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ENTWICKLUNGSHILFE/083: Wasser als Waffe (german-foreign-policy.com)


Informationen zur Deutschen Außenpolitik - 19.11.2010
(german-foreign-policy.com)

Wasser als Waffe


BERLIN/ABU DHABI/RIAD - Das deutsche Entwicklungsministerium unterstützt die Aufrüstungspolitik in den Ländern der arabischen Halbinsel. Mit Mitteln der staatlichen "Entwicklungshilfe" wird unter anderem der Bau eines riesigen unterirdischen Trinkwasserreservoirs in den Vereinigten Arabischen Emiraten gefördert. Es ist speziell gegen "äußere Eingriffe" abgesichert und soll insbesondere die Wasserversorgung der Hauptstadt Abu Dhabi im "Krisenfall" gewährleisten. An dem Projekt, das parallel zur vom Westen betriebenen Aufrüstung der Emirate gegen Iran durchgeführt wird, beteiligen sich die dem Entwicklungsministerium unterstehende Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) und das Unternehmen Dornier Consulting, eine Tochterfirma der deutsch-europäischen Rüstungsschmiede EADS. Ähnliche Vorhaben sind auch in Saudi-Arabien geplant, wo EADS zudem die Implementierung eines umfassenden "Grenzsicherungssystems" übernommen hat. Letzteres soll dazu dienen, eine etwaige "Infiltration" durch "Terroristen" aus dem Jemen und dem Irak abzuwehren.


Große strategische Bedeutung

Wie die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) im hessischen Eschborn mitteilt, organisiert sie gemeinsam mit dem EADS-Tochterunternehmen Dornier Consulting den Bau eines 26 Millionen Kubikmeter großen Trinkwasserspeichers in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Geplant ist, große Mengen entsalztes Meerwasser in einem Wüstengebiet versickern zu lassen, um das hier bereits vorhandene Grundwasser anzureichern. Auf diese Weise sei es möglich, im "Krisenfall" eine Million Menschen 90 Tage lang mit Wasser zu versorgen, erklärt die GTZ und spricht von einem Projekt mit "großer strategischer Bedeutung".[1]


Perfekt getarnt

Bis 2014 sollen laut GTZ 160 Kilometer Pipeline, drei große Versickerungsbecken, 326 Förderbrunnen, 117 Grundwassermessstellen sowie Pumpstationen und Chlorierungsanlagen in dem dünn besiedelten Liwa-Gebiet am Rande der Wüste Rub' al-Khali entstehen. Das 500 Millionen US-Dollar teure Bauvorhaben umfasst zudem die Errichtung eines "autarken" Stromnetzes, das den Betrieb der Anlage selbst im Falle eines vollständigen Zusammenbruchs der öffentlichen Elektrizitätsversorgung ermöglicht. Der Regierung der VAE gilt das landeseigene Trinkwassersystem offenbar als mögliches Ziel kriegerischer oder terroristischer Angriffe; um eine entsprechende "Katastrophe" abzuwenden, brauche man ein Wasserreservoir, das den Behörden "genügend Luft" verschaffe, "um beschädigte Anlagen wieder betriebstüchtig zu machen", heißt es. Die GTZ verweist in diesem Zusammenhang stolz darauf, dass der projektierte Wasserspeicher fast vollständig von Wüstensand bedeckt sein wird: "Mit dieser Tarnung lässt sich die Sicherheit gegen äußere Eingriffe beachtlich verstärken."[2]


Im Krisenfall

Wie die staatliche Entwicklungsagentur weiter mitteilt, stößt die Anlage unterirdischer Wasserreservoirs bei den Nachbarn der VAE, die gegenwärtig wie auch die Emirate mit voluminösen Waffenexporten vom Westen gegen Iran hochgerüstet werden [3], auf "zunehmendes Interesse". "Auch in Kuwait, Katar, Bahrain und Saudi-Arabien wären die Trinkwasservorräte im Krisenfall in kürzester Zeit aufgebraucht", heißt es.[4] Der "Projektpartner" der GTZ, die EADS-Tochter Dornier Consulting, hat nach eigenen Angaben bereits damit begonnen, "die Grundwasserverhältnisse in der Rub' al-Khali-Wüste und im zentralen Bereich Saudi-Arabiens zu erkunden".[5] "Wasserprojekte" waren auch das zentrale Thema einer "Delegationsreise", die den Geschäftsführer von Dornier, Jürgen Koffler, und den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) Anfang letzten Monats nach Saudi-Arabien und Katar führte. Da die "deutsche Ingenieursqualität" in den Ländern der arabischen Halbinsel "sehr geschätzt" werde, rechne er in den nächsten Jahren gerade bei "Großprojekten im Wasserbereich" mit einem massiven "Ausbau der Geschäftstätigkeit", ließ Koffler im Anschluss wissen.[6]


Grenzabschottung

Dornier Consulting, die in Abu Dhabi und Riad eigene Büros unterhält, unterstützt zudem den Mutterkonzern EADS bei dessen Aktivitäten auf der arabischen Halbinsel. So gelang es Dornier eigenen Angaben zufolge, gestützt auf "gute Kontakte" [7] maßgeblich dazu beizutragen, dass EADS 2009 einen milliardenschweren Auftrag der saudi-arabischen Regierung erhielt [8]: Das Rüstungsunternehmen konnte gegen die Konkurrenz von Thales, Raytheon, Finmeccanica und BAE-Systems die Ausschreibung für die Errichtung eines umfassenden "Grenzsicherungssystems" gewinnen. Bis 2014 wird EADS nun die 9.000 Kilometer lange Außengrenze Saudi-Arabiens mit Zäunen, Infrarotkameras und Bodenradar ausstatten, Systeme für die Überwachung von Flughäfen und Häfen installieren sowie Kommunikationszentren einrichten, in denen die von Sensoren, Luftüberwachung und Bodenpatrouillen gelieferten Informationen zusammenlaufen. Dabei stützt sich die Waffenschmiede auch auf sogenannte Operational Advisors - nach eigener Aussage zuvorderst "frühere Militärangehörige" wie etwa "ehemalige Generäle".[9]


Akute Gefährdung

Bei Bekanntgabe des Deals hatte sich Stefan Zoller, Hauptgeschäftsführer der EADS-Sparte "Defence and Security", gerühmt, den "weltweit (...) wichtigste(n) Auftrag für Sicherheitstechnik" an Land gezogen zu haben [10], und auf die "starke Unterstützung durch die Bundesregierung" verwiesen [11]: Während EADS-Mitarbeiter die Schulung des einheimischen Personals in der Handhabung der für die Überwachung der Grenzen notwendigen technischen Geräte übernehmen, sorgen parallel Angehörige der deutschen Bundespolizei für die Grundausbildung der saudischen Grenztruppe. Deren Aktivitäten dürften sich insbesondere gegen unerwünschte Besucher aus dem Jemen richten; von diesen gehe eine "akute Gefährdung der innenpolitischen Lage" im Königreich Saudi-Arabien aus, urteilt etwa der Nahostexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Guido Steinberg: Aus dem Jemen "kommen alle möglichen Gegenentwürfe zum saudischen Staat."[12] Die Grenze zu dem Land, die von dem deutschen Unternehmen Hansa Luftbild vermessen und kartiert wurde [13], verläuft zum Großteil durch die Rub' al-Khali-Wüste - also genau durch jenes Gebiet, in dem Dornier und GTZ getarnte unterirdische Trinkwasserspeicher anlegen wollen.

Anmerkungen:

[1], [2] Süßwasser aus Allahs Garten; Akzente 3-4/2010
[3] s. dazu Deutsch-arabische Manöver, http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57513
Militärpartner am Golf (II), http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57807 und
Sturmgewehre, http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57878
[4] Süßwasser aus Allahs Garten; Akzente 3-4/2010
[5] Grundwasser-Studien in Saudi Arabien; www.dornier-consulting.com, 14.06.2010
[6] Delegationsreise Saudi-Arabien; www.dornier-consulting.com
[7] Dornier Consulting - aktiv im Nahen Osten und Nordafrika; www.dornier-consulting.com
[8] Bid Management Support for a Border Security Proposal; www.dornier-consulting.com
[9] Wie EADS vom Mauerbau in Saudi-Arabien profitiert; www.welt.de, 05.10.2010
[10] EADS gewinnt Riesen-Auftrag in Saudi-Arabien; www.handelsblatt.com, 01.07.2009
[11], [12] Grenzschutz in Saudi-Arabien: Gute Zäune für die Nachbarn; www.zenithonline.de, 29.06.2010
[13] s. dazu Yemen: Deutsche ziehen neue Grenzen, http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/25900
Kompetenzzentrum , http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/46788 und
Enge Beziehungen , http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/56844


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Quelle:
www.german-foreign-policy.com
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. November 2010