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BANK/438: Die Obama-Pläne zur Bankenregulierung (spw)


spw - Ausgabe 1/2010 - Heft 176
Zeitschrift für Sozialistische Politik und Wirtschaft

Die Obama-Pläne zur Bankenregulierung

Von Arne Heise


Mehrere Jahre hinweg betrieben amerikanische Banken ein höchst gefährliches Spiel: Angetrieben durch enormen Gewinnerwartungsdruck und Managementvergütungssysteme, die kurzfristige Geschäftsentwicklung, nicht aber langfristige Performanz belohnten, ließen sie jegliche Vorsicht bei der Finanzierung von Immobilienkäufen fahren und ermöglichten so genannte "Ponzi-Finanzierungen"[1], die irgendwann zusammenbrechen müssen: Sie finanzierten Kreditgeschäfte, die weder die substantielle Rückzahlung und noch nicht einmal die Zinszahlungen der Schuldner im so genannten Subprime-Segment in Aussicht stellten, sondern reinweg auf die Wertsteigerung des als Sicherung angebotenen Vermögensgegenstandes - die Immobilie - setzte. Eine solche Finanzierung geht gut, solange die Wertsteigerung anhält, und geht in die Hose, sobald die Immobilienpreise fallen - was ab 2007 massiv geschah.

Die Risiken, die in einer solchen Finanzierung steckten, konnten gar nicht richtig eingeschätzt werden. Dennoch wurden sie, indem die Kreditgeschäfte verbrieft und mit einem Gütesiegel von Rating-Agenturen als unbedenklich versehen waren, zu völlig unangemessener Risikoprämierung erfolgreich und profitabel vor allem an sogenannte "Special Investment Vehicles" (von der Bankenregulierung nicht betroffene Schattenbanken) weiterverkauft und über die internationalen Finanzmärkte global verteilt. Als sich mit dem Verfall der Immobilienpreise die Uneinbringlichkeit vieler dieser Forderungen und damit die Wertlosigkeit der Wertpapiere zeigten, war es auch schon zu spät. Zahlreiche Finanzintermediäre gerieten deshalb zunächst in Solvenzprobleme, etwas später - mit der Schwierigkeit der kurzfristigen Refinanzierung - in höchste und akute Liquiditätsprobleme: Hätten nicht die Regierungen weltweit zunächst die Einlagen der Banken garantiert und dann auch noch in historisch einmaliger Weise über Bankenrettungsprogramme und direkte Bankenverstaatlichungen mutig und beherzt eingegriffen, dann wären die internationalen Finanzmärkte unweigerlich zusammengebrochen.

Vor diesem Hintergrund wird nun die Regulierung der Banken und der Finanzmärkte intensiv diskutiert: Spekulationen sollen reduziert, profitables Investment aber nicht gefährdet werden. Stabilität, Erwartungssicherheit und Vertrauen in die Finanzorganisationen und -märkte soll wiederhergestellt werden, gleichzeitig aber auch das "moralische Risiko" der Banker, im Zweifelsfall auf staatliche Hilfe rechnen zu können (Bail out), minimiert werden. Die Palette an Maßnahmen - von der Finanzmarkttransaktionssteuer bis zur Verstaatlichung der Banken - ist lang. US-Präsident Barack Obama hat sich nun, nachdem sein wichtigstes Politikprojekt - die Gesundheitsreform - erst einmal gescheitert ist, ein weiteres Mal mit dem äußerst populären Thema der Bankenregulierung befasst.

Kern der Vorstellungen Obamas ist die Rückkehr zur Teilung des Bankensektors in Geschäftsbanken einerseits und Investmentbanken andererseits. Diese Trennung galt in den USA seit dem Glass-Steagall Act von 1933 bis zur legalen Abschaffung 1999 durch Bill Clinton - aber bereits vorher hatten sich Geschäftsbanken an Investmentbanken beteiligt und somit die intendierte Risikotrennung aufgehoben. Geschäftsbanken führen das gewöhnliche Geschäft der Fristentransformation von kurzfristigen Kundeneinlagen in längerfristige Geschäftskredite durch, Investmentbanken hingegen beteiligen sich durch Kapitalbeschaffung am Finanzmarkt am - teilweise hoch spekulativen - Geschäft mit dem Handel von Vermögenswerten und Finanzderivaten und organisieren die in der Vergangenheit höchst einträglichen Unternehmensübernahmen. Mit der Trennung der beiden Bankentypen sollten - nach dem Desaster der Weltwirtschaftskrise Anfang der 1930er Jahre - die gewöhnlichen Einleger ("der kleine Mann") geschützt und die Sicherung der Einlagen durch einen privaten Einlagesicherungsfonds ermöglicht werden.

Der bereits als Glass-Steagall-II Act bezeichnete Vorschlag soll aber nicht nur die Geschäftsbereiche der Banken trennen und den als risikoreich angesehenen Eigenhandel mit Derivaten und den Betrieb von Hedge- und Private Equity Fonds lediglich den nicht als systemrelevant angesehenen Investmentbanken überlassen, sondern auch die Größe der Geschäftsbanken anhand noch nicht genau geklärter Kriterien (z.B. der Bilanzsumme) beschränken. Und schließlich soll den 50 größten Banken eine Sonderabgabe von 0,15 Prozent der jeweiligen Bilanzsumme abgefordert werden, um somit die Kosten der Bankenrettungsprogramme - die auf mindestens 120 Mrd. Dollar geschätzt werden - den Verursachern der Finanzkrise ("we want our money back") anzulasten.

Es wird nun reichlich darüber spekuliert, ob diese Pläne zur Bankenregulierung tatsächlich Ziel führend sind oder nur den Popularitätsverlust Obamas aufhalten sollen. Es scheint klar zu sein, dass keine der Maßnahmen die aktuelle Finanzmarktkrise verhindert hätte, denn es waren in diesem Falle eben nicht die Geschäfte der Investmentbanken, die Krisen auslösend wirkten, sondern das traditionelle Immobiliengeschäft. Immerhin könnte zukünftig, wenn die beiden Bankentypen klar voneinander getrennt verbleiben, Spekulationsblasen und -Krisen, die im Bereich von Finanzaktiva auftreten (z.B. Aktien oder Derivate), auf den Investmentbankenbereich begrenzt werden. Dann mag ein staatliches "Bail out" zur Verhinderung eines Zusammenbruchs des gesamten Finanzsystems unnötig werden. Wenn aber das eigentliche Problem in den spekulativen Geschäften der Investmentbanken gesehen und deshalb das Überschwappen auf die sicheren und "konservativen" Geschäftsbanken verhindert werden soll, wird deren kryptisch intendierte Größenbeschränkung nicht klar. Es geht darum, keine einzelne Bank mehr als systemrelevant in die Position zu bringen, die Regierung erpressen zu können. Aber es scheint nicht die Größe per se zu sein, die Systemrelevanz ausmacht, sondern der mit einer Bankenpleite verbundene Vertrauensverlust in der spezifischen historischen Situation: Die Lehman-Brother-Pleite zeigte, dass auch relativ kleine Banken einen so massiven Vertrauensverlust bewirken können, dass die Stabilität des Systems gefährdet ist.

[1] Der Begriff "Ponzi-Finanzierung" geht auf den Keynesianer Hyman P. Minsky zurück, der lange vor den Finanzkrisen der letzten beiden Jahrzehnte auf die immanente Instabilität des Kapitalismus verwiesen hatte.
[2] Solvenzprobleme verweisen auf die langfristigen Rentabilitätsprobleme eines Geschäftsmodells, Liquiditätsprobleme hingegen beschreiben die Schwierigkeit, kurzfristigen Zahlungsverpflichtungen mithilfe von liquiden Mitteln nachzukommen - unabhängig von der langfristigen Profitabilität eines Geschäftsmodells.


Dr. Arne Heise ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Hamburg.


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Quelle:
spw - Zeitschrift für sozialistische Politik und Wirtschaft
Ausgabe 1/2010, Heft 176, Seite 47-48
mit freundlicher Genehmigung der HerausgeberInnen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. März 2010