Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH - 16.06.2015
Energiewirtschaftsgesetz kommunalfreundlicher ausgestalten
Vorschläge des Wuppertal Instituts zur Novellierung des EnWG
In der letzten Woche sorgte ein in Fachkreisen kursierender Referentenentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums zur Änderung der Vergabebestimmungen von Strom- und Gaskonzessionen für große Irritationen. Denn das dreiseitige, als "Arbeitsentwurf" bezeichnete Papier, sollte die Grundlage dafür sein, die im Koalitionsvertrag angekündigten Vergabebestimmungen neu zu regeln. Das Wuppertal Institut begrüßt, dass das Bundeswirtschaftsministerium - nach ersten heftigen Protesten einer renommierten Anwaltskanzlei - das Papier zurückgezogen hat und nicht weiter als Grundlage für eine Gesetzesänderung verwenden wird.
Denn inhaltlich war mit diesem Entwurf keine substantielle Verbesserung hinsichtlich einer kommunalfreundlichen Ausgestaltung verbunden. Zahlreiche der vom Wuppertal Institut in mehreren Studien aufgezeigten Schwachstellen der bestehenden Gesetzeslage und Rechtsprechung wurden in dem Entwurf zwar aufgegriffen, in wichtigen Punkten machte der neue Vorschlag demgegenüber sogar deutliche Rückschritte.
In einem novellierten Energiewirtschaftsgesetz sollten gemäß den Untersuchungen des Wuppertal Instituts folgende zentrale Punkte berücksichtigt werden:
Das derzeitige Konzessionsvergabeverfahren für örtliche Strom- und Gasnetze beinhaltet viele Rechtsunsicherheiten, sodass rechtssichere Verfahren zurzeit kaum möglich sind. Zudem unterlaufen einige Bestimmungen des EnWG die verfassungsrechtlich garantierte kommunale Selbstverwaltung gemäß Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes. Deshalb ist eine Novellierung des Konzessionsvergabeverfahrens im EnWG dringend notwendig.
Es ist daher zu begrüßen, dass das BMWi einen Weg einschlagen will, das Vergabeverfahren eindeutig und rechtssicher zu regeln sowie die Rechtssicherheit im Netzübergang zu verbessern. Die vom Wuppertal Institut in den letzten Jahren erstellten Studien zeigen, dass hier ein dringender Handlungsbedarf zur kommunalfreundlicheren Ausgestaltung des Energiewirtschaftsgesetzes besteht. Die hier genannten Vorschläge zur Novellierung des EnWG sind geeignet, die im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD angekündigte kommunalfreundliche Gesetzes-Reform umzusetzen.
Erläuterungen zu den Novellierungsvorschlägen des Wuppertal Institutes:
Objektive Ermittlung des Kaufpreises des Netzes:
Im Rahmen von Netzübernahmen und Rekommunalisierungen ist eine der
entscheidenden Fragen die Höhe des Netzkaufpreises. Der Netzkaufpreis wird
in õ 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG beschrieben. Leider sieht das Gesetz hier keine
klare Regelung vor. In der Vergangenheit gab es daher zahlreiche
Auseinandersetzungen zu der Frage, welcher Preis für ein zu übernehmendes
Netz zu zahlen ist. Es sollte daher zweifelsfrei festgelegt werden, dass
der Kaufpreis nach dem objektivierten Ertragswertverfahren zu ermitteln
ist. Denn nur so kann ein Neukonzessionär in die Lage versetzt werden, im
Rahmen der Anreizregulierung (mit behördlicher Zuweisung von
Erlösobergrenzen) eine Refinanzierung seiner Netzinvestitionen zu
erreichen.
Auswahlkriterien:
Die im alten EnWG vorgesehene Regelung, dass die Kommunen bei der
Ausgestaltung der Auswahlkriterien für die Konzessionsvergabe nur streng
netzbezogene Kriterien anwenden dürfen, hat sich in der Vergangenheit sehr
nachteilig für die kommunalen Belange ausgewirkt. Hier werden einseitig
wettbewerbliche Aspekte vor die verfassungsrechtlich garantierte kommunale
Selbstverwaltung gem. Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes gestellt. Die Folge
ist, dass in der Vergabepraxis die Gestaltungsspielräume der Kommunen
zurückgedrängt und einseitig die Interessen der Altkonzessionäre bevorzugt
werden. In einem novellierten EnWG müsste die Regelung so erfolgen, dass
die Kommunen deutlich stärker die Angelegenheiten der örtlichen
Gemeinschaft geltend machen können und daneben auch in angemessener Weise
die Ziele des õ 1 EnWG berücksichtigen müssen. Nur dann ist gewährleistet,
dass die berechtigten Interessen der Gemeinden wie regionale Wertschöpfung
und Verbesserung der Gemeindefinanzen sowie Einflussnahmemöglichkeiten auf
den Netzbetreiber gewährleistet werden.
Inhouse-Vergaben:
Um Kommunen die Konzessionsvergabe zu erleichtern, sollten
Inhouse-Vergaben künftig zugelassen werden. Das heißt, Kommunen, die den
Strom- und / oder Gasverteilnetzbetrieb vollständig selbst übernehmen wollen,
sollten eine Inhouse-Vergabe vornehmen können. Denn was den Kommunen heute
schon bei der Vergabe von Wasserkonzessionen und Fernwärmenetzgestaltungen
erlaubt ist, sollte ihnen bei Strom- und Gaskonzessionen nicht verwehrt
werden. Die Inhouse-Vergabe würde durch Streichung des õ 46 Abs. 4 EnWG
ermöglicht.
Rügepflichten:
Häufig klagen unterlegene Altkonzessionäre gegen Gemeinden mit der
Begründung, beim Konzessionsvergabeverfahren habe die Gemeinde ihre
marktbeherrschende Stellung missbraucht oder formale Fehler gemacht.
Bislang sind solche Klagen auch noch Jahre nach der Vergabe möglich. Hier
muss nach Auffassung des Wuppertal Instituts in der Art Rechtssicherheit
geschaffen werden, dass nach einer angemessenen Wartefrist keine
Einwendungen gegen das Verfahren mehr zulässig sind. Auch sollte zukünftig
ausgeschlossen sein, dass unterlegene Bieter erst dann vermeintliche
Fehler bei den Auswahlkriterien im Vergabeverfahren anmelden, wenn der
Zuschlag an ein anderes Unternehmen gegangen ist. Unterlegene Bieter
sollten somit zukünftig nur dann eine Rechtsverletzung im Vergabeverfahren
geltend machen können, wenn sie den Fehler zuvor gegenüber der
ausschreibenden Gemeinde angezeigt bzw. gerügt haben.
Datenherausgabe:
Für mehr Wettbewerb auf der Verteilnetzebene ist es dringend erforderlich,
dass hier eine präzise und umfangreiche Datenlage für Mitbewerber
geschaffen wird, weil nur so der Wert eines Netzes und mögliche
Investitionserfordernisse ermittelt werden können. Für die
Altkonzessionäre ist es lohnend "auf Zeit zu spielen" und die Herausgabe
zur Bewertung eines Netzes dringend erforderlicher Daten damit zu
begründen, dass diese "Unternehmensgeheimnis" seien. Auskünfte nicht oder
nur schleppend zu erteilen, steigert damit ihre Aussichten, auch zukünftig
die Konzession inne zu haben und damit anderen Interessenten eine
Bewerbung zu erschweren. Für die Neuregelung ist es nach Auffassung des
Wuppertal Institutes daher dringend erforderlich, dass im Gesetz ein zur
Bewertung des Netzes angemessener Umfang an Daten definiert wird und die
Gemeinden einen klaren Anspruch auf zeitgerechte Herausgabe dieser Daten
haben. Das heißt, der Auskunftsanspruch der Kommunen müsste
gesetzgeberisch deutlich verbessert werden, um langwierige gerichtliche
Auseinandersetzungen, die de facto zu Fristproblemen und unnötigen
zeitlichen Verzögerungen führen, zu verhindern.
Zurzeit muss der bisherige Netzbetreiber bzw. Altkonzessionär der Gemeinde spätestens ein Jahr vor Bekanntmachung des Vertragsendes - also drei Jahre vor Ablauf des Konzessionsvertrages - die netzrelevanten Daten zur Verfügung stellen. Nach Einschätzung des Wuppertal Instituts sollte diese Informationspflicht erweitert werden. Die Kommunen müssten zu jeder Zeit das Recht haben, die zur Beurteilung eines Netzes erforderlichen Daten zu bekommen.
Weiterzahlung der Konzessionsabgaben:
Bei schwierigen Verkaufsverhandlungen oder bei der Weigerung von
Altkonzessionären, das Netz zu übereignen, führt die gegenwärtige Regelung
dazu, dass Konzessionszahlungsausfälle für die Kommunen entstehen können
oder der Altkonzessionär zumindest mit diesen drohen kann. Denn die
Verpflichtung zur Fortzahlung der Konzessionsabgabe ist derzeit auf ein
Jahr nach Vertragsende begrenzt. Deshalb schlägt das Wuppertal Institut
vor, in õ 48 Absatz 4 die Wörter "für ein Jahr" zu streichen oder so neu
zu formulieren, dass die Verpflichtung zur Zahlung der Konzessionsabgabe
bis Übertragung der Verteilnetzanlagen auf einen neuen Konzessionär
fortbesteht. Damit kann verhindert werden, dass Verzögerungen (die
meistens vom Altkonzessionär verursacht werden) die Gemeinden finanziell
benachteiligen.
Weitere Informationen unter:
http://wupperinst.org/info/details/wi/a/s/ad/3052/
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution735
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH, Dorle Riechert, 16.06.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juni 2015
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