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ARBEIT/2186: Entwicklung der Niedriglohnbeschäftigung in Deutschland (idw)


Universität Duisburg-Essen - 24.06.2013

Entwicklung der Niedriglohnbeschäftigung in Deutschland - Jeder Vierte arbeitet für wenig Geld



Trotz guter Marktlage arbeiteten im Jahr 2011 knapp 8,1 Millionen Beschäftigte in Deutschland für wenig Geld. Weiterhin ist fast jeder Vierte (23,9 Prozent) von Niedriglöhnen betroffen. Die durchschnittlichen Bruttostundensätze im Niedriglohnsektor liegen mit 6,46 Euro in West- und 6,21 Euro in Ostdeutschland immer noch weit unter der bundeseinheitlichen Niedriglohnschwelle von 9,14 Euro. Das zeigt der aktuelle Report des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen (UDE).

Fast 3 Millionen Beschäftigte verdienten im Jahr 2011 weniger als 6 Euro pro Stunde, bundesweit sind das 8,7 Prozent. Für weniger als 8,50 Euro pro Stunde arbeiteten sogar knapp 7 Millionen. Das ist gut jede/r Fünfte (18 Prozent der Beschäftigten in West- und 32,2 Prozent in Ostdeutschland). Selbst von den Vollzeitbeschäftigten hätte gut jede/r Achte (insgesamt 2,75 Millionen) bei Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro Anspruch auf eine Erhöhung. Im Vergleich zu 2001 ist das Niedriglohnrisiko besonders stark für Ausländer, Männer, befristet Beschäftigte sowie unter 25-Jährige gestiegen. Deutlich erhöht hat es sich im Vergleich zum Jahr 2001 auch für jene mit abgeschlossener Berufsausbildung und für Vollzeitbeschäftigte.

Minijobber haben weiterhin das höchste Risiko: 71,2 Prozent von ihnen arbeiteten 2011 für niedrige Stundensätze. Sie stellen mit 36 Prozent auch einen beachtlichen Anteil aller Niedriglohnbeschäftigten in Deutschland. Auch bei weiteren Arbeitnehmerrechten werden Beschäftigte in Minijobs vielfach massiv benachteiligt: Oftmals gibt es Geld nur für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden, während bei Urlaub, Krankheit und Feiertagen häufig keine Lohnfortzahlung gewährt wird. "Offenbar werden die Sonderregelungen für Minijobs im Sozialrecht nicht selten dazu missbraucht, den Beschäftigten rechtswidrig auch grundlegende Arbeitnehmerrechte vorzuenthalten", kritisiert Dr. Claudia Weinkopf, stellv. Direktorin des IAQ. "Gerade für Frauen erweisen sich Minijobs häufig als Sackgasse, der Übergang in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gelingt nur wenigen."

"Notwendig wäre ein gesetzlicher Mindestlohn als verbindliche Untergrenze, die in keiner Branche unterschritten werden dürfte und für alle Beschäftigtengruppen gelten müsste", so der IAQ-Arbeitsmarktforscher Dr. Thorsten Kalina. Obwohl sich inzwischen alle Parteien für Mindestlöhne ausgesprochen haben, bestehen in der tatsächlichen Reichweite der politischen Konzepte noch erhebliche Unterschiede. So sehen die Absichtserklärungen der Regierungsparteien ausdrücklich keinen bundeseinheitlichen Mindestlohn vor, sondern viele - nach Branchen und Regionen differenzierte - Lohnuntergrenzen, was deren Durchsetzung und Überprüfung erheblich erschweren würde.

Die extrem hohen Niedriglohnanteile in Minijobs und auch die Hinweise auf zahlreiche weitere Benachteiligungen legen nahe, dass neben der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns auch die Sonderregelungen für Minijobs dringend auf den Prüfstand gestellt werden müssen. "Eine Abschaffung der Minijobs könnte einen zusätzlichen Beitrag dazu leisten, den Umfang des Niedriglohnsektors wirksam zu begrenzen", so Dr. Claudia Weinkopf.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution801

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Duisburg-Essen, Katrin Koster, 24.06.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juni 2013