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ENERGIE/2225: EEG-Novelle - Auf dem Weg zu einer sozialen Energiewende? (spw)


spw - Ausgabe 4/2016 - Heft 215
Zeitschrift für sozialistische Politik und Wirtschaft

Meinung
EEG-Novelle: Auf dem Weg zu einer sozialen Energiewende?

von Klaus Mindrup


Die Energiewende verknüpft wie kaum eine andere politische und ökonomische Dynamik die ökologische Frage mit Macht- und Verteilungsfragen. Und selten ist dieser Zusammenhang so eng mit einem Gesetzesvorhaben verbunden und in seinen Auswirkungen so komplex wie in dem vor der Sommerpause novellierten Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Es ist ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt für die Erreichung der Klimaschutzziele, den Ausbau der erneuerbaren Energien, einer demokratischeren Energieerzeugung sowie der Verteilung der Kosten der Transformation.

Mehr Teilhabe durch Mieterstrom

Einerseits gibt es in der Frage der Teilhabe an der Energiewende mit den Verbesserungen für den Bezug von Mieterstrom einen wichtigen Erfolg zu verzeichnen. Bislang müssen MieterInnen, die ihren Strom aus Photovoltaikanlagen beziehen, die volle EEG-Umlage zahlen. Diese Benachteiligung gegenüber den von der Umlage befreiten Eigenheimbesitzern ist nicht nur ungerecht, sondern bremst den Ausbau der Anlagen und die Teilhabe an der Energiewende. Nun kann Mieterstrom per Verordnung des Bundeswirtschaftsministeriums teilweise von der Umlage befreit werden. Diese Verordnung muss jetzt schnell kommen, um Mieterstrom attraktiv zu gestalten und die Akzeptanz der Energiewende zu fördern. Der Deutsche Mieterbund, der Gesamtverband der Wohnungswirtschaft und der Bundesverband der Verbraucherzentralen haben diese Öffnung herzlich begrüßt. Künftig muss mehr erneuerbarer Strom im Quartier erzeugt und verbraucht werden. Dies kann die Effizienz und die Akzeptanz der Energiewende fördern. Dies ist vor allem wichtig, um die Sektorkopplung zum Erfolg zu führen. Damit ist die Nutzung von Strom für die Erzeugung von Wärme und Kälte (i.d.R. durch Wärmepumpen) sowie für den Transport gemeint.

Risiken für Bürgerenergieprojekte

Andererseits birgt die Systemumstellung weg von den gesetzlich festgelegten Einspeisevergütungen hin zur Ausschreibung von Strommengen Risiken für die Bürgerenergieprojekte. Künftig wird die Förderhöhe für Wind- und Solaranlagen ab einer installierten Leistung von 750 kW (150 kW bei Biomasseanlagen) per Ausschreibung festgelegt.(1) Diese Regelung betrifft die meisten Anlagen und galt bereits seit dem Jahr 2015 für Photovoltaikanlagen auf Freiflächen.

Die Bundesnetzagentur erteilt die Zuschläge für die ausgeschriebenen Strommengen ausschließlich nach dem niedrigsten Gebot in Cent je kW/h. Bürgerenergiegesellschaften sind als kleine Akteure in einem Gebotsverfahren gegenüber großen Investoren benachteiligt. Dies belegen die ersten Erfahrungen in den Modellprojekten. Daher haben wir für bessere Bedingungen für Bürgerenergiegesellschaften gekämpft. Sie können ohne verbindliches Gebot in das Verfahren einsteigen und sind für die Teilnahme an der Ausschreibung von den hohen Kosten für die Genehmigung befreit. Bieten sie mit, erhalten sie das höchste abgegebene Gebot als Förderung.

Zudem gelang es, Bürgerenergiegesellschaften rechtlich so zu definieren, dass sich die Städte und Gemeinden - direkt oder über Tochtergesellschaften (z.B. über ihre Stadtwerke) - an ihnen beteiligen können. Durch solche kommunalen Beteiligungen kommen die Einnahmen der Erzeugungsanlagen indirekt auch BürgerInnen zu Gute, die sich eine eigene Beteiligung nicht leisten können.

Dennoch besteht die Gefahr, dass Bürgerenergieprojekte nicht realisiert werden und der Ausbau gebremst wird. Hinzu kommt: Es ist keineswegs garantiert, dass Projekte nach der Ausschreibung tatsächlich umgesetzt werden. Es gibt kein Instrument, Fehlsteuerungen auszugleichen. Daher sollten die Ergebnisse bereits in den ersten Jahren umfassend und unabhängig evaluiert werden. Sollten sich die negativen Prognosen bestätigen, könnte eine alternative politische Mehrheit zum vorherigen System zurückkehren oder das System nachjustieren.

Auswirkungen für Windkraftausbau und Verteilungsgerechtigkeit

Kritisch sehe ich auch die vorgesehenen Ausbaupfade, besonders für Windkraftanlagen. Zwar konnte die SPD weitergehende Forderung der CDU/CSU nach massiver Einschränkung des Ausbaus von Onshore-Windkraft abwehren. Darüber hinaus gelang es der SPD, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Sektorenkopplung zu verbessern. Strommengen aus erneuerbaren Quellen, deren Einspeisung in Phasen einer Netzüberlastung abgeregelt wird, können künftig in engen Grenzen frei verkauft, zur Erzeugung von Wärme verwendet oder gespeichert werden. Nichtsdestotrotz brauchen wir einen Ausbau der erneuerbaren Energie und keine Ausbaubremse, zumal die erneuerbare Energie auch für eine Wende im Wärme- und Verkehrssektor benötigt wird. Um auch nur 85 Prozent des CO2-Ausstoßes des Jahres 1990 bis zum Jahr 2050 einzusparen, ist nach einer Studie des Fraunhofer ISE ein Ausbaupfad allein für Windkraft an Land von 4 GW pro Jahr bis 2050 erforderlich.(2) Der beschlossene Ausbaukorridor für Windkraftanlagen an Land von brutto jährlich 2800 Megawatt (MW) bzw. 2900 MW ab dem Jahr 2020 liegt deutlich darunter und berücksichtigt nicht den Wegfall alter Anlagen. Spätestens ab dem Jahr 2020 werden schätzungsweise jährlich 1500 dieser alten Anlagen vom Netz gehen. Wir brauchen für diese Windräder eine Anschlussregelung zur alten EEG-Förderung, damit sie weiterhin wirtschaftlich betrieben werden können. Der Ausbaukorridor für Windkraft an Land, aber auch auf See und Photovoltaik muss demnach deutlich erhöht werden. In der nächsten Wahlperiode müssen wir die Ausbauziele für die erneuerbaren Energien und den Klimaschutz synchronisieren.

Im Hinblick auf Verteilungsgerechtigkeit bringt die Novelle auch Rückschritte. So wurde der Kreis der energieintensiven Unternehmen, die von der EEG-Umlage befreit sind, ausgeweitet. Waren bislang Unternehmen mit einem Anteil der Energiekosten von 17 Prozent an ihrer Bruttowertschöpfung freigestellt, reicht nun ein Anteil von 14 Prozent aus. Dieser Rabatt muss von den übrigen Verbrauchern aufgebracht werden. Eine sozial gerechte Ausgestaltung der Energiewende muss die Ausnahmen auf ein Mindestmaß beschränken und an klare Auflagen für die Erbringung von wirtschaftlichen Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz koppeln.

Wie weiter? Herausforderungen einer sozialen Energiewende

Wir brauchen weiterhin eine Strategie für Energieeffizienz, den Ausbau von erneuerbaren Energien und Effizienz im Wärmesektor - besonders bei Gebäuden - und im Verkehrssektor.

Nicht zuletzt darf eine sozial-ökologische Strategie nicht ausblenden, dass die Dynamik der Energiewende bisher zu wenig gute Arbeitsplätze geschaffen hat. Wie eine Befragung der IG Metall von 5000 Beschäftigten in der Windkraft- und der Solarbranche zeigte, liegen die Bruttolöhne der Beschäftigten etwa 900 Euro unter dem Durchschnitt des produzierenden Gewerbes. Eine Arbeitswoche über 40 Stunden ist häufig die Regel. Nur eine Minderheit kann sich vorstellen, ihren Beruf bis zum Rentenalter auszuüben.(3) Die Perspektive für bessere Arbeitsbedingungen der ArbeitnehmerInnen dürfte sich durch den Wegfall tausender Arbeitsplätze in der Solarbranche nicht verbessert haben. Mit den engen Ausbaupfaden drohen besonders in der Windkraftbranche weitere Jobverluste.

Eine rot-rot-grüne Bundesregierung müsste die Energiewende deutlich nachhaltiger und sozialer ausgestalten. Dazu gehört auch ein EEG, das den Ausbau von erneuerbarer Energie wieder beschleunigt und deutlich stärker dazu beiträgt, die Energiewende sozialer und partizipatorischer zu gestalten.


Klaus Mindrup ist SPD-Bundestagsabgeordneter und in der Genossenschafts- und Umweltbewegung aktiv. Er lebt in Berlin.


Anmerkungen

(1) Eine feste Einspeisevergütung erhalten Betreiber von Anlagen bis zu 100 kW Leistung. Strom aus Anlagen zwischen 100 kW und 750 bzw. 150 kW-Leistung muss weiterhin direkt vermarktet werden und wird mit der Marktprämie (Differenz zwischen Börsenstrompreis und dem nach der festen Einspeisevergütung anzulegenden Wert) vergütet.

(2) Hans-Martin Henning, Andreas Palzer (2015): Was kostet die Energiewende? Wege zur Transformation des deutschen Energiesystems bis 2050, Fraunhofer-Institut für solare Energiesysteme ISE Freiburg, S. 85.

(3) IG Metall (2014): Nachhaltig - aber auch sozial? Arbeitsbedingungen und Einkommen in den erneuerbaren Energien.
https://www.igmetall.de/docs_WInd_EE_Broschuere_web_11-14_5bf2cc3d451f87712201c9ef685691af3dfe4356.pdf

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Quelle:
spw - Zeitschrift für sozialistische Politik und Wirtschaft
Ausgabe 3/2016, Heft 215, Seite 20-22
mit freundlicher Genehmigung der HerausgeberInnen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. September 2016

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