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ENTWICKLUNGSHILFE/096: Chinesische Entwicklungsfinanzierung in Afrika fast so hoch wie die der USA (idw)


Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg - 15.05.2013

Chinesische Entwicklungsfinanzierung in Afrika ist fast so hoch wie die der USA

Studie stützt sich auf eine neue Datenbank, in der Medienberichte über 1.673 Projekte in 50 afrikanischen Ländern erfasst werden



Die finanziellen Mittel, die die Volksrepublik China für Projekte der Entwicklungshilfe in Afrika aufwendet, sind ähnlich hoch wie die der Vereinigten Staaten von Amerika. So leistete China im Zeitraum 2000 bis 2011 Entwicklungshilfe im Umfang von rund 75 Milliarden US-Dollar, die USA von rund 90 Milliarden US-Dollar. Zu diesem Ergebnis ist jetzt ein Team amerikanischer und deutscher Wissenschaftler unter Beteiligung Heidelberger Ökonomen gekommen. Da detaillierte Informationen über die chinesische Entwicklungsfinanzierung weitergehend unter Verschluss gehalten werden, werteten die Experten mehrere tausend Medienberichte über die von China geförderten Projekte in Afrika aus. Mit der daraus entstandenen Datenbank war es erstmals möglich, eine umfassende Übersicht über die vielfältigen Aktivitäten Chinas in diesem Bereich zu gewinnen und erste Schätzungen über die Gesamthöhe der Hilfszusagen zu machen. Die Studie "China's Development Finance to Africa: A Media-Based Approach to Data Collection" wurde in Washington D.C. vorgestellt. Ko-Autoren sind Prof. Dr. Axel Dreher und Dr. Andreas Fuchs vom Alfred-Weber-Institut für Wirtschaftswissenschaften der Universität Heidelberg.

Die neue Datenbank wurde unter der Federführung von AidData erstellt - einem Zusammenschluss amerikanischer Forschungseinrichtungen mit dem Ziel, der Öffentlichkeit Informationen über die Vergabe und Wirkung von Entwicklungshilfe zugänglich zu machen. AidData dokumentiert dabei den Verlauf von mehr als 5,5 Billionen US-Dollar von über 90 Gebern und initiiert dazu Forschungsvorhaben. "Die chinesische Regierung veröffentlicht nur selten und sporadisch Zahlen zu ihrer offiziellen Entwicklungshilfe in Afrika. Darum mussten wir uns bei der Datenrecherche auf andere Quellen stützen", erklärt Prof. Dreher. Die Datenbank basiert auf der Auswertung von mehreren tausend Medienberichten über Vorhaben in der Entwicklungsfinanzierung, die China in Afrika zwischen 2000 und 2011 realisiert hat. Sie beinhaltet Informationen über 1.673 offizielle Projekte in 50 afrikanischen Ländern, von denen 1.422 fest zugesagt sind, bereits implementiert werden oder schon abgeschlossen sind.

"Für unsere Untersuchungen mussten wir zunächst definieren, welche Projekte tatsächlich der Entwicklungshilfe zuzuordnen sind", erläutert Dr. Fuchs, der wie Prof. Dreher im Projektteam von AidData mitarbeitet. "Erschwert wird die Zuordnung durch das Verfahren der chinesischen Regierung, Finanzpakete mit einer Mischung aus direkter Hilfe, Investitionen, Exportkrediten und Vorzugsfinanzierungen zu schnüren", so der Wissenschaftler. Die nun erschienene Studie erfasst mehrere Formen der Entwicklungsfinanzierung. Dazu gehören Mittel der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit wie zum Beispiel Zuschüsse und Darlehen, die von offiziellen chinesischen Quellen bereitgestellt werden und darauf abzielen, die wirtschaftliche Entwicklung in Entwicklungsländern zu fördern. Mindestens 1.076 der 1.673 offiziellen Projekte erfüllen die dafür vorgesehene strenge Definition der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Außerdem wurden weitere bilaterale Transaktionen chinesischer Regierungsstellen wie Exportkredite der Export-Import-Bank oder Investitionsförderungen der China Development Bank berücksichtigt. Nicht in die Statistiken eingeschlossen, aber trotzdem von der Datenbank erfasst, sind Projekte von staatseigenen Betrieben, privaten Unternehmen und von Nichtregierungsorganisationen.

"Basierend auf diesen Definitionen konnten wir mit unserer Datenauswertung schätzen, wie hoch der Umfang der finanziellen Mittel ist, die China in Afrika aufwendet", sagt Prof. Dreher. Anders als die Höhe der US-Projekte, die sich konstant zwischen neun und elf Milliarden Dollar jährlich bewegt hat, war die chinesische Entwicklungsfinanzierung dabei starken Schwankungen ausgesetzt. Lag sie nach Angaben der Heidelberger Wissenschaftler im Jahr 2000 bei rund zwei Milliarden Dollar, stieg sie 2006 auf bis zu 17 Milliarden Dollar und war auch in den Jahren 2009 und 2010 bedeutsamer als die der Vereinigten Staaten - auch wenn ein Großteil der Gelder aus China im Gegensatz zu den US-finanzierten Projekten nicht unter die strenge Definition von öffentlicher Entwicklungszusammenarbeit der OECD fällt, wie Prof. Dreher erläutert.

"Weitere Analysen der Medienberichte über die von China geförderten Projekte liefern möglicherweise neue Erkenntnisse darüber, in welchem Ausmaß die chinesische Hilfe in der Region auf die Gewinnung natürlicher Ressourcen ausgerichtet ist und ob chinesische Aktivitäten die Hilfe anderer Geber ergänzen oder mit diesen konkurrieren", sagt Dr. Fuchs. "Da die Datenlage auf Medienberichten beruht und daher in Teilen unvollständig ist, sind wir auf die Unterstützung von Personen angewiesen, die einen Bezug zur Entwicklungszusammenarbeit in Afrika haben." Journalisten, Wissenschaftler und Entwicklungshelfer sind daher aufgefordert, Informationen über bestimmte Projekte zur Datenbank hinzuzufügen und Korrekturen und Ergänzungen vorzuschlagen.

Der vollständige Datensatz kann unter http://china.aiddata.org abgerufen werden. Dort finden sich auch Erklärungen zu der angewandten Methode und eine interaktive Karte, die die Projekte nach Land oder Projektart getrennt anzeigt. Die Studie "China's Development Finance to Africa: A Media-Based Approach to Data Collection" ist im Internet zu finden unter :
http://international.cgdev.org/sites/default/files/chinese-development-finance-africa_0.pdf

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution5

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Marietta Fuhrmann-Koch, 15.05.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Mai 2013