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ARBEIT/1784: Uni Duisburg-Essen - Mindestlöhne schaden nicht (idw)


Universität Duisburg-Essen - 17.12.2009

UDE: Mindestlöhne schaden nicht - Analyse zu den Beschäftigungseffekten


Selbst vergleichsweise hohe Mindestlöhne können positive Effekte auf der betrieblichen Ebene und auf dem Arbeitsmarkt haben. Das zeigt eine aktuelle Studie des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen, die soeben im WISO-Diskurs der Friedrich-Ebert-Stiftung erschienen ist. Neben der umfassenden Analyse des deutschen Niedriglohnsektors präsentiert die Publikation neue empirische Befunde aus internationalen Untersuchungen, wie sich Mindestlöhne auf die Beschäftigung auswirken.

Mindestlöhne werden in der politischen Diskussion in Deutschland meist ausschließlich als beschäftigungsschädlich eingestuft. Die zugrunde liegenden theoretischen Modellrechnungen gehen von 141.000 bis 1,22 Millionen gefährdeten Arbeitsplätzen aus. Demgegenüber zeigen Untersuchungen zur praktischen Umsetzung von Mindestlöhnen - z.B. in den USA und den meisten europäischen Ländern -, dass die Einführung oder Erhöhung von Mindestlöhnen neutrale oder sogar leicht positive Beschäftigungseffekte hat, stellten Prof. Dr. Gerhard Bosch, Thorsten Kalina und Dr. Claudia Weinkopf bei der Auswertung fest.

Nicht nur sehr niedrige Mindestlöhne sind nach diesen Studien beschäftigungspolitisch neutral, sondern auch die Mindestlöhne in westeuropäischen Staaten, die von 8 Euro bis 13.80 Euro (Dänemark) reichen, oder die "living wages" in US-amerikanischen Städten, die sich an den Lebenshaltungskosten orientieren und in Kaufkraft gemessen bei 10 Euro und mehr liegen. Die Kosten für höhere Löhne können teilweise direkt wieder eingespielt werden, wie die "Flughafenstudie" des Institute for Labour and Employment in Berkeley zeigt: Im Rahmen eines Qualitätsprogramms der Flughafenkommission in San Francisco, das einen Mindestlohn von 11,25 Dollar inklusive Sozialleistungen und einen Anspruch auf 40 Stunden Qualifizierung einführte, erhielten 9 700 Beschäftigte eine Lohnerhöhung. Das Programm kostete ca. 42,7 Millionen Dollar und verringerte die Personalfluktuation um 30 Prozent, in Unternehmen, die die Löhne um mehr als 10 Prozent erhöht hatten, sogar um 60 Prozent. Allein beim Personal der Sicherheitskontrollen sank die Fluktuation von 94,7 auf 18,7 Prozent, so konnten 6,6 Millionen $ pro Jahr eingespart werden. Berichtet wurde weiter, dass die Qualität der Arbeit gestiegen ist, Fehlzeiten, Beschwerden der Beschäftigten und Disziplinarmaßnahmen dagegen zurückgingen.

Die IAQ-Arbeitsmarktforscher schließen daraus: "Ob ein gesetzlicher Mindestlohn Arbeitsplätze kostet oder aber beschäftigungsfreundlich wirkt, hängt von seiner Ausgestaltung ab: Die Höhe der Festsetzung braucht Augenmaß - und flankierende Maßnahmen wie eine frühzeitige Ankündigung, Anpassungszeiten für Klein- und Mittelbetriebe sowie eine Verknüpfung mit Weiterbildung und Innovation!"

Seit 1995 ist die Zahl der Niedriglohnbeschäftigten in Deutschland um knapp 49 Prozent gestiegen, zeigen die IAQ-Untersuchungen. Inzwischen arbeiten 6,5 Millionen Menschen - mehr als jeder fünfte Beschäftigte - für Stundenlöhne unterhalb der Niedriglohnschwelle von 9,62 Euro in Westdeutschland und 7,18 Euro in Ostdeutschland (2007). Die deutliche Zunahme des Niedriglohnsektors spricht für den politischen Handlungsbedarf. Ein einheitlicher gesetzlicher Mindestlohn, der das Lohnspektrum nach unten begrenzt, wäre besonders wichtig für Bereiche, in denen die Gewerkschaften und Arbeitsgeberverbände nicht präsent oder zu schwach sind, um angemessene Löhne zu vereinbaren, so die IAQ-Wissenschaftler. Dabei schließen sich gesetzlicher und tariflicher Mindestlohn keineswegs gegenseitig aus, sondern können kombiniert werden, wie Beispiele aus anderen EU-Mitgliedsländern zeigen.

Weitere Informationen unter:
http://library.fes.de/pdf-files/wiso/06866.pdf
http://www.iaq.uni-due.de/aktuell/veroeff/2009/bosch_kalina_weinkopf01.pdf

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution801


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Duisburg-Essen, Ulrike Bohnsack, 17.12.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Dezember 2009