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ENERGIE/1860: Beim Netzausbau landwirtschaftliche Belange berücksichtigen (DBV)


Deutscher Bauernverband - Pressemitteilung vom 28. Mai 2014

DBV: Beim Netzausbau landwirtschaftliche Belange berücksichtigen

Netzbetreiber stellen Szenario vor



Anlässlich der Vorstellung der "Szenarien 2025" für den künftigen Stromnetzausbau durch die Energiewirtschaft stellt der Deutsche Bauernverband (DBV) klar, dass mit den fortschreitenden Planungen eine frühzeitige und stärkere Berücksichtigung agrarstruktureller Belange erfolgen muss. Landwirtschaftliche Flächen dürften durch die Stromtrassen möglichst wenig zerschnitten werden. Darüber hinaus weist der DBV darauf hin, dass im Koalitionsvertrag die Überprüfung der bestehenden Entschädigungspraxis und eine faire Entschädigung für Grundstückseigentümer und -nutzer im Zuge des Netzausbaues vereinbart worden seien.

Erforderlich sei deshalb, so der DBV, eine zeitnahe Neujustierung der Entschädigungen auch unter Einführung wiederkehrender Zahlungen. Im Rahmen des naturschutzrechtlichen Ausgleichs dürfe außerdem keine zusätzliche Fläche in Anspruch genommen werden. Die Energiewende sei kein Eingriff in den Naturhaushalt, der kompensiert werden müsse, stellt der DBV klar. Sie diene von vornherein als übergeordnetes ökologisches und energiepolitisches Ziel und stelle somit grundsätzlich eine Verbesserung des Umweltschutzes dar.

Die vier großen Übertragungsnetzbetreiber Tennet, Amprion, 50Hertz und TransnetBW hatten den "Szenariorahmen 2025" zur Stellungnahme vorgelegt. Dieser beschreibt den prognostizierten Netzausbaubedarf bis 2025 und wird die Grundlage für den nächsten Netzentwicklungsplan sein, berichtet der DBV. Der Bericht sei Ende Mai 2014 gemeinsam mit der Bundesnetzagentur in Berlin vorgestellt worden.


Stellungnahme des Deutschen Bauernverbandes zum Netzentwicklungsplan (NEP) 2014
(1. Entwurf vom 16.04.2014) und zum Entwurf der Festlegung des Untersuchungsrahmens für die Strategische Umweltprüfung (SUP) 2014

Berlin, 28.05.2014


I. Grundsätzliche Anmerkungen

Der Deutsche Bauernverband (DBV) bekräftigt ausdrücklich, dass er sich zu den Zielen der Energiewende bekennt, für deren Realisierung ein beschleunigter Netzausbau unerlässlich ist. Hierfür ist jedoch die Akzeptanz der Grundeigentümer sowie der Land- und Forstwirte, als den vom Netzausbau direkt in ihrem Eigentum und in der Bewirtschaftung betroffenen Personengruppen, unverzichtbar. Die Berücksichtigung ihrer Anliegen muss frühzeitig erfolgen und sich bereits im NEP 2014 und nicht erst in den späteren Planungsphasen widerspiegeln.

Unzureichend berücksichtigt sind aus Sicht des DBV insbesondere die agrarstrukturellen Belange bei der Netzausbauplanung, insbesondere die Minimierung des Flächenverbrauches und der Flächenzerschneidung. Darüber hinaus vermisst der DBV im NEP 2014 Ausführungen zur Durchführung der Naturschutzkompensation beim Leitungsbau und zur Frage einer angemessenen Entschädigung sowie einer wiederkehrenden Nutzungsvergütung für die Inanspruchnahme land- und forstwirtschaftlicher Flächen im Rahmen des Netzausbaus. Aus Sicht des DBV können die unmittelbar betroffenen Grundeigentümer sowie Land- und Forstwirte nicht lediglich auf eine Prüfung und Klärung ihrer Anliegen in den späteren Planungs- und Genehmigungsverfahren verwiesen werden. Daher wird die Forderung mit Nachdruck bekräftigt, die Grundsätze und Leitlinien zur Berücksichtigung dieser Anliegen bereits im Netzentwicklungsplan zu verankern. Dies entspricht dem Zweck des Gesetzgebers bei Verabschiedung des NABEG und der Änderung des EnWG im Jahr 2011, die Belange der Betroffenen im Sinne einer Verfahrensbeschleunigung möglichst frühzeitig zu prüfen und damit das Verständnis und die Akzeptanz wesentlich zu fördern.

Der von der Bundesnetzagentur (BNetzA) vorgelegte Entwurf eines Untersuchungsrahmens für die SUP 2014 berücksichtigt ebenfalls nur sehr unzureichend die Bedeutung des Verlustes und der massiven Beeinträchtigung der landwirtschaftlichen Nutzfläche durch den Netzausbau. Europarechtlich sind im Rahmen von Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) sowie SUP die Auswirkungen eines Projektes auf das Schutzgut "Fläche" zu prüfen und kritisch zu hinterfragen, um den Flächenverlust so gering wie möglich zu halten. Diese Prüfung unterbleibt im vorliegenden Berichtsentwurf völlig. Dies ist aus Sicht des DBV nicht akzeptabel.


II. Anmerkungen zum Netzentwicklungsplan 2014
1. Flächenschutz als gesamtgesellschaftliches Anliegen

Der DBV fordert grundsätzlich einen besseren Schutz landwirtschaftlicher Nutzflächen als unvermehrbare Produktionsgrundlage zur Ernährungssicherung und für nachwachsende Rohstoffe. Hierzu hat der DBV eine Petition "Flächenverbrauch senken und landwirtschaftliche Flächen schützen" beim Deutschen Bundestag eingereicht, der mit über 212.000 aus der Gesellschaft gestützt und im März 2013 durch ein Votum des Bundestages unterstützt worden ist. Eine grundsätzliche Sensibilität für die Problematik des Flächenschutzes als gesamtgesellschaftliches Anliegen beim Netzausbau lässt der vorliegende Entwurf des NEP 2014 dennoch bislang vermissen. In der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung wird eine Minderung des Flächenverbrauches von heute ca. 70 ha pro Tag auf 30 ha pro Tag festgelegt. Darauf sollte im NEP 2014 Bezug genommen werden.


2. Agrarstrukturelle Belange frühzeitig berücksichtigen

Im Hinblick auf den Netzausbau dient dem Flächenschutz auch das im NEP 2014 angesprochene Prinzip des Ausbaus bestehender Trassen vor einem Neubau (NOVA - Prinzip = Netzoptimierung und Verstärkung vor Ausbau), dessen konsequente Umsetzung der DBV ausdrücklich unterstützt. Dies ist nicht nur wegen des geringeren Eingriffs in die Natur wichtig, sondern auch insbesondere um agrarstrukturelle Belange(1) sowie die landwirtschaftlichen Flächen besser zu schützen. Daher ist auch eine frühzeitige agrarstrukturelle und bodenschutzfachliche Begleitung der Planungen durch die landwirtschaftliche Fachbehörde erforderlich.

Anmerkung:
(1) Unter Agrarstruktur ist die Gesamtheit der Ausstattung, Verfügbarkeit und Qualität von Produktionsfaktoren (Arbeit, Boden, Kapital) sowie der Produktions- und Arbeitsbedingungen und damit der Produktionskapazität und Produktivität zu verstehen. Hierzu gehören auch die Entwicklungsmöglichkeiten der Land- und Forstwirtschaft und ihrer Betriebe in einem Agrarraum, also auch im Umfeld eines bzw. mehrerer Betriebe. Agrarstrukturelle Belange sind dann berührt, wenn diese Faktoren beeinflusst oder verändert werden.

Einen Hinweis hierauf enthält der NEP 2014 bislang jedoch nicht und sollte deshalb ergänzt werden. So fordert das Baugesetzbuch (BauGB) fordert in § 1 a Absatz 2, dass mit Grund und Boden sparsam und schonend umgegangen werden soll. Vor allem landwirtschaftliche und als Wald genutzte Flächen sollen nur im notwendigen Umfang umgenutzt werden.

Auch das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) sieht im Rahmen der Agrarklausel in der Eingriffsregelung (§ 15 Abs. 3 BNatSchG) bereits heute vor, dass bei der Inanspruchnahme von land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen auf agrarstrukturelle Belange Rücksicht zu nehmen ist und insbesondere für die landwirtschaftliche Nutzung besonders geeignete Böden nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden dürfen. Der DBV fordert, die Vorgaben des BauGB und des BNatSchG in Bezug auf die Rücksichtnahme auf land- und forstwirtschaftliche Flächen analog in den NEP 2014 zu übernehmen.

Die Nutzungseignung land- und forstwirtschaftlicher Böden umfasst dabei weit mehr als nur die Betrachtung der Bodengüte. Eine allgemein gültige Definition oder bundesweite Festlegung ist daher nicht möglich, sondern erfordert eine einzelfallbezogene und einzelbetriebliche Betrachtung. Für die Land- und Forstwirtschaft "besonders geeignete Böden" werden bestimmt durch:

  1. Quantität und Qualität der Nutzbarkeit von Agrar- und Forstflächen, also Bodengüte (Bodenbonität), Größe, Umriss (Zuschnitt) und Umfang der von landwirtschaftlichen Betrieben genutzten bzw. bewirtschafteten eigenen und gepachteten Betriebsflächen;
  2. Innere und äußere Erschließung (Ver- und Entsorgung, Wege- und Gewässernetz, Bewässerungs-, Drainage und Vorfluterfunktion) von land- und forstwirtschaftlichen Flächen;
  3. Aktuelle Nutzung sowie das Erfordernis der Flächennutzung für die mit der Bodenbewirtschaftung verbundene Tierhaltung (auch Fischerei und Imkerei). Während die Agrarstruktur eher auf die Nutzbarkeit der Flächen in einem Raum oder einer Region Bezug nimmt, ist die Frage der besonders geeigneten Böden auch für jede Nutzungseinheit isoliert zu prüfen. Das kann auch eine separate Parzelle oder ein Flurstück im Sinne des Katasters sein.

Der DBV fordert daher, dass die Zerschneidung und der Verbrauch von land- und forstwirtschaftlichen Flächen so gering wie möglich gehalten werden und dass vorrangig bestehende Trassen optimiert werden. Wenn ein Neubau notwendig ist, sollte im Sinne einer Minimierung des Flächenverbrauchs möglichst eine Bündelung mit vorhandenen Infrastruktureinrichtungen erfolgen. Beim Neubau müssen außerdem konsequent alternative Streckenführungen geprüft werden, um die negativen Auswirkungen auf die Agrarstruktur zu reduzieren.


3. Augenmaß bei der Erdverkabelung

Die Erdverkabelung mit 380 kV-Leitungen wird aus landwirtschaftlicher Sicht seitens des DBV kritisch gesehen. Nach den vorliegenden Erkenntnissen ist bei einer Erdverkabelung im Höchstspannungsbereich von einem erheblichen Eingriff in den Boden und seine Struktur auszugehen. Durch die insbesondere bei Wechselspannung von einer Erdverkabelung ausgehende Erwärmung des Bodens ist mit erhöhten Verdunstungs- und Austrocknungsraten in einem ca. 20 - 30 m breiten Schutzstreifen zu rechnen. Daraus ergeben sich nicht nur übergangsweise, sondern dauerhaft erhebliche Produktionseinbußen auf landwirtschaftlichen Flächen. Bei einer Erdverkabelung im Höchstspannungsbereich sind die Eingriffe in das Eigentum und die Nutzung im Vergleich zu einer Freileitung erheblich gravierender. Es bedarf daher weitergehender Untersuchungen, um belastbare Aussagen zu den längerfristigen Auswirkungen einer Erdverkabelung auf die Ertragsfähigkeit landwirtschaftlicher Flächen zu erhalten. Bei Erdverkabelungen im 380 kV-Bereich sind daher eine bodenkundliche Baubegleitung sowie ein Langzeitmonitoring erforderlich. Zudem sind aufgrund des erhöhten Eingriffs in den Boden und die bestehenden Unsicherheiten über die Langzeitfolgen im Bereich der Entschädigung der Grundeigentümer und Bewirtschafter im Vergleich zur Freileitung erhöhter Werte anzusetzen. Dieser Aspekt kommt im NEP 2014 bislang zu kurz.


4. Bewirtschaftungseinschränkungen durch Freileitungen

Bei der Auswahl der konkreten Techniken für Höchstspannungsleitungen fehlt bislang eine Berücksichtigung der Bewirtschaftungseinschränkungen für die Landwirte. Zunehmend stehen die Landwirte vor dem Problem, dass Erntemaschinen größere Dimensionen aufweisen als zu Zeiten des Baus einer Stromtrasse. Oftmals können die vorgegebenen DIN-Vorschriften hinsichtlich der Abstände zu der Leitung nicht mehr eingehalten werden. Beim Ausbau und Neubau von Höchstspannungsleitungen gilt es daher auf eine ausreichende Höhe der Leitungen (auch über der derzeit normativ geforderten) zu achten. Auch mögliche Einschränkungen der Bewässerungstechnik sind zu prüfen. Diese Punkte gilt es im NEP 2014 zu ergänzen.


5. Abänderung der Kompensationsregelungen für Eingriffe in die Natur und in das Landschaftsbild beim Bau von Höchstspannungsleitungen

Der DBV fordert beim Neu- und Ausbau der Leitungsnetze den Verzicht bzw. zumindest eine flächenneutrale Umsetzung der Naturschutzkompensation ohne Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Nutzflächen. Ausführungen zu diesem begleitenden Aspekt des Netzausbaus gilt es im NEP 2014 zu ergänzen. Die Stärkung des Grundsatzes der Flächenschonung im Rahmen der Eingriffs- und Ausgleichsregelung sollte auch im Sinne der Netzbetreiberunternehmen liegen, weil hiermit ein wichtiger Teil der notwendigen Akzeptanz unter den Betroffenen herbeigeführt werden kann. Da der Aspekt der Gestaltung der Kompensationsmaßnahmen im Rahmen der weiteren Netzausbauplanung eine erhebliche Rolle spielen wird, sollte dazu eine Positionierung im NEP 2014 ergänzt werden. Für viele Landwirte ist es nicht nachvollziehbar, dass die Errichtung von Anlagen im Sinne des Erneuerbaren Energien Gesetzes bzw. zum Zwecke des Ausbaus Erneuerbarer Energien naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen auslöst. Wenn politisch dennoch ein Ausgleich für erforderlich gehalten wird, darf dieser nur durch Entsiegelung oder flächenneutrale Maßnahmen erfolgen (Pflege/Aufwertung vorhandener Biotope, produktionsintegrierte Kompensationsmaßnahmen, Maßnahmen in Schutzgebieten oder für Gewässer nach WRRL). Da im Wesentlichen ein Ausgleich für Eingriffe in das Landschaftsbild erforderlich sein wird, der wiederum nicht durch Realkompensation ausgeglichen werden kann, sollte der Ausgleich für Eingriffe in das Landschaftsbild allenfalls als Ersatz in Geld zur Verwendung für die Entsiegelung erfolgen. In Fällen, in denen eine Inanspruchnahme land- und forstwirtschaftlicher Flächen als Kompensationsflächen nicht vermieden werden kann, sind ausschließlich produktionsintegrierte Maßnahmen in Kooperation mit den Landwirten umzusetzen. Sollte für einen Eingriff Ersatzgeld gezahlt werden, muss ausgeschlossen werden, dass das Geld zum Flächenkauf verwendet oder zweckentfremdet wird. Ersatzgeld sollte vielmehr für die Entsiegelung oder die Pflege/Aufwertung vorhandener Biotope genutzt werden.

Der DBV fordert - auch schon im Vorgriff auf die Bundeskompensationsverordnung - eine Selbstverpflichtung der Netzbetreiber im NEP 2014, den naturschutzfachlichen Ausgleich ohne zusätzliche Flächeninanspruchnahme zu Lasten der Landwirtschaft durchzuführen. Hierzu regt der DBV die Schaffung eines Entsiegelungsfonds begleitend zum Netzausbau an.


6. Einführung zusätzlicher wiederkehrender Nutzungsvergütungen für die Inanspruchnahme land- und forstwirtschaftlicher Flächen für Stromtrassen

Ebenfalls weiterhin keine Erwähnung im NEP 2014 findet die finanzielle Entschädigung der betroffenen Grundstückseigentümer, die den Bau der Stromtrassen auf ihren Flächen dulden müssen. Auch diesen Aspekt gilt es im Hinblick auf eine Akzeptanzsicherung im eigenen Interesse der Netzbetreiberunternehmen zu ergänzen. Auf der Grundlage des § 45 Energiewirtschaftsgesetzes (Enteignungsfähigkeit) und der Landesenteignungs- und Entschädigungsgesetze wird den betroffenen Grundeigentümern seit Jahrzehnten als Entschädigung nur eine Einmalzahlung in Höhe von 10 bis 20 % des Grundstückswertes bei Inanspruchnahme ihrer land- und fortwirtschaftlichen Flächen für Energieleitungstrassen gewährt. Diese bisherigen Entschädigungssätze decken nicht annähernd die Einschränkung bei der Nutzung und Entwicklung der Grundstücke ab. Außerdem berücksichtigen sie nicht die zwischenzeitlich vollzogenen Entwicklungen in der Energiewirtschaft.

  • Die Netze wurden in den letzten Jahren von den großen Energiewirtschaftsunternehmen getrennt und gehören heute privatrechtlich organisierten, gewinnorientierten Netzbetreiberunternehmen, denen unbefristete jährliche Renditen bei Neuinvestitionen von derzeit über 9 % für ihr eingesetztes Eigenkapital zugestanden werden. Dies sind Renditen, die weitab von den erzielbaren Renditen in der Land- und Forstwirtschaft liegen.
  • Nicht in ihren Eigentumsrechten beim Energieleitungstrassenbau betroffenen Kommunen wurden über das Netzausbaubeschleunigungsgesetz Zahlungen von 40.000 EUR/km eingeräumt, um ihre Akzeptanz für einen beschleunigten Netzausbau zu fördern.
  • Über das EEG werden für den Ausbau Erneuerbarer Energien erhebliche Vergütungsanreize gewährt, während den vom Netzausbau betroffenen Grundstückseigentümern nur Entschädigungen nach Aufopferungsgrundsätzen zugestanden werden.

Durch diese genannten Umstände ist nach Einschätzung des DBV bei der Entschädigung der Grundstückseigentümer für den Energieleitungstrassenausbau eine Schieflage entstanden. Der Gesetzgeber ist daher gefordert, nach dem Gebot der gerechten Abwägung (Art. 14 Abs. 3 GG) eine Überprüfung und Neuregelung der Entschädigungsgrundsätze vorzunehmen. In diesen Punkt gilt es, die Vorgaben aus dem Koalitionsvertrag, eine faire Entschädigung für Grundstückseigentümer und Nutzer sowie eine Überprüfung der bestehenden Entschädigungspraxis, zeitnah umzusetzen.

Die bisherige einmalige Dienstbarkeitsentschädigung im Rahmen des auch weiterhin erforderlichen Enteignungsrechtes muss durch eine wiederkehrende angemessene Vergütung für die Mitbenutzung der Grundstücke ergänzt werden. Wer fremden Grund und Boden nutzt und damit Ertrag erwirtschaftet, muss auch diejenigen daran teilhaben lassen, die diese Möglichkeit erst mit ihrem Eigentum eröffnen und letztendlich sogar zulassen müssen. Dies kann durch eine jährliche Vergütungsregelung für die betroffenen Grundstückseigentümer geregelt werden. Hierfür wäre eine sektorspezifische Lösung im Energiewirtschaftsgesetz ein sachgerechter Weg. Den Eigentümern muss für die Inanspruchnahme ihrer land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke für die Errichtung von Energieleitungstrassen eine jährlich angemessene Vergütung zum Beispiel als Verzinsung für die Mitbenutzung ihres Eigentums gewährt werden. Diese Verzinsung kann durchaus wie bisher an den Grundstückswert anknüpfen und müsste sich zumindest an den den Netzbetreiberunternehmen zugesicherten Eigenkapitalrenditen orientieren.

Sachgerecht wäre auch eine Festlegung der Höhe der jährlichen Nutzungsvergütung je nach Art und Größe der Energieleitung (Stromfreileitung oder -erdverkabelung im 110 - 380 kV-Bereich, Erdgasleitung) und des damit verbundenen Nutzungsvorteils für das Netzbetreiberunternehmen. In diesem Fall sollte bundeseinheitlich die Höhe der jährlichen Nutzungsvergütung gesetzlich festgesetzt werden. Bei diesem Regelungsansatz wären die Landesbauernverbände weiterhin bestrebt, durch Verhandlungen mit den Netzbetreiberunternehmen über Rahmenvereinbarungen wesentliche Beiträge zur Beschleunigung, Akzeptanz und Vereinfachung zu leisten. Gegenstand dieser Rahmenvereinbarungen wären weiterhin Festlegungen zur Pauschalisierung des anzusetzenden Verkehrswertes, zu Beschleunigungszuschlägen und Aufwandsentschädigungen, Ausgleichspositionen für Flur- und Aufwuchsschäden sowie Regelungen zur Sicherstellung einer bodenschonenden Bauausführung.


III. Anmerkungen zum Entwurf der Festlegung des
Untersuchungsrahmens für die SUP

Der von der Bundesnetzagentur vorgelegte Untersuchungsrahmen für die SUP wird dem Anliegen nach einem besonderen Schutz landwirtschaftlicher Flächen nicht gerecht. In der Festlegung der Umweltziele verlangt der Berichtsentwurf ausdrücklich einen sparsamen Umgang mit Grund und Boden und ein nachhaltiges Handeln im Rahmen der Flächeninanspruchnahme. Hierbei werden die landwirtschaftlichen Belange einbezogen und die gute fachliche Praxis der Landwirtschaft erwähnt. Aus Sicht des DBV ist es sehr besorgniserregend, dass trotz möglicher Beeinträchtigungen für die Landwirtschaft keine dieser Erwägungen in die genaue Untersuchung der Vorhaben in Form eines Schutzgutes oder von Kriterien eingeflossen ist. Hier bleiben die genannten Bedenken gänzlich unberücksichtigt. Die Abstraktheit dieser Planungsstufe und die Tatsache, dass Zahlen und wissenschaftliche Erkenntnisse zur Beeinträchtigung der Landwirtschaft fehlen, kann kein Argument dafür sein, dass die nachteiligen Auswirkungen des Netzausbaus für landwirtschaftliche Flächen in der Beurteilung der Vorhaben im Rahmen der SUP keine Berücksichtigung finden.

In dem vorliegenden Papier werden zwar auf Basis des UVP-Gesetzes Schutzgüter definiert. Eines dieser Schutzgüter ist der Boden. Jedoch findet die Art der Bodennutzung im landwirtschaftlichen Sinne keine ausreichende Berücksichtigung. Auf S. 200 wird der landwirtschaftlich genutzte Boden als rein wirtschaftlicher Belang eingestuft. Es wird zwar erläutert, dass das Schutzgut Boden hinsichtlich seiner Empfindlichkeit gegenüber dem Leitungsbau berücksichtigt werde. Die generelle Berücksichtigung besonders ertragreicher Böden spiegele jedoch einen wirtschaftlichen Belang wider, der erst auf den folgenden Planungsebenen zu berücksichtigen sei. Diese Betrachtung wird der der hohen Bedeutung des Bodens als Grundlage für die Nahrungsmittelproduktion und der durch den Leitungsbau zu erwartenden Beeinträchtigung des Bodens jedoch in keiner Weise gerecht. Zudem ist das vom DBV bereits seit langem geforderte zusätzliche Schutzgut "Nutzflächen und Agrarstruktur" bisher nicht in die strategische Umweltprüfung (SUP) mit aufgenommen worden, obwohl hierzu mittlerweile auf EU-Ebene eine Novellierung der UVP-Richtlinie verabschiedet wurde. In Art. 3 Abs. 1 c) der neuen UVP-RL ist nun ausdrücklich neben dem Schutzgut Boden auch das Schutzgut "Fläche" mit aufgenommen worden, um dem fortschreitenden Verlust landwirtschaftlicher Nutzflächen durch Siedlungs- und Verkehrsmaßnahmen entgegenzuwirken. Nicht akzeptabel ist vor diesem Hintergrund, dass bei dem "Großprojekt Netzausbau" diese neue und überaus wichtige europäische Vorgabe vollkommen ignoriert wird und z.B. auf S. 30 des vorliegenden Papiers ausgeführt wird, dass die landwirtschaftliche Flächen in der vorliegenden Festlegung des Untersuchungsrahmens keine Berücksichtigung finden sollen. Es wird im gesamten Berichtsentwurf stets darauf verwiesen, dass landwirtschaftliche Belange in nachfolgenden Planungsstufen berücksichtigt werden. Dies steht im klaren Widerspruch zum Ziel der Bundesregierung, eine Beschleunigung des Netzausbaus durch möglichst frühzeitige Berücksichtigung der einzelnen Belange zu erreichen.

Auch bei der Prognose der Wirkungen der verschiedenen Übertragungstechnologien auf die Schutzgüter wird nur sehr unzureichend auf die Einschränkungen bei der Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen eingegangen. Auf S. 73 wird z.B. ohne weiter Begründung ausgeführt, dass im Trassenbereich und Schutzstreifen viele Nutzungen (z.B. Landwirtschaft) weiterhin nahezu ohne Einschränkungen möglich seien ohne auf die Schwierigkeiten einzugehen, die sich schon jetzt teilweise beim Unterfahren von Leitungen mit Erntemaschinen zeigen.

Bei den in dem vorliegenden Berichtsentwurf aufgeführten Erdkabel-Techniken, findet ebenfalls keine ausreichende Auseinandersetzung mit den Belangen der Landwirtschaft statt. Die erheblichen Auswirkungen von Erdkabeln auf die Bodenstruktur und die möglichen Langzeitfolgen für den Ackerbau werden weitestgehend ausgeblendet oder nur oberflächlich betrachtet. Auf S. 89 wird beispielsweise ausgeführt:

Landwirtschaftlich genutzte Flächen, insbesondere Ackerflächen, sind nach fachgemäß ausgeführten Tiefbauarbeiten, die übermäßige Bodenverdichtungen vermeiden, in der Regel gut regenerierbar. In Einzelfällen gibt es jedoch schutzwürdige Äcker und Ackerbrachen, deren Zustand nur bedingt regenerierbar ist. Die Lebensraumverluste auf Ackerflächen sind insofern marginal, als aufgrund der hohen Regenerierbarkeit der Ackerwildkräuter sowie aufgrund des durch regelmäßige Bewirtschaftung begründeten jährlich veränderten Bodengefüges eine rasche Wiederherstellung der Lebensraumfunktionen zu erwarten ist. Brutvogelhabitate der offenen Kulturlandschaft (Ackerschläge, Intensivgrünland) unterliegen aufgrund der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung ohnehin einem regelmäßigen Wandel. Abhängig von Intensivierungsgrad und Entwicklungspotenzial von Grünlandflächen ist in der Regel ebenfalls davon auszugehen, dass die Beeinträchtigungen der Lebensräume durch entfernte Vegetation und durch veränderten Boden maximal zwei bis drei Vegetationsperioden anhalten. Spätestens nach diesem Zeitraum sind die ursprünglichen Lebensraumstrukturen wieder hergestellt.

Auf S. 90 heißt es dann weiter:
In Bezug auf die Landwirtschaft ist möglicherweise aufgrund der im Normalbetrieb geringen Wärmeemissionen einerseits und der Robustheit heutiger Kultursorten andererseits nicht mit nennenswerten Beeinträchtigungen zu rechnen. Belastbare Untersuchungen, die der Komplexität möglicher Bodentypen, Anbausorten und Kabelbelastungssituationen auf Höchstspannungsebene gerecht werden, fehlen jedoch noch weitgehend. Wichtig ist letztlich die technische Auslegung des jeweiligen Kabels.

Auf S. 100 wird dann weiter ausgeführt, die Wärmeabgabe an den umgebenden Boden sei bei Tunnelverlegung "vernachlässigbar".

Überraschend ist, dass sich viele der genannten Formulierungen bereits im Umweltbericht zum Netzentwicklungsplan 2012 wiederfinden. Der DBV kritisiert, dass hier scheinbar ohne weitere Auseinandersetzung mit aktuellen Versuchen und wissenschaftlichen Erkenntnissen weiterhin davon ausgegangen wird, dass Erdkabel keine nennenswerten Beeinträchtigungen der Nutzung landwirtschaftlicher Flächen zur Folge haben. Bei dem Bau der EnLAG Erdkabel-Pilotstrecke vom Emsland bis zum Niederrhein auf der Teilstrecke in Raesfeld im westfälischen Kreis Borken steht der Baubeginn derzeit kurz bevor. Das Projekt beinhaltet eine bodenkundliche Baubegleitung und ein umfassendes Langzeitmonitoring, durchgeführt von Bodenkundlern und Spezialisten der Landwirtschaftskammer in Zusammenarbeit mit dem Westfälisch-Lippischen Bauernverband. Aktuelle Erkenntnis ist hier, dass im Sinne einer möglichst bodenschonenden Bauweise keinesfalls Magerbeton oder Sand verwendet werden darf und daher auf einen speziellen Flüssigboden zurückgegriffen wird. Magerbeton oder Kabelsand werden im vorliegenden Berichtsentwurf jedoch als geeignetes Bettungsmaterial für das Kabel eingestuft. Der DBV fordert nachdrücklich, dass sich die Bundesnetzagentur im Rahmen des aktuellen Umweltberichtes intensiver mit Fragen des Bodenschutzes auseinandersetzt.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 28. Mai 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Mai 2014