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FINANZEN/072: Zur Situation von Griechenland und anderen Europäischen Staaten (Annette Groth)


Zur Situation von Griechenland und anderen Europäischen Staaten (IWF)

Von Annette Groth, MdB Fraktion DIE LINKE im Bundestag, 5. Mai 2010


Werden jetzt die Strukturanpassungsprogramme, die der Internationale Währungsfond (IWF) in der Vergangenheit den Ländern im globalen Süden aufgezwungen hat, Griechenland und anderen EU-Staaten aufgedrückt?

Das den Griechen aufgezwungene drakonische Sparpaket erinnert sehr an die Strukturanpassungsprogramme, die in den 1980er und 1990er Jahre zahlreichen Staaten in Afrika, Lateinamerika und Asien gegen Kreditzusagen von Weltbank und IWF aufoktroyiert wurden. Auch diese Länder mussten Einsparungen im Sozialsektor wie z.B. Bildung und Privatisierungen öffentlicher Güter vornehmen, um dringend benötigte Finanzmittel zu erhalten. Das hat maßgeblich zur Armutsverschärfung beigetragen. Das gleiche droht jetzt in Griechenland. Dort werden Renten und Löhne um 20% gekürzt, sollen Staatsunternehmen privatisiert werden, wird die Mehrwertsteuer auf 23% erhöht, damit die EU-Mitgliedsstaaten und der IWF Finanzhilfen gewähren. Durch das Zögern der Bundeskanzlerin, die dringend benötigten Finanzen für Griechenland freizugeben, haben sich die Kreditkosten für Griechenland weiter erhöht. Ein lukratives Geschäft für Spekulanten!

2009 wurden schon in den baltischen Staaten und in Ungarn die Löhne und Renten um bis zu 20% gesenkt und andere Sparmaßnahmen verabschiedet. Wenn nicht schleunigst die Regulierung der Finanzmärkte sowie der Ratingagenturen erfolgt, könnte es noch weitere Opfer geben.

Solange es die «finanziellen Massenvernichtungswaffen» in Form von Kreditausfallversicherungen und Leerverkäufen auf den Finanzmärkten gibt, geht die Spekulation weiter. Jetzt kommen Spanien und Portugal unter Druck, Portugals Regierung hat bereits das Arbeitslosengeld gekürzt und will jetzt die Sozialausgaben einer strengen Prüfung unterziehen.

In Irland wurden bislang Giftpapiere im Nennwert von 81 Milliarden von insgesamt 533 Milliarden Ausständen in eine staatliche Bad Bank zusammengefasst. Durch die Bankenrettung ist das Haushaltsdefizit auf 11 Prozent gestiegen. Nach massiven öffentlichen Kürzungen im letzten Jahr, stehen nun weitere Lohnsenkungen von 8% , die Anhebung des Rentenalters von 65 auf 68 Jahre und der Abbau von 20.000 Arbeitsplätzen im öffentlichen Sektor an!

In Deutschland bereitet das Gerede von der "römischen Dekadenz" des Herrn Westerwelle und dem "Sozialschmarotzertum" der angeblich arbeitsunwilligen Hartz-IV EmpfängerInnen den Boden für Kürzungen auch bei uns. Das griechische Sparprogramm könnte die Blaupause für eine deutsche Agenda 2020 sein, die derzeit in Griechenland erprobt wird. Darum müssen wir uns gemeinsam mit den Griechen, Spaniern und Portugiesen gegen die drakonischen Sparmaßnahmen wehren, die vor allem RentnerInnen, Arbeitslose und lohnabhängig Beschäftigte betreffen.

Letzte Woche hat die Banken-Lobby weithin unbemerkt einen großen Sieg errungen. Die für 2011 geplante Eigenkapitalerhöhung um das Vierfache (Banken sollten ihre Wertpapiere im Handelsbuch mit viermal soviel Eigenkapital unterlegen), ist vom Europäischen Parlament gekippt worden. Das ist ein Freibrief für weitere Spekulationen, denn "wenn Finanzinstitute riskante Papiere mit eigenem Geld unterlegen müssen, sinkt ihr Risikoappetit." (Financial Times Deutschland, 29.4. 2010)

Die Durchsetzung einer effektiven Reichensteuer und die Einführung einer Finanztransaktionssteuer ist wichtiger denn je. Darüberhinaus fordert Die LINKE eine Banken- und Versicherungsabgabe nach US-Vorbild mit Ausnahme der Sparkassen und Genossenschaftsbanken.


Annette Groth, Menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke und Sprecherin der LAG Europa Baden-Württemberg


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Quelle:
Pressemitteilung vom 5. Mai 2010
Annette Groth, MdB
Fraktion DIE LINKE im Bundestag
Menschenrechtspolitische Sprecherin
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
E-Mail: annette.groth@bundestag.de
Internet: www.annette-groth.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Mai 2010