzen, seitdem sich die Früchte bestens an Africa Felix Juice verkaufen lassen. Bisher mussten die Bauern ihre Mangos nach Waterloo bringen, wo man ihnen 500 Leones (zehn US-Cent) für das Dutzend gab. Inzwischen erhalten sie den dreifachen Preis für die gleiche Menge. "Jetzt sind endlich Profite möglich", meint Kamara.

Scotto macht für das schleppende Wachstum der Landwirtschaft vor allem den Bürgerkrieg im letzten Jahrzehnt verantwortlich. "Die Abwesenheit von Frieden ist zerstörerisch", betont er und verweist auf den gravierenden Vertrauensmangel, der jedem erfolgreichen Geschäftsmodell im Wege stehe.


Auf Erholungskurs

Doch Sierra Leone hat seit 2002 mächtig aufgeholt. Seit den friedlichen Präsidentschaftswahlen im vergangenen November, die dem Amtsinhaber Präsident Ernest Bai Koroma eine zweite Amtszeit bescherten, herrscht die verbreitete Meinung vor, dass das Land für Geschäfte offensteht.

Abdullah F. Koroma, der während des Krieges seine Ananaszucht aufgab, nachdem Rebellen das Bewässerungssystem zerstört hatten, ist in diesem Jahr zur Agrarproduktion auf seinem Land in der Ortschaft Mobangba zurückgekehrt. "Bisher war das Land nicht stabil gewesen", meint er.

In Sierra Leone mag der Bergbausektor zwar neuerdings viel Aufmerksamkeit erfahren. Die Landwirtschaft trägt jedoch ganze 45 Prozent zum nationalen Bruttoinlandsprodukt bei und beschäftigt 3,5 Millionen der insgesamt knapp sechs Millionen Menschen. "Im Agrarsektor gibt es große Potenziale", meint Samuel Serry. "Diamanten wird es nicht ewig geben, doch das Land bleibt." (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.fao.org/index_en.htm
http://www.ipsnews.net/2013/01/diamonds-are-not-forever-but-the-land-is/

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IPS-Tagesdienst vom 1. Februar 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Februar 2013